Katastrophaler als vermutet: Steinzeitlicher Vulkanausbruch verwüstete Südosteuropa

Symbolbild Bildung

Ein Vulkanausbruch in Süditalien vor rund 40.000 Jahren, der „Kampanische Ignimbrit“, hat in Europa weitaus größere Verwüstungen angerichtet, als bisher vermutet wurde. Dies bezeugt eine unerwartet mächtige Schicht von Vulkanasche, die der Bayreuther Geomorphologe Dr. Ulrich Hambach in den Steppenlandschaften an der Unteren Donau entdeckt hat. Gesteinsmagnetische und geochemische Analysen an der Universität Bayreuth haben bestätigt, dass die rund ein Meter mächtigen Ablagerungen eine zerstörerische Folge jenes Vulkanausbruchs sind. Über die neuen Erkenntnisse und mögliche Schlussfolgerungen berichtet eine internationale Forschungsgruppe im Forschungsmagazin PLOS ONE.

Die alten Griechen vermuteten hier den Zugang zur Unterwelt, der römische Dichter Vergil hat sie erstmals literarisch beschrieben: die „Campi Flegrei“, die phlegräischen Felder. In diesem rund 20 km vom Vesuv entfernten Gebiet, das auch heute noch eine relativ hohe vulkanische Aktivität aufweist, ereignete sich vor etwa 40.000 Jahren ein Vulkanausbruch, wie es ihn seit 200.000 Jahren in Europa nicht gegeben hat. Die ökologischen Folgen waren katastrophal. Wie noch heute auffindbare Reste dieser Vulkanasche zeigen, reichten die Auswirkungen dieser gewaltigen Eruption bis weit in die Russische Tiefebene, in den östlichen Mittelmeerraum und bis nach Nordafrika. Ergebnisse von Computermodellierungen legen die Annahme nahe, dass sich wahrscheinlich dadurch die Lebensbedingungen in Europa und weltweit erheblich verschärft haben.

Unerwartet mächtige vulkanische Ablagerungen auf dem Balkan

Während die Ascheablagerungen in Italien und im östlichen Mittelmeer schon seit langem durch Messungen an diversen Fundstellen belegt sind, gab es für die 1.500 km zwischen dem Balkan und der Russischen Tiefebene bisher nur sporadische empirische Daten. Aufgrund von Computermodellen wurde vermutet, dass sich in Osteuropa eine ungefähr fünf bis zehn Zentimeter dicke Ascheschicht gebildet haben müsse. Doch bei landschaftsgeschichtlichen Untersuchungen in Rumänien, in der Steppenlandschaft der Unteren Donau, stieß Dr. Ulrich Hambach auf grobkörnige vulkanische Ablagerungen, die eine Höhe von bis zu einem Meter erreichen. Diese mächtige Schicht befindet sich heute noch bis zu 10 Meter unter der Erdoberfläche.

Proben dieser Ablagerungen wurden in den Laboratorien des Bayerischen Geoinstituts (BGI) an der Universität Bayreuth untersucht. „Wie die geochemischen Analysen gezeigt haben, stammt die Vulkanasche eindeutig aus dem ‚Kampanischen Ignimbrit’“, berichtet Hambach. „Daher bedürfen die Computermodelle, mit denen die Folgen dieses Vulkanausbruchs viel zu gering eingeschätzt wurden, einer erheblichen Überarbeitung.“ Bei den weiteren Untersuchungen stellte sich allerdings auch heraus, dass die bisherige Forschung bei der Datierung des verheerenden Ereignisses richtig gelegen hat. Dr. Kathryn Fitzsimmons vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig konnte mithilfe der so genannten Lumineszenz-Methode nachweisen, dass die vulkanischen Ablagerungen vor rund 39.000 Jahren zum letzten Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Unmittelbar darauf wurden sie von Löss-Sedimenten zugedeckt. Diese neuen Ablagerungen bildeten sich aus den großen Staubmengen, die vom Wind herangetragen wurden.

Eine ökologische Katastrophe der Steinzeit – mit Folgen für die Besiedlung Europas?

Mit ihren Forschungsarbeiten haben die Geowissenschaftler die Suche nach neuen archäologischen Fundstätten unterstützt. Ihre Studie ist Teil des internationalen Forschungs-projekts „Lower Danube Survey for Palaeolithic Sites“. Es befasst sich mit menschlichen Siedlungen im Unteren Donaubecken und den dortigen Lebensbedingungen während der Steinzeit. Federführend sind hier das archäologische Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution (Monrepos, RGZM) in Neuwied und das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Der Lehrstuhl für Geomorphologie an der Universität Bayreuth unter der Leitung von Prof. Dr. Ludwig Zöller trägt mit Daten aus eigenen Forschungsarbeiten wesentlich dazu bei, dass die Umweltbedingungen, wie sie vor etwa 20 000 bis 50 000 Jahren herrschten, mit hoher Genauigkeit rekonstruiert werden können.

Wie die neuen Erkenntnisse zeigen, sind die fatalen Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen vermutlich unterschätzt worden. Die Wissenschaftler haben die starke Vermutung, dass die natürlichen Trinkwassersysteme durch die Asche-Ablagerungen vergiftet wurden. In diesem Fall müssten Fluoridvergiftungen bei Menschen und Tieren und eine daraus resultierende Deformation der Knochen weit verbreitet gewesen sein. „In der anthropologischen Forschung ist man heute davon überzeugt, dass die Balkanregion eine geografische Schlüsselfunktion hatte, als anatomisch moderne Menschen nach Europa eingewandert sind“, erläutert Hambach. „Umso spannender ist deshalb die Frage, wie diese Prozesse durch die ökologische Katastrophe vor 40.000 Jahren beeinflusst worden sein könnten.“

Hintergrund:

An dem internationalen, interdisziplinären Forschungsprojekt „Lower Danube Survey for Palaeolithic Sites“ sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der folgenden Einrichtungen beteiligt: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig; Universität Bayreuth; Monrepos Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution (RGZM), Neuwied; Institute für Archäologie und Höhlenforschung der Rumänischen Akademie der Wissenschaften, Bukarest. An der in PLOS ONE veröffentlichten Studie zum „Kampanischen Ignimbrit“ haben auch Forscher der Babes-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca, Rumänien, mitgewirkt.

Veröffentlichung:

Kathryn E. Fitzsimmons, Ulrich Hambach, Daniel Veres, Radu Iovita,
The Campanian Ignimbrite Eruption: New Data on
Volcanic Ash Dispersal and Its Potential Impact on
Human Evolution,
in: PLOS ONE, June 17, 2013.