Gedanken zum 1. Mai
Der römisch-katholische Erzbischof Don Helder Camara erzählt uns etwa folgende Geschichte: Zwei Kutscher blieben auf einer schlammigen Straße im Dreck stecken. Beide sprangen vom Kutschbock hinunter. Der eine kniete nieder und betete lang und innig. Der andere spuckte in die Hände, schob und zog unter Schreien und Fluchen den Wagen, spornte die Tiere an, legte Holz unter die Räder. Schließlich stieg ein Engel vom Himmel herab, um zu helfen, aber nicht dem frommen Beter, sondern dem anderen. Natürlich werden wir daraus nicht den Schluss ziehen,es sei richtig, zu schimpfen und es liege nichts Schlimmes darin, zu fluchen. Aber derjenige, der Gott die Verantwortung für alles auflädt und selbst nur betet und Gelübde ablegt, ohne Anstrengungen zu unternehmen, der hat das Christentum nicht verstanden.“
Zum christlichen Glauben gehört also untrennbar auch der Einsatz für eine friedlichere, sozialere Gesellschaft, der konkrete Einsatz für den Mitmenschen, der gerade unsere ganz persönliche Hilfe braucht. Das kann der kranke Nachbar sein, ein älteres ehepaar, das nicht mehr alleine einkaufen kann, die Frau, die ihre Kinder alleine großziehen muß und sich über einen Babysitter freuen würde oder der Kollege, der von den anderen gemobbt wird. Das ist unsere christliche „Arbeit“. Wenn die Gewerkschaften am 1. Mai den „Tag der Arbeit“ begehen, dann fordern sie zu Recht Vollbeschäftigung, bessere Arbeitsbedingungen, angemessene Löhne, während heute immer mehr die amoralischen Gesetze des Marktes, des schnellen Gewinns die Gesetze der Mitmenschlichkeit, der sozialen verantwortung aushebeln.
„Arbeit“ im christlichen Sinn ist aber viel mehr als Berufsarbeit, Bildung mehr als Ausbildung. Der Mensch ist keine Maschine, er ist nicht zum blinden Gehorsam abgerichtet wie ein Hund. Zur christlich verstandenen „Arbeit“ gehört auch die heute so sträflich gering geschätzte Tätigkeit im Haushalt. Ein gutes Familienleben, die gründliche Erziehung der Heranwachsenden zu „anständigen“ Menschen ist mit noch so viel Geld nicht aufzuwiegen. Die verheerenden Folgen dieser Fehlentwicklung müssen dann Psychiater und Polizisten ausbaden. Zum christlichen Arbeitsverständnis gehört auch das Engagement in den Vereinen und Verbänden, wovon jede kommunale Gemeinschaft lebt. Eben dieses ehrenamtliche Engagement sagt über den Charakter eines Menschen mehr aus als Schulnoten.
Ich wünsche mir ein breites, ehrliches, diskussionsfreudiges Bündnis von kirchlichen Gruppen und Arbeitnehmervertretungen, das freilich den Wirtschaftsfunktionären keine dogmatischen Phrasen um die Ohren haut, sondern nach vernünftigen, fairen Lösungen sucht. Daneben brauchen wir eine Politik, die ihre vollmundig ausposaunte Familienfreundlichkeit auch im Alltag unter Beweis stellt.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
- nicht verheiratet
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