Bamberg: Etikettenschwindel „autofrei“ – Wolfgang Bönig äußert sich zum Schaefflergelände am Margaretendamm – ein Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren!
Etikettenschwindel ist in Bamberg schon lange ein beliebter Zeitvertreib. So sieht sich die Stadtspitze gern als Vorreiter hinsichtlich der „Barrierefreiheit“ für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. Das Ansinnen, lediglich durch Beachtung geltenden Rechts diese Barrierefreiheit auf den Gehwegen sicherzustellen, weist sie hingegen zurück:
„Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung). Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen geben einen freizuhaltenden Regelquerschnitt von 2,50 m bei geringem Fußverkehr vor, für kurze, unvermeidbare Engstellen (!) sind 2,20 m zulässig. „Würde man … nur dort das Parken (ganz oder teilweise) zulassen, wo ein verbleibender Querschnitt des Gehwegs“ entsprechend der rechtlichen und fachlichen Vorgaben verbliebe, würde dies „auf Unverständnis stoßen“ (Sozial- und Umweltdezernent Haupt). Daß überdies rücksichtsloses Falschparken außerhalb bewirtschafteter Stellplätze wenig Beachtung seitens der Ordnungsbehörden (städtischer Parküberwachungsdienst und Polizei) erfährt, ist allerorten zu beobachten. Die hohe Gefährdung, welcher insbesondere Kinder durch angeordnetes wie auch geduldetes Gehwegparken ausgesetzt sind, spricht der gleichfalls propagierten Familienfreundlichkeit Hohn.
Da „bereits 22,3 % aller Wege in Bamberg mit dem Fahrrad zurückgelegt werden … kann Bamberg im Bundesvergleich … als fahrradfreundliche Stadt bezeichnet werden“, ist der Radverkehrsstrategie Bamberg zu entnehmen. „Viele Faktoren, die sich nicht von außen beeinflussen lassen (Stadtgröße und -struktur, Anteil von Studenten etc., …) sind für die Anteile des Radverkehrs mit verantwortlich. Und auch das Zustandekommen der Daten kann Unterschiede aufweisen und die Statistik beeinflussen. Ein mittlerer bis hoher Radverkehrsanteil bedeutet dementsprechend nicht zwangsläufig eine gute Fahrradpolitik“ (Thorben Prenzel: „Kommunikation im Radverkehr“, Mai 2012). Im bundesweiten Fahrradklimatest 2012 war Bamberg weit nach hinten gefallen und wies bei einer Gesamtnote zwischen 4+ und 4 eine deutlich negative Tendenz auf. Dies verwundert wenig. Denn neben einer Vielzahl weiterer Kritikpunkte entspricht keine Anlage für den fließenden Radverkehr (baulicher Radweg mit und ohne Benutzungspflicht, Radfahrstreifen, sog. „Schutzstreifen“) den Anforderungen der einschlägigen Regelwerke und damit dem anerkannten Stand der Technik. Und die Verkehrslenkung nimmt es mit Vorschriften, welche dem Radverkehr zu Gute kämen, alles andere als genau.
Fazit:
Bambergerinnen und Bamberger fahren nicht wegen, sondern trotz der kommunalen Verkehrspolitik mit dem Fahrrad.
Die Baustelle auf dem ehemaligen Schaefflergelände am Margaretendamm bewirbt mittels Großflächenplakats (Anlage) ihre angebliche Autofreiheit – als erster Bamberger Stadtteil. Mit der Wirklichkeit hat dies wenig zu tun:
So existieren bereits mindestens zwei „autofreie“ Wohnsiedlungen in Bamberg. Sowohl am Ochsenanger als auch an der Tarvisstraße, beide in Gaustadt gelegen, liegen die Stellplätze außerhalb der Siedlung. Bushaltestellen finden sich nahebei, mit dem Fahrrad ist eine gute Anbindung gewährleistet – wenngleich die Tarvisstraße auf dem Berg liegt.
Das Schaefflergelände liegt innenstadtnah und wäre ideal für autofreie Mobilität geeignet. Indes finden sich die nächsten Bushaltestellen hunderte Meter entfernt und sind zum Teil nur über unattraktive Wegeverbindungen zu erreichen. Eine Verbesserung ist nicht garantiert. Die Bedingungen für das Radfahren sind auf dem Großteil des umliegenden Straßennetzes nur erfahrenen Vielradler/inne/n zumutbar. Die hohe Zahl der vorgesehenen Pkw-Stellplätze wurde im Verlauf der Bebauungsplanung noch einmal angehoben. Hingegen finden sich hier keinerlei Vorgaben für die Unterbringung von Fahrrädern, obgleich die Bayerische Bauordnung sie seit vielen Jahren fordert. Doch noch immer ist diese Verpflichtung (!) nicht in der Bamberger Stellplatzsatzung verankert. Auch bezüglich des Wegenetzes innerhalb der Siedlung spielt das Fahrrad im Bebauungsplan keine Rolle.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
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