Universität Bayreuth: "Iwalewa – Vier Ansichten des zeitgenössischen Afrika"
Seit im Sommer 2010 eine hochrangige Delegation aus der südwestfranzösischen Region Aquitanien die Universität und die Stadt Bayreuth besucht hat, um sich über das besondere Profil der Bayreuther Afrikastudien zu informieren, sind die langjährigen Kontakte immer enger geworden. Ein Ausdruck dieser Verbundenheit ist die vierteilige Ausstellung „Iwalewa – Vier Ansichten des zeitgenössischen Afrika“ („Iwalewa – Quatre vues de l’Afrique contemporaine“), die derzeit in vier kulturellen Zentren der aquitanischen Hauptstadt Bordeaux gezeigt wird. Ein Parcours von vier aufeinander folgenden Vernissagen eröffnete am 11. September die Ausstellung, die noch bis zum 11. Oktober 2013 zu sehen ist.
Künstlerische Produktivität und wissenschaftliche Forschung
Das Projekt ist aus einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Iwalewahaus der Universität Bayreuth, der Université Montesquieu – Bordeaux IV und der Galerie MC2a (Migrations culturelles aquitaine afrique) in Bordeaux hervorgegangen. Dabei hat das Iwalewahaus, das sich in den mehr als 30 Jahren seines Bestehens als Forum für afrikanische Gegenwartskunst international einen Namen gemacht hat, einen wesentlichen Teil der Exponate beigesteuert. Neue Wege zu suchen, um wissenschaftliche Forschung und künstlerische Produktivität miteinander in Beziehung zu setzen – diese programmatische Zielsetzung des Iwalewahauses liegt auch dem neuen Kooperationsprojekt im Südwesten Frankreichs zugrunde. In der Ausstellung spiegelt sich die besondere Verbundenheit afrikanischer Künstlerinnen und Künstler mit dem Iwalewahaus. Viele von ihnen haben hier in den letzten Jahrzehnten ihre Werke vorgestellt und Einblicke in kreative Schaffensprozesse gegeben.
Dr. Ulf Vierke und Nadine Siegert, das Leitungsteam des Iwalewahauses, haben die Ausstellung federführend organisiert. Die Kuration liegt in den Händen von Pierre-Nicolas Bounakoff (Leitung), Katharina Greven, Sarah Böllinger, Lena Naumann und Katharina Fink. Dieses Team besteht damit aus zwei Studentinnen im Bayreuther Afrikaschwerpunkt, zwei Junior Fellows der Bayreuth International Graduate School of African Studies und einer Postdoktorandin der Bayreuth Academy of Advanced African Studies – ein Beispiel für die Bandbreite des erfolgreichen wissenschaftlichen Arbeitens in den Bayreuther Afrikastudien.
Afrikanische Kulturen und Lebensstile erlebbar machen
Insgesamt vereint die Ausstellung Studiofotografien, Videoinstallationen, Gemälde und Zeichnungen, Mode und Popmusik mit einem regionalen Schwerpunkt auf Kenia und Nigeria. So werden künstlerische Trends erkennbar, die sich in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet haben, und auch die individuellen Ausdrucksformen afrikanischer Künstlerinnen und Künstler sind präsent. So bieten die Ausstellungsräume Einblicke in die Vielfalt afrikanischer Kulturen und Lebensstile. Sie eröffnen einen formen- und farbenreichen Kosmos ästhetischer Wahrnehmungen, die faszinieren, aber auch provozieren können. Gesellschaftskritik kommt in den Exponaten ebenso zum Ausdruck wie visionäre Zukunftsentwürfe. Die Ausstellung will die Besucher dazu anregen, sich diesen Herausforderungen zu stellen, gewohnte Sichtweisen neu zu reflektieren und eigene Antworten zu suchen.
Von der Plakatkunst bis zur Kleidermode
Im Herzen von Bordeaux befindet sich die Galerie MC2a, die unter dem Titel „Collection / Base“ zum ersten Ausstellungsteil einlädt. Hier werden insbesondere Werke von bildenden Künstlerinnen und Künstlern aus der nigerianischen Metropole Oshogbo gezeigt, aber auch Beispiele für die eindrucksvolle Plakatkunst aus Biafra, das nach dem schweren Bürgerkrieg Ende der 1960er Jahre wieder in den nigerianischen Staat eingegliedert wurde.
Im zweiten Ausstellungsteil „Virtual/Material: Fashion as Logbook“ geht es um Kleidermode als Kunstform, die gleichermaßen von der Vielfalt der Stoffe wie von künstlerischen Gestaltungsideen lebt. Unter der Regie von namhaften internationalen Stylisten zeigt das Museum für Ethnographie in Bordeaux Arbeiten der deutsch-ghanaischen Mode-Designerin Zohra Opoku und des U.S.-amerikanisch-nigerianischen Modekünstlers Emeka Alams. Beide waren im Frühjahr 2013 im Iwalewahaus zu Gast und haben hier erstmals in einer gemeinsamen Ausstellung eigene Kreationen vorgestellt. Die Ausstellung wurde in Bordeaux um eine Performance des Künstlers Yassine Balbzioui ergänzt, dem das Iwalewahaus vor zwei Jahren die Ausstellung „Aquitaine Afrique“ gewidmet hat. In diesem Rahmen hat er mit Bayreuther Kindern und Jugendlichen einen vielbeachteten Workshop veranstaltet.
Kultureller und demografischer Wandel im Spiegel der Porträtfotografie
Der Porträtfotografie ist der dritte Ausstellungsteil gewidmet, der sich im Forum der Künste und der Kultur – einem weiteren kulturellen Zentrum von Bordeaux – befindet. Er dokumentiert die Entwicklung der Studio-Fotografie in Nairobi, seit im Jahre 1905 das erste Fotostudio in der kenianischen Hauptstadt eröffnet wurde. Im Rahmen einer Kooperation des Iwalewahauses mit dem Goethe-Institut in Nairobi haben die Ausstellungsmacher Porträts aus Studioarchiven und Privatsammlungen zusammengetragen. Die Fotografien wurden teils in Studioräumen, teils vor dem Hintergrund signifikanter Gebäude in Nairobi inszeniert. Kleidung und Habitus der fotografierten Personen spiegeln kulturelle, demografische und ästhetische Veränderungen während der letzten 100 Jahre wieder. „PigaPicha!“ lautet das Motto dieser Fotoschau – zu deutsch: „Mach ein Bild von mir!“
Integration von Klängen und Visionen
Der Ausstellungsparcours endet im Haus der Künste in Bordeaux. Die Gruppe „Just a Band“, die mit ihren musikalischen Produktionen in den Bereichen Funky House und Disco weltweit große Erfolge feiert, hat mit eigenen Video- und Fotoproduktionen im Internet auf sich aufmerksam gemacht. Diese Kunstformen werden in den Ausstellungsräumen zusammengeführt. Die Besucher erleben eine phantasievolle, gelegentlich ironische Verbindung von Klängen und Visionen, die eine originelle Ergänzung in den Videoinstallationen von Sam Hopkins finden. Als „Artist in Residence“ des Iwalewahauses ist er mittlerweile auch einem größeren Publikum in Bayreuth bekannt, nicht zuletzt durch seine Mitarbeit im Jean-Paul-Jahr sowie als „Curator in Residence“ der Kulturstiftung des Bundes.
Lebhafte Resonanz in der aquitanischen Hauptstadt
Dr. Markus Zanner, Kanzler der Universität Bayreuth, freut sich über diese erfolgreiche bayerisch-aquitanische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Afrikastudien: „Ich habe an den Vernissagen in Bordeaux teilgenommen und bin beeindruckt von der künstlerischen Vielfalt und Kreativität des afrikanischen Kontinents und natürlich auch vom Engagement unserer Bayreuther Delegation. In der Université de Bordeaux konnte ich wertvolle Kontakte intensivieren, insbesondere auch in der Chemie und bei den Juristen. Diese Kontakte wollen wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen.“ Vor kurzem ist auch Katharina Fink, die das Projekt mit vorbereitet hat, aus Bordeaux zurückgekehrt: „Die Ausstellung mit ihren vier Standorten ist in Bordeaux auf große Resonanz gestoßen – nicht nur innerhalb der dortigen Universität, die mit ihrem Centre d’étude d’Afrique noire (CEAN) ein eigenes Afrikazentrum betreibt, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern und internationalen Gästen der Stadt“, berichtet die Bayreuther Kulturwissenschaftlerin.
Bereits Ende September wird sich dieser Austausch fortsetzen, wenn an der Université de Bordeaux die internationale Konferenz der APELA – der Association Pour l’Étude des Littératures Africaines – stattfindet. Zahlreiche Mitglieder des Bayreuther Afrikaschwerpunkts werden daran teilnehmen.
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