Fachgespräch mit Ulla Schmidt und Anette Kramme auf dem Forchheimer Winterbauer-Keller
Fachleute der Behindertenhilfe und Betroffen diskutierten mit Politikerinnen
Die Bundestagsabgeordente Anette Kramme, Mitglied im Bundesvorstand der SPD und Sprecherin der SPD-Fraktion für den Bereich Arbeit und Soziales, hatte Fachleute der Behindertenhilfe und Betroffene zu einer Diskussionsrunde auf den Winterbauer-Keller in Forchheim eingeladen. Im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion stand die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen, die inklusive Gesellschaft. Vertreter der örtlichen Einrichtungen der Behindertenhilfe, Mitglieder regionaler Selbsthilfeorganisationen sowie betroffene Eltern waren der Einladung gefolgt. Neben ihnen konnte Kramme auch den Forchheimer SPD-Landtagskandidaten Reiner Büttner begrüßen, und – als Expertin – die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.
Bereits seit März 2009 sei die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland, erläuterte Kramme, die, ihren Worten zufolge, Behinderung in ihrem familiären Umfeld selbst intensiv erlebt habe. Das Ziel dieser UN-Konvention sei eine Gesellschaft, die nieman-den ausschließe – eben eine inklusive Gesellschaft. „In der Praxis ist es allerdings noch lange nicht selbstverständlich, dass Menschen ungeachtet ihrer Beeinträchtigungen und ihrer indivi-duellen Fähigkeiten gleichberechtigt in Deutschland leben. Es gibt einstellungs- und umweltbedingte Barrieren, die Menschen behindern“, so Kramme. Die zögerliche Umsetzung der UN-Konvention beobachte sie teilweise mit Verzweiflung. Diese Hemmnisse gelte es zu überwinden, beispielsweise mit der Möglichkeit der gemeinsamen Beschulung behinderter und nichtbehinderter Kinder. Praxiserfahrungen sowie die im ländlichen Bereich öfter praktizierte Zusammenlegung verschiedener Grundschulklassen zeigten, dass eine gemeinsame Beschulung von Kindern mit unterschiedlichem Lernniveau möglich sei.
Auch die Lebenshilfe Forchheim folge dieser Idee, erläuterte Rolf-Christian Platzek, Vorsitzen-der der Lebenshilfe Forchheim. So existieren Kooperationen der Hainbrunnenschule mit anderen Schulen, eine Außenklasse sei gegründet worden. Platzek erinnerte aber auch an die unterschiedlichen Ausprägungen von Behinderung. So gebe es schwerbehinderten Kinder, die teil-weise betreuungsintensiv und von Pflege abhängig seien und diese seien in den spezialisierten
Einrichtungen der Lebenshilfe immer noch am besten aufgehoben. Dort stünden entsprechende Angebote und therapeutische Dienste zu Verfügung. Außerdem, so Platzek weiter, könne Inklusion auch andersherum verwirklicht werden, beispielsweise durch eine Öffnung der Lebenshilfe-Werkstätten für nichtbehinderte Menschen, die den Belastungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht mehr gewachsen seien.
Wolfgang Badura, Geschäftsführer der Werkstätten der Lebenshilfe Forchheim, sah eine Lösung in der Verwirklichung des Wahlrechts für behinderte Menschen. „Die Einrichtungen der Behindertenhilfe sollten dazu ein breites Leistungsangebot vorhalten, aus denen die Betroffenen selbst auswählen können.“ So hielten beispielsweise die Werkstätten vom Förderbereich für Menschen mit schwersten Behinderungen über unterschiedliche Arbeitsplätze in den Werkstätten bis hin zu Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein breites Leistungsangebot vor. Aus diesem Angebot könnten die Leistungsempfänger auswählen. Badura bemängelte jedoch auch die gängige Praxis der Kostenerstattungen der überörtlichen Träger der Sozialhilfe hierbei. Inklusive Initiativen würden von diesen offensichtlich als Einsparmöglichkeiten gesehen und entsprechende Leistungen geringer vergütet als Leistungen innerhalb der Werkstätten. Dies entspreche nicht der tatsächlichen Kostensituation, sei daher nicht gerechtfertigt und widerspreche dem politischen Ziel der Inklusion.
Dem konnte auch Ulla Schmidt zustimmen: „Inklusion ist kein Sparmodell, das muss allen Beteiligten klar sein.“ Die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention, so Schmidt weiter, sei ein großer Schritt zur Verwirklichung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen. Ein langer Weg zur inklusiven Gesellschaft läge jedoch noch vor uns. Die notwendigsten Schritte zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention sehe sie in der Umsetzung der Barrierefreiheit, wobei hierbei der Begriff Barrierefreiheit umfassend gesehen werden müsse. Ferner gelte es, die Eingliederungshilfe zu reformieren, weg vom Prinzip der Fürsorge, hin zu einer personenorientierten Teilhabe.
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