Leserbrief: Zukunft des Verkehrs? – Verkehr ohne Zukunft?
Sehr geehrte Damen und Herren!
… Der Radverkehr hat deutlich zugenommen, mittlerweile werden … rund 25 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt. „… wir wollen den Anteil aber noch weiter erhöhen. Doch die vorhandene Infrastruktur erreicht … ihre Grenzen.“ …
… Ohne eine gezielte Erweiterung der Radverkehrsinfrastruktur wird es nicht gehen. Das bedeutet u. a., dass die Aufteilung der Verkehrsräume … verändert werden muss. …
Die Benutzungspflicht wurde für viele Radwege der … Rechtslage angepasst und aufgehoben. Hier dürfen nun Radlerinnen und Radler gleichberechtigt … auf der Straße fahren … .
Die Stadt Bamberg geht einen anderen Weg: „Der Anteil der in der Stadt zurückgelegten Wege mit dem Fahrrad soll von 22 % (Stand 2005) auf 25 % (2013) und 30 % (2020) gesteigert werden“, ist in der im Mai 2012 beschlossenen Radverkehrsstrategie festgehalten. Doch den einleitend dargestellten Pfad, den die Stadt Bremen (die Auszüge entstammen einer Pressemitteilung des dortigen Verkehrssenators aus dem September dieses Jahres) einschlagen will, halten hiesige Verkehrsstrateg/inn/en für falsch:
Der rund 2 m breite Bereich zwischen Baumreihe und Bordstein der Kloster-Banz-Straße entspricht nahezu dem vorgeschriebenen Regelmaß eines baulichen Radwegs. Die neue „Aufteilung der Verkehrsräume“ beläßt eine Fahrwegbreite von 1,18 m. Unbefestigte Baumscheiben und zu weit rechts stehende Pkw schränken den verfügbaren Querschnitt weiter ein.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme (Juni 2013) war keine Benutzungspflicht angeordnet. Das sicherere und komfortablere Radfahren auf der Fahrbahn bot eine mögliche Alternative. Doch „sollen nicht benutzungspflichtige Radwege die gleichen Qualitätskriterien hinsichtlich, Breite, Oberflächengestaltung und Sicherheit in Knotenpunkten erfüllen – sie sind keine Radwege ‚2. Klasse’!“ gibt die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vor (Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, Mai 2011).
Bamberg wäre nicht Bamberg ohne findige Verkehrsexpert/inn/en der Stadtverwaltung: Die inzwischen angeordnete Benutzungspflicht zwingt den Radverkehr in den Schwenkbereich der Autotüren. Zehn Personenschäden weist die Bamberger Polizei im vergangenen Jahr plötzlich geöffneten Autotüren zu: acht Leicht-, eine Schwerstverletzte, ein ausgelöschtes Leben. „Insbesondere sind ausreichende Sicherheitsräume zu angrenzenden Verkehrsflächen, z.B. zu Kfz-Parkstreifen, erforderlich“, mahnt das Radverkehrshandbuch des Innenministeriums. Alle Kommunen des Freistaats waren geladen, sich zu den Inhalten schulen zu lassen.
Benutzungspflichtige Radwege „dürfen … nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko … erheblich übersteigt“ (StVO). So „bieten … Erschwernisse, die lediglich die normalen Gegebenheiten des heutigen Straßenverkehrs widerspiegeln (zu ihnen gehört grundsätzlich auch das Vorhandensein langsamerer Verkehrsteilnehmer auf der Straße) keinen Anlass für Verkehrsbeschränkungen“, zu denen das Radfahrverbot auf der Fahrbahn zählt (BayVGH).
Ungeachtet dessen, ist seit Mai dieses Jahres Benutzungspflicht für den stadteinwärts, seit wenigen Tagen auch für den stadtauswärts führenden Radweg der Zollnerstraße zwischen Brenner- und Ludwigstraße angeordnet. Der Radweg ist keinen Meter breit, der Gehweg (nicht einmal durchgehend) nur unwesentlich breiter. Einen seitlichen Sicherheitsraum zur Fahrbahn, der den Vorgaben der technischen Regelwerke auch nur annähernd gerecht würde, sucht man vergeblich. Lkw- und Busaußenspiegel befinden sich in gefährlicher Nähe zu den Köpfen der Radler/innen.
„Benutzungspflichtige Radwege dürfen nur angeordnet werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung). Die bei Neuanlage eines Radwegs zu beachtenden Regelmaße betragen: 0,75 m seitlicher Sicherheitsraum zum fließenden Kraftverkehr, 2 m Fahrwegbreite, 0,25 m seitlicher Sicherheitsraum zum Gehweg, 2,50 m Gehwegbreite. An kurzen, unvermeidbaren Engstellen dürfen die Werte auf 0,50 m, 1,6 m, 0,25 m und 2,20 m verringert werden, aber nicht alle zugleich: „Keine Kombination von Mindestmaßen!“ (Radverkehrshandbuch). Das Verwaltungsgericht Hannover hat unmißverständlich klargestellt, „dass den baulichen Anforderungen an einen Radweg und die sich hieran anknüpfende Radwegebenutzungspflicht erhebliche Bedeutung beigemessen wird und es der Straßenverkehrsbehörde grundsätzlich verwehrt sein soll, auf das Fehlen baulicher Alternativen hinzuweisen.“
Die Stadt Bamberg scheint zum wiederholten Mal beweisen zu wollen, daß sie sich um Recht und Gesetz nicht zu kümmern braucht. Gerade der Rad-, aber auch der Fußverkehr (Beispiele: das ausufernde Gehwegparken, ob geduldet oder angeordnet; vielfach fehlende Möglichkeiten zur sicheren Fahrbahnquerung) wird willkürlich nach Gutsherrenart behandelt. Nicht ein Radweg, Radfahr- oder Fahrradschutzstreifen in der Stadt entspricht den Regelmaßen der „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“. Vielfach werden selbst die rechtlich verbindlichen Mindestanforderungen mißachtet.
„Dass es dem Willen des Bundesverkehrsministeriums und des Bundesrates entspricht, wenn Radwegebenutzungspflichten nur restriktiv angeordnet werden, lässt sich ferner den … neu gefassten Teilen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung entnehmen …
Die Teilhabe der Radfahrer an der Benutzung der Straße wird mithin als der straßenverkehrsrechtliche ‚Normalfall’ vorausgesetzt; die Verweisung dieses Teils des fließenden Verkehrs auf einen Sonderweg stellt demgegenüber eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme dar“ (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof).
Liegt eigentlich die Vermutung allzu fern? Wäre ein bekannter Manager der Autozulieferindustrie nicht begeisterter Flieger, sondern lieber mit dem Stahlroß unterwegs, wären längst flächendeckend breite Fahrradchausseen in Planung und Bau, überdacht, im Winter beheizt und an Steigungen mit Schleppliften ausgerüstet.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
Bamberg-Gaustadt
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