Höchster europäischer Forschungspreis für Bayreuther Mathematiker
Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat Prof. Dr. Fabrizio Catanese, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Algebraische Geometrie innehat, einen hochdotierten ERC Advanced Grant zuerkannt. Für sein Forschungsvorhaben, das auch eng benachbarte Gebiete der Algebraischen Geometrie mit einbezieht, erhält er in den nächsten fünf Jahren rund 1,7 Millionen Euro. Der ERC Advanced Grant gilt als bedeutendster europäischer Forschungspreis. Er wird individuell an exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verliehen, die mit zukunftsweisenden Forschungsideen besonders innovative Beiträge zur Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Forschungsgebiete leisten.
Prof. Dr. Fabrizio Catanese gilt weltweit als einer der führenden Mathematiker auf dem Gebiet der Geometrie, die heute in zahlreiche benachbarte Disziplinen wie beispielsweise die Algebra und die Arithmetik hineinwirkt. Seit 2001 leitet der 1950 in Florenz geborene Wissenschaftler den Lehrstuhl für Algebraische Geometrie an der Universität Bayreuth. Längere Gastprofessuren führten ihn im Verlauf seiner akademischen Laufbahn unter anderem an die Harvard University, das Institute for Advanced Studies in Princeton, die University of California in Berkeley, Irvine und San Diego, die Stanford University, die Columbia University in New York, die University of Ann Arbor und die ETH Zürich.
Hinzu kamen zahlreiche weitere Lehr- und Forschungsaufenthalte an namhaften Universitäten und Instituten in Deutschland, Italien, Frankreich, Schweden, Spanien, Israel, China, Korea und Japan. Von 2007 bis 2013 leitete Prof. Catanese an der Universität Bayreuth die DFG-Forschergruppe „Classification of Algebraic Surfaces and Compact Complex Manifolds“; von 2001 bis 2004 koordinierte er hier einen Knoten des europäischen Forschungsprogramms EAGER (European Algebraic Geometry Research Training Network). Für Wissenschaftsorganisationen in aller Welt – in Deutschland insbesondere für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Alexander von Humboldt-Stiftung – ist Prof. Catanese seit vielen Jahren als Gutachter tätig. Er ist Ordentliches Mitglied der Nationalen Akademie Italiens (Accademia dei Lincei) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Das Forschungsvorhaben, für das Prof. Catanese jetzt mit einem ERC Advanced Grant ausgezeichnet wurde, geht davon aus, dass unterschiedliche Bereiche der Mathematik sich vor allem in den letzten Jahrzehnten zunehmend vernetzt haben oder sogar zusammengewachsen sind. Dazu zählen insbesondere die Topologie, die Theorie komplexer Funktionen, die algebraische Geometrie, die Differentialgeometrie und die Arithmetik. „Diese wachsende Symbiose hat sich für die mathematische Forschung als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Denn sie hat nicht nur kreative Lösungsansätze für vieldiskutierte Probleme und ganz neue Forschungsthemen erschlossen, sondern auch die Wissenschaftskultur der Mathematik insgesamt verändert“, erklärt der ERC-Preisträger. „Wenn wir heute an eine mathematische Fragestellung herangehen, müssen wir immer damit rechnen, dass es eine Vielfalt von Methoden und möglicherweise sogar unterschiedliche Disziplinen gibt, die eine Lösung fördern können. Umso wichtiger ist es, diesen Pluralismus im Blick zu behalten und systematisch für die Arbeit an mathematischen Herausforderungen zu nutzen.“
Auch in seinem neuen ERC-Forschungsprojekt will Prof. Catanese diese Symbiose von Methoden und Forschungsgebieten vorantreiben. Dabei geht es insbesondere darum, vier Bereiche zusammenzuführen, die in der Fachwelt bislang eher unabhängig voneinander bearbeitet wurden: Moduli von Kurven mit Symmetrien und Anwendungen auf Rigidität und Galois-Gruppen; Uniformisierung und Orbifold-Uniformisierung; topologische Methoden in der Moduli-Theorie; Klassifikation und Moduli von Flächen mit niedrigen Invarianten. Damit diese Gebiete weiter vernetzt werden können, sind im Rahmen des neuen Vorhabens zahlreiche Kooperationen geplant – sowohl innerhalb des Mathematischen Instituts der Universität Bayreuth als auch mit Forschungspartnern in Frankreich, Italien, Polen und China.
Die angestrebten wissenschaftlichen Ergebnisse sind im wesentlichen der Grundlagenforschung zuzuordnen. Doch sieht Prof. Catanese gute Chancen, dass sich innovative Impulse für technologische Anwendungen daraus entwickeln können: „Erinnern wir uns nur an den rasanten Fortschritt, der sich beispielsweise in der Kommunikationstechnik ereignet hat. Ohne die teilweise bahnbrechenden Erkenntnisse der Algebra wären viele technische Produkte und Verfahren, die wir heute selbstverständlich nutzen, nicht möglich – wie etwa Mobiltelefone, Online-Banking, CDs und DVDs oder auch effiziente Verschlüsselungsverfahren für eine abhörsichere Nachrichtenübertragung.“
Prof. Catanese wird die Fragestellungen, die er im Rahmen des neuen Forschungsvorhabens bearbeitet, und die zu entwickelnden Lösungsansätze auch in die Lehre an der Universität Bayreuth einbringen. Seit 12 Jahren ist er hier ein engagierter und hochgeschätzter Förderer des wissenschaftlichen Nachwuchses. Er war Doktorvater zahlreicher Mathematikerinnen und Mathematiker, von denen heute mehr als 20 eine Professur in Deutschland, Italien, Großbritannien, Frankreich, den USA oder China innehaben.
Mit der Auszeichnung für Prof. Dr. Fabrizio Catanese wird bereits zum fünften Mal ein ERC Grant an einen Wissenschaftler der Universität Bayreuth vergeben. Prof. Dr. Dan Frost und Prof. Dr. David Rubie, die am Bayerischen Geoinstitut (BGI) im Bereich der geowissenschaftlichen Hochdruck- und Hochtemperaturforschung arbeiten, erhielten gleichfalls jeweils einen ERC Advanced Grant. Auf dem Gebiet der Polymer- und Kolloid-forschung – einem weiteren Profilfeld der Universität Bayreuth – wurden Prof. Dr. Stephan Förster und Prof. Dr. Andreas Fery mit einem ERC Advanced Grant bzw. einem ERC Starting Grant ausgezeichnet.
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