"O Heiland, reiß die Himmel auf!"
Mit diesen Worten beginnt das ergreifende, aber heute wenig gesungene Adventslied des Jesuitenpaters Friedrich Spee aus dem Jahr 1622. Flehend und fordernd, aus tiefer Not schreit der Verfasser zu Gott. Können wir in diese aufgewühlten Verse einstimmen? Warten wir, vertrauen wir darauf, dass Christus wiederkehrt, schon heute in unser Leben eingreift oder wäre er uns gar nicht willkommen? Der Advent, der seinem Wesen nach zur kirchlichen Buß- und Fastenzeit gehört, der uns zur ruhe bringen, zum Nachdenken anregen möchte, präsentiert sich seit Jahrzehnten als kommerzielle Hauptstoßzeit, als die hektischste Zeit im Jahr.
Ich möchte angesichts dieser Sinnentleerung wirklich einstimmen in den Stoßseufzer Friedrich Spees. Er kämpfte damals jahrelang, aber zunächst erfolglos gegen den furchtbaren Hexenwahn, der Tausenden das Leben kostete. Ich warne freilich vor der selbstgerechten Kritik, die man häufig hört: „Kirche hat versagt!“ Wer weiß, was wir damals getan hätten oder wenn wir im „Dritten Reich“ gelebt hätten! Was aber das Böse in seinen 100 Formen betrifft, so sollten wir erst genau prüfen, wo menschliche schuld vorliegt. Der Rest ist vielleicht wirklich Zufall. Wir sollten nicht über das Warum spekulieren, sondern Unglück und Unrecht als Aufforderung zum eigenen Handeln verstehen. Gott will keine „Karteileichen“, keine Mitläufer, sondern Aktivisten der Nächstenliebe. Wo ich aber im Evangelium zur Ruhe komme, neuen Mut für den Alltag schöpfe, wird es heute schon Advent in meinem leben, da kehrt Jesus bei mir ein.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
- nicht verheiratet
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