Forchheim: Sportleraustausch mit Partnerstadt Le Perreux

Partnerschaft auf Augenhöhe, trotz der Metropolregion Paris – Eine größere Investitionsbereitschaft der Städte wäre ein Gewinn für beide

Gruppenfoto der Volleyballer mit Forchheimer Fahne im Rathaus Le Perreux. Foto: Mathilde Lerolle

Gruppenfoto der Volleyballer mit Forchheimer Fahne im Rathaus Le Perreux. Foto: Mathilde Lerolle

„Ich kauf‘ mir ein Baguette und treff‘ mich mit Jeanette“, so reimte 1985 die Gruppe Bläck Fööss in ihrem musikalischen Hit „Frankreich Frankreich“ die typisch deutschen Klischees auf das Nachbarland. Aus Forchheimer Sicht müßte es etwa so lauten: „Ich fahr nach Lö Berö, denn da ist’s richtig schö“ – und das schon seit 1974.

Diesen Reim wörtlich genommen haben 50 Sportler im Rahmen der Städtepartnerschaft Forchheim – Le Perreux, und begaben sich per Bus in die 12 Millionen Einwohner zählende Metropolregion Paris, zu dem auch die Partnerstadt an der Marne gehört. Da optisch keine Stadtgrenzen zwischen Le Perreux, den anderen Stadtteilen von Paris und dem Pariser Zentrum zu erkennen sind – Flüsse, Kanäle und Bahnüberführungen mal ausgenommen – wirkt es so, als habe die fränkische Kleinstadt eine Partnerschaft mit der französischen Hauptstadt selbst, was ein besonders reizvoller Aspekt dieser Beziehung ist und sich auch im Programm des Sportleraustauschs widerspiegelt: Monumente bieten sich dort so zahlreich an, wie es in Forchheim Fische in Flüssen, Teichen und auf Fahnen gibt.

Peter Kaiser, der seit Kurzem offiziell den zweideutig anmutenden aber eindeutig gemeinten Posten als „Berater in Partnerschaftsangelegenheiten“ der Stadt inne hat, und selbst als Vorstand der Schützen regelmäßig am Austausch teilnimmt, sowie Irene Mattle von der Tourist-Information, haben die Koordination im Vorfeld auf Seiten der alten fränkischen Königsstadt übernommen.

Bevor jedoch Kultur und Sport in den Vordergrund traten, galt es nach zehnstündiger Fahrt bei der abendlichen Ankunft am ehrwürdigen Rathaus von Le Perreux den freudigen Empfang der Gastgeber entgegenzunehmen und – das ist die Besonderheit der Austausche mit Frankreich – sich in eine französische Familie für die Zeit des Aufenthalts aufnehmen zu lassen. Hierbei fanden alte Bekannte wieder freudig zusammen, während die Neuen anfänglich erst einmal eine Zeit der Ungewißheit durchlebten, wohin es einen nun verschlagen würde. Das ist gewollt, denn nur so lernt man auch echtes französisches Leben kennen, nicht nur Monumente.

Der erste Tag stand für die Sportler ganz im Zeichen der Kultur und bot die Einsicht, daß der Verkehr und die Ampelzeiten in Forchheim ein Vergnügen sind im Gegensatz zu zwei Stunden Busfahrt auf der Pariser Stadtautobahn zum ca. 40 KM entfernten Schloß Versailles. Danach fuhr man ins Zentrum von Paris, in den Kreisverkehr um den Triumpfbogen, in den 12 große Pariser Straßen münden, zum Louvre, Notre Dame und zum Eiffelturm. Bei dem extremen Verkehrsaufkommen und einem solch großen Gefährt hätte auch keiner der Teilnehmer mit ihm tauschen wollen: Busunternehmer Dieter Kraus bekam nicht nur an diesem Tag die Rückmeldung der Sportgruppen-Organisatoren, daß man froh sei, ihn mit seiner Frankreich-Erfahrung am Steuer zu haben, ein absolut zuverläßlicher Partner, was ein entscheidender Faktor zum Gelingen solcher Fahrten ist. Am Abend wurde abschließend je nach Sportartzugehörigkeit im jeweiligen Vereinsheim gefeiert.

Der zweite und letzte ganze Tag in Le Perreux / Paris begann mit den sportlichen Wettkämpfen: Schießen, Judo, Schwimmen, Volleyball. Jede Sportart hatte ihren eigenen Austragungsort, und manche Wettkämpfe, wie die der Schützen aus Buckenhofen oder der Judo-Abteilung des VfB Forchheim, die eine langjährige aktive Freundschaft mit dem jeweiligen französischen Partnerverein hegen, trugen schon sämtliche vorteilhaften Züge eines Derbys. Ein großer Teil der Forchheimer waren Jugendliche, besonders die Schwimmer des SSV unter Leitung von Ulrike Haas und die Judokas unter Martina Kröner hatten reichlich Nachwuchs am Start. Im Schwimmen ging der Sieg an Forchheim, im Judo an Le Perreux. Die Schützen berichteten, daß überhaupt zum ersten Mal die Franzosen den Wettbewerb gewannen – angeblich spielte das absichtlich überreichlich nur an die Deutschen verteilte Zielwasser einen Hauptgrund dafür – sicherlich nur ein Gerücht. Die Volleyballer um Bernd Dötzer waren ein Team aus Erfahrenen und Anfängern, was den Ausgang zugunsten der Gastgeber begünstigte, aber den französischen Chef der Gruppe nicht davon abhielt, den Sieg den Gästen zuzusprechen, weil diese beim letzten Austausch in Forchheim den Franzosen einen gelungenen Aufenthalt geboten hätten. Das nennt man wohl Freudentaumel im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft.

Der Nachmittag geriet für alle zum Erlebnis, denn es konnte jeder Sportarten im Gruppenwettkampf austesten, die in Le Perreux intensiv im Verein betrieben, aber in Forchheim weniger oder gar nicht praktiziert werden: Kanufahren und Rudern im Achter mit Steuermann auf der Marne, sowie echtes Sportfechten mit Schutzkleidung, Degen und elektronischer Trefferanzeige.

Der Abend wurde feierlich mit Siegerehrung, partnerschaftlichen Reden und Steh-Bankett im Rathaussaal begangen. Mit Gilles Carrez, dem 64-jährigen Oberbürgermeister von Le Perreux, hat die französische Seite nicht nur einen hochkarätigen Politiker, der höchstpersönlich von Staatspräsident François Hollande zum Präsidenten der „Kommission für die Finanzen, für die allgemeine Wirtschaft und für die Haushaltkontrolle“ in der Nationalversammlung Frankreichs ernannt wurde, sondern auch einen Mann, der die Partnerschaft mit Forchheim an diesem Abend vorlebt. Stolz erklärte er in einer Pause dem Enkelkind auf seinem Arm die gelb-rote Fahne der oberfränkischen Stadt mit den zwei Fischen und begann damit symbolisch, wieder eine neue Generation mit ins gemeinsame deutsch-französische Boot zu holen: Nächstes Jahr begeht die Partnerschaft zwischen Forchheim und Le Perreux ihren 40. Geburtstag, was mit entsprechenden Feiern gewürdigt werden wird.

Peter Kaiser verkündete im Namen von Oberbürgermeister Franz Stumpf, daß hierzu auch ein Platz in Forchheim zu Ehren der Stadt Le Perreux benannt werden soll, was große Freude und Anerkennung bei den anwesenden Franzosen und Deutschen in Form von zweisprachigem Jubel auslöste. Danach blieb nicht viel Schampus übrig und in den unzähligen Bistros und Discos der Region fand jeder den Ausklang nach seiner Façon, bevor es am nächsten Morgen zurück in die oberfränkische Heimat ging.

Auch wenn der Sportleraustausch mit Le Perreux auf fruchtbaren Boden fällt – der Bus war bis auf den letzten Platz belegt, es mußte sogar Sportlern aufgrund dessen die Teilnahme abgesagt werden -, zeigen sich zwei Mankos: Um feste Bindungen zwischen Bürgern beider Städte zu entwickeln, was eines der Hauptziele des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages ist, ist der Aufenthalt von effektiv nur zwei ganzen Tagen in der Partnerstadt zu kurz. Dazu kommt, daß nur alle zwei Jahre eine Begegnung stattfindet, was die jungen und feinen Bande, die während eines Besuchs geknüpft werden, nicht im Wachstum fördert. Da könnte man vom Sportleraustausch des Landkreises Forchheim mit Biscarrosse lernen, bei dem jährlich eine Begegnung stattfindet, obwohl die Distanz beider Kommunen mit nicht ganz 1.500 KM das Doppelte beträgt und somit aufwändiger ist.

Zugute muß gehalten werden, daß den Teilnehmern der Fahrt nach Le Perreux bisher keine Kosten entstehen, das deckt die Stadt ab, dafür kommen die Gastfamilien in beiden Ländern für die Unterbringung und Versorgung ihrer ausländischen Gäste voll auf, was wiederum die Städte entlastet. Um aber eine funktionierende Städtepartnerstadt wirklich zu fördern und intensiv zu pflegen, sollten beide Kommunen eine größere Bereitschaft mitbringen, dies finanziell und organisatorisch zu unterstützen. Stadtrat Peter Kaiser meint dazu, daß der Mehraufwand für eine wirklich funktionierende und florierende Partnerschaft für die Einwohner einer Stadt wie Forchheim positive Effekte erzielen würde – Freundschaft, Tourismus, Verknüpfung zwischen den Kulturen Europas, sowie Zusatznutzen für Vereine, Schulen und Bürger seien da nur einige Stichworte. Gemessen am Jahresbudget der Städte wäre das ein relativ geringer finanzieller Posten, der weit mehr Gewinn als Kosten nach sich ziehen würde, wenn Forchheim und die Partnerstädte bereit wären, mehr zu investieren.

Le Perreux ist ein perfekter Partner für Forchheim, aufgrund seiner eigenen, doch so anderen Atmosphäre, aber auch wegen der Metropole Paris, weil die Entfernung von ca. 760 KM zwischen beiden Städten nicht zu groß ist, und es über alle Verkehrsmittel hinweg größtmögliche Vielfalt an Reisemöglichkeiten gibt.
Somit können Freundschaften, die sich über Städtepartnerschaften entwickelt haben, auch privat relativ günstig und mit wenig organisatorischen Aufwand fortgeführt werden, was der letztendlich erwünschte Effekt wäre: Daß Städtepartnerschaften der Bevölkerung den Einstieg ermöglichen und diese dann auch privat die Partnerschaft weiterführt. Doch dazu bedarf es an Investitionsbereitschaft von Seiten der Städte und dem Willen ihrer politischen Vertreter.

Als vor zwei Jahren die Volleyballer aus Le Perreux bei schönstem Wetter in Forchheim waren, konnte man ihre Begeisterung kaum bremsen, bezüglich der zahlreichen Beachvolleyball-Felder, Freibäder und Sportanlagen in Stadt und Landkreis: „Ihr habt hier so viel Platz und Möglichkeiten, bei uns in Paris gibt es das nicht, da ist alles so eng und begrenzt. Traumhaft ist es bei euch!“ So ist die Partnerschaft zwischen Le Perreux und Forchheim kein Ungleichgewicht, das von der Metropole Paris bestimmt wird, sondern eine, die wie die Faust auf’s Auge paßt: sie verbindet die einstigen Erbfeinde und gleicht Fehlendes auf beiden Seiten aus.

Bericht:  Bernd Dötzer