Glaubenstournee von "Kirche in Not" im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen
Der „Speckpater“ und die Menschenrechte in Myanmar
Die Menschenrechtssituation in Myanmar, dem früheren Birma, stand am Samstag im Mittelpunkt eines Begegnungstages des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen. Angereist waren dazu der Erzbischof von Rangun, Charles Bo, und der Salesianerpater Charles Saw, der im Norden Myanmars ein Flüchtlingslager betreut.
Der Tag war Teil der deutschlandweiten „Glaubenstournee“, die „Kirche in Not“ anlässlich des 100. Geburtsjahres seines Gründers, des „Speckpaters“ Werenfried van Straaten, veranstaltet.
Eröffnet wurde die Veranstaltung am Samstagvormittag durch ein von Erzbischof Bo geleitetes Pontifikalamt in der Wallfahrtsbasilika, zu dem sich etwa 200 Gläubige versammelt hatten. Die Predigt hielt Pfarrer Markus Wittal aus Nürnberg. Darin rief er die Gläubigen nach dem Beispiel Pater Werenfrieds zu einer „neuen Radikalität“ auf. Das Wort „radikal“ gehe auf das lateinische Wort „radix“ (Wurzel) zurück. Es bezeichne im Zusammenhang mit dem Evangelium einen „von allen ideologischen Barrieren“ befreiten Lebensstil der Liebe. „Diese Liebe schenkt sich hin, macht versöhnungsbereit und führt uns in eine neue Radikalität hinein“, sagte Wittal. Das Paulus-Wort „Die Liebe Christi drängt uns“ habe Pater Werenfried tief bewegt. „Jedem, der wie Pater Werenfried auf das Kreuz Jesu blickt, wird klar, dass Christus bereits alles gegeben hat. Die Frucht dieser Erkenntnis ist, dass ich nicht mehr länger um mich selber kreise“, erklärte Wittal. „Christus hat uns versöhnt – wie hat diese Erkenntnis gebrannt im Herzen Pater Werenfrieds! Diese Liebe dürfen wir nicht an unsere Mittelmäßigkeit verkaufen“, sagte er.
Am Nachmittag hatte „Kirche in Not“ zu zwei Podiumsgesprächen ins Diözesanhaus Vierzehnheiligen eingeladen. Auch dort ging es zunächst um das Leben und Werk Pater Werenfrieds. Der ehemalige internationale Präsident des Gesamtwerks „Kirche in Not“, Hans-Peter Röthlin, erzählte in Anekdoten über das Leben und Werk Pater Werenfrieds. Neu war dabei selbst für langjährige Unterstützer des Hilfswerks, dass der „Speckpater“ kurz vor seinem Tod im Januar 2003 noch beinahe Kardinal geworden wäre. Die Entscheidung in Rom sei bereits getroffen worden, nur die Ernennung selbst habe Pater Werenfried leider nicht mehr erlebt, erklärte Röthlin. Der „Speckpater“ war zeitlebens als „Bettler Gottes“ predigend durch viele Kirchengemeinden gezogen und hatte dabei mit seinem alten, zerschlissenen Hut Millionen gesammelt. „Ich schlug ihm vor, dass er dann mit seinem neuen Kardinalshut gleich unter seinen Kollegen noch mehr Geld sammeln könnte“, erzählte Röthlin. „Das hat ihm gefallen, da hat er gelacht wie selten zuvor!“
Das zweite Podium des Nachmittags beschäftigte sich anschließend mit dem schleppenden Demokratieprozess und der Menschenrechtssituation in Myanmar. Nach Jahrzehnten der Militärdiktatur werde die Lage im Land nur langsam besser, betonten die beiden Podiumsgäste, Erzbischof Bo und Pater Saw. Dennoch sei eine gewisse Lockerung zu beobachten – so zum Beispiel im Umgang mit Devisen. „Früher war es so, dass man sieben Jahre ins Gefängnis geworfen werden konnte, wenn man einen Dollar besaß“, erzählte Pater Saw. Auch die Redefreiheit werde heute umfassender ernst genommen, wie er augenzwinkernd betonte: „Früher waren wir nur vor einer Rede frei, heute sind wir es auch noch hinterher!“ Trotz all dieser Erleichterungen gebe es auch heute noch „Altlasten“ und nicht hinnehmbare Einschränkungen der Menschenrechte im Vielvölkerstaat Myanmar. „Um in hohe Ämter und Machtpositionen zu gelangen, muss man immer noch der Volksgruppe der Birmanen angehören und zusätzlich Buddhist sein“, berichtete Erzbischof Bo. Diese Vorgaben schlössen mindestens 30 Prozent der Bevölkerung von der politischen Macht aus.
Ein weiteres Problem seien nach den Worten Pater Saws die von der Militärdiktatur künstlich geschaffenen Verwaltungsbezirke Myanmars. „Diese wurden ohne Rücksicht auf traditionelle Stammesgrenzen und Volksgruppen gezogen und werden von hochrangigen Militärs geleitet“, berichtete er. „Viele unserer Minderheiten leben in rohstoffreichen Gebieten. Diese Menschen fühlen sich von der Bevölkerungsmehrheit der Birmanen ungenügend am Reichtum ihrer Heimat beteiligt.“ Dieser ethnische Konflikt sei auch der wahre Hintergrund für die jüngsten, im Westen als „religiös begründet“ wahrgenommenen, blutigen Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen in Myanmar. „Die Birmanen sind meist Buddhisten, die Minderheiten meist Muslime, Hindus oder Christen“, erklärte Pater Saw. Allerdings habe die Religion den ethnischen Konflikt zusätzlich religiös aufgeladen, ergänzte Erzbischof Bo. „Sowohl in der muslimischen Minderheit als auch in der buddhistischen Mehrheit gibt es einige Fanatiker. Aber wir religiösen Führer von Buddhisten, Muslimen, Christen und Hindus sitzen bereits gemeinsam am Verhandlungstisch, um dieses Problem zu lösen.“ Abschließend appellierte der Erzbischof an die USA und die Europäische Union, weiterhin ein wachsames Auge auf den Demokratisierungsprozess in Myanmar zu haben. „Wir brauchen die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, um unseren Reformprozess voranzubringe“, sagte Bo.
Die nächste Station der „Glaubenstournee“ von „Kirche in Not“ wird am Samstag, dem 6. Juli, im Kloster Marienrode in Hildesheim stattfinden. Das Schwerpunktthema dort wird die Situation im Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo sein. Zu Gast ist dann unter anderem der südsudanesische Bischof Edward Hiiboro Kussala.
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