Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis für Pfarrer Christian Führer

Stadt Bayreuth ehrt den ehemaligen Gemeindepfarrer der Leipziger Nikolaikirche und Begründer der Friedensgebete

Die Stadt Bayreuth ehrt den evangelischen Geistlichen und Begründer der Leipziger Friedensgebete Christian Führer mit dem „Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis für Toleranz und Humanität in kultureller Vielfalt“. Einen entsprechenden Beschluss hat der Stadtrat in seiner März-Sitzung gefasst. Die Verleihung der Auszeichnung ist für das Frühjahr 2014 geplant.

Die Stadt verleiht Christian Führer den mit 10.000 Euro dotierten Preis aufgrund seines nachhaltigen politischen Wirkens in den Jahren vor und während der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR, die letztlich zum Fall der Mauer und zur deutschen Wiedervereinigung führte.

Die Preisverleihung wird im Rahmen des Bayreuther Zukunftsforums stattfinden, das im Frühjahr 2014 zum fünften Mal von Universität und Stadt Bayreuth durchgeführt wird. Das „Zukunftsforum: Wissenschaft – Kultur – Gesellschaft“ wurde 2008 gegründet, um zukunftsträchtige Themen im Gespräch zwischen der akademischen Wissenschaft und Partnern aus Kultur, Technik, Wirtschaft und Politik zu reflektieren.

Christian Führer wurde 1943 in Leipzig geboren. Er war von 1980 bis 2008 evangelischer Gemeindepfarrer der Nikolaikirche in Leipzig. Seit 2008 befindet er sich im Ruhestand. Im Rahmen der Friedensdekade, die 1980 als gemeinsame Protestaktion der Evangelischen Jugendpfarrämter in Ost und West entstand, organisierte Christian Führer Veranstaltungen, die die seit dem 20. September 1982 stattfindenden Friedensgebete in der Nikolaikirche begründeten. Diese regelmäßigen Treffen wandten sich gegen das Wettrüsten in Ost und West. Pfarrer Führer arbeitete hierbei eng mit oppositionellen Basisgruppen zusammen. 1987 organisierte er unter anderem einen Gesprächskreis „Hoffnung für Ausreisewillige“.

Montagsdemonstrationen

Die Montagsdemonstrationen, die erstmals am 4. September 1989 stattfanden, schlossen sich in Leipzig den Friedensgebeten in der Nikolaikirche an. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ protestierten Woche für Woche Hunderttausende Bürger in der ganzen DDR gegen die politischen Verhältnisse. Am 9. Oktober 1989 drohte die Situation zu eskalieren, als ein großes Aufgebot von Angehörigen der Nationalen Volksarmee, von Polizei und Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit in Zivil aufmarschierte. Ab Mittag wurde in der Kirche ein Appell zur Gewaltlosigkeit verlesen. Kurz vor Schluss des Friedensgebetes wurde der Aufruf der Leipziger Sechs (Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, Kabarettist Bernd-Lutz Lange, Theologe Peter Zimmermann und drei Sekretäre der SED-Bezirksleitung) verlesen, der ebenfalls zur Gewaltlosigkeit aufrief. Tatsächlich verlief die folgende Demonstration mit über 70.000 Teilnehmern ohne jede Gewaltanwendung. Die friedlichen Montagsdemonstrationen waren ein bedeutender Bestandteil der friedlichen Revolution in der DDR, die letztlich zum Fall der Mauer führte.

Nach der deutschen Wiedervereinigung setzte sich Christian Führer besonders für Arbeitslose ein. Er gründete die Kirchliche Erwerbsloseninitiative Leipzig und die Koordinierungsgruppe der Kirchlichen Erwerbsloseninitiativen Sachsen. Auch bei den in Leipzig immer wieder stattfindenden Aufmärschen von Rechtsextremisten zählt er zu den Initiatoren von friedlichen Gegendemonstrationen.

Christian Führer wurde unter anderem 1991 mit der Theodor-Heuss-Medaille, 2002 mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit, 2005 mit dem Augsburger Friedenspreis und 2008 mit der Hans-Böckler-Medaille, der höchsten Auszeichnung des Deutschen Gewerkschafts-Bundes, ausgezeichnet.

Der Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis der Stadt Bayreuth

Christian Führer ist nach dem nigerianischen Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka (2008), dem Dirigenten Daniel Barenboim (2009), Prinz Hassan von Jordanien (2010), der senegalesischen Frauenrechtlerin Madjiguène Cissé (2011) und dem ehemaligen Bundes-Umweltminister Professor Dr. Klaus Töpfer (2012) der sechste Preisträger des Wilhelmine-von-Bayreuth-Preises. Die Auszeichnung wird an Personen oder Gruppen verliehen, die sich auf kulturellem, sozialem, politischem oder wissenschaftlichem Gebiet international um die kritische Reflexion gemeinsamer Wertvorstellungen und die interkulturelle Verständigung verdient gemacht haben und soll helfen, derartige Initiativen überregional bekannt zu machen.

Der Preis ist nach der Bayreuther Markgräfin Wilhelmine (1709 – 1758) benannt. Die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen bescherte Bayreuth ein Ensemble von Gebäuden und Parks, das europaweit einzigartig ist und aus dem das 2012 zum UNESCO-Welterbe gekürte Markgräfliche Opernhaus besonders hervorsticht. 1731 wurde Wilhelmine mit dem Erbprinzen Friedrich von Bayreuth verheiratet. Die Markgräfin widmete sich intensiv der Kunst und schuf sich einen Musenhof, der europaweit ausstrahlte und die bedeutendsten Kunstschaffenden ihrer Zeit in Bayreuth versammelte. Wilhelmine starb am 14. Oktober 1758 im Neuen Schloss in Bayreuth und wurde in der Schlosskirche beigesetzt.