Leserbrief: "Radverkehr an Baustellen in Bamberg"
Sehr geehrte Damen und Herren!
„Bei uns werden Radfahrer/innen an Baustellen bequem und sicher vorbeigeführt“, hatte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) anläßlich des bundesweiten Fahrradklimatests 2012 gefragt. Die Note, welche die Stadt Bamberg zu diesem Thema erhalten hat, spricht Bände: 4,74 = mangelhaft, eine 5+ mit Tendenz nach unten!
Aus Fehlern lernt man, heißt es, Erfahrung macht klug. Vorausschauend (?) hatte der Stadtrat bereits im Mai 2012 festgelegt (Radverkehrsstrategie Bamberg):
„Bei allen Maßnahmen im öffentlichen Straßenraum soll der Radverkehr sachgemäß berücksichtigt werden: …, an Baustellen …
Der Radverkehr ist als System zu verstehen, neben einem gut ausgebauten Radverkehrsnetz zählen weitere Bausteine zur Radverkehrsförderung: ein die Belange des Radverkehrs berücksichtigendes Baustellenmanagement, … . Fahrradfreundliche Baustellenlösungen sind eine wichtige Maßnahme für die Sicherheit des Radverkehrs.“
Wie „fahrradfreundliche Baustellenlösungen“ nach Meinung Bamberger Verkehrsbehörden auszusehen haben, illustrieren die Zufahrt zur Gaustadter Sebastianikapelle und die Verkehrsschildplazierung an der Siechenstraße (Foto):
Nachdem endlich die über mehrere Jahre ignorierte Gefahrenstelle (Einlaufschacht mit bis zu 10 cm hohen Kanten und in Fahrtrichtung verlaufenden Schlitzen in Fahrradreifenbreite) angegangen worden ist, stellte sich die Baustelle seit Beginn der Karwoche so dar: Die abschließende Deckschicht fehlte noch. Bis zu 3 cm hohe, scharfe Asphaltkanten sowie der inmitten des Baufeldes hervorstehende neue Schachtdeckel bildeten gefährliche, bei Dunkelheit kaum zu erkennende Unebenheiten. Neben dem Radverkehr waren insbesondere auch Personen, die sich mit Unterstützung von Rollatoren fortbewegen, gefährdet – vom Risiko zu stolpern ganz abgesehen. Bamberg barrierefrei? Die zur Seite geräumte Baustellenabsperrung war schnell abtransportiert. Bei Fertigstellung kurz vor den Feiertagen dann einen zur Fahrbahn bündigen Abschluß des Schachtdeckels herzustellen, hat die Verantwortlichen wie üblich hoffnungslos überfordert.
„Radfahrer sind stoß- und sturzempfindlich. Schlecht befahrbare Bordabsenkungen, Unebenheiten, Kanten, Rinnen oder unerwartete Hindernisse im Verkehrsraum … führen oft zu folgenschweren Alleinunfällen. Sorgfalt beim Bau … in Verbindung mit einer fachkundigen Bauüberwachung ist deshalb unerläßlich“, formulierten die ERA schon in der Fassung von 1995. Ausdrücklich wird in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung, einer bindenden Rechtsnorm, „auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in der jeweils gültigen Fassung hingewiesen“. Niemand bestreitet wohl ernsthaft, daß allgemeine Verkehrsflächen, welche mit dem Fahrrad genutzt werden, denselben Sicherheitsaspekten unterliegen wie besondere Radverkehrsanlagen.
Auf dem Abstandsstreifen zwischen Fahrbahn und Radweg der Siechenstraße wäre genügend Raum. Das baustellenbedingt aufgestellte Halteverbotsschild wird indes auf dem ohnehin äußerst schmalen Radweg (Regelbreite wäre 2,0 m) plaziert. In gleicher Höhe gefährdet noch das nicht ordentlich befestigte Baunetz. Im Hintergrund engen Signalmast und Verkehrsschild ohne Notwendigkeit die lichte Weite des Radwegs auf weniger als das soeben noch zulässige Mindestmaß von 1,50 m ein – lange moniert und seitens Stadtverwaltung ignoriert.
„An Engstellen, … (… auch Baustellen), muß die Querschnittsbemessung dem Schutz der Fußgänger und Radfahrer Rechnung tragen“, hieß es bereits in den inzwischen (2010) weiter verbesserten ERA (1995) – Grundwissen jeder Verkehrsbehörde. „Sichere Führung … bei Baustellen“ gibt auch das Radverkehrshandbuch Radlland Bayern (Mai 2011) der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vor: „Folgende Mindestbreiten sollten für Radverkehrsanlagen auch im Baustellenbereich vorhanden sein: Radweg = 1,00 m … Die in der RSA angegebene Radwegmindestbreite von 80 cm berücksichtigt nicht die für Radfahrer mit Anhänger und dreirädrige Fahrräder benötigte Breite“ (RSA: Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen). Hier war übrigens der Stadtrat nicht auf Höhe der Zeit. Denn in der Radverkehrsstrategie bezieht er sich auf die vom Ministerium zumindest als teilweise überholt eingestuften Richtlinien.
„Oft ist es die Summe vieler Behinderungen und Unannehmlichkeiten, die die Aufmerksamkeit der Radfahrer zu stark in Anspruch nimmt (z.B. Mängel an der Oberflächenbeschaffenheit). Darunter leidet die Konzentration auf den Straßenverkehr“, begründet das Ministerium seine Vorgaben im Radverkehrshandbuch. Eine ähnliche Einlassung war, leider ohne faktische Folgen, auch schon einmal seitens des Bamberger Oberbürgermeisters zu vernehmen. Vielleicht sollte er seine dienstaufsichtsrechtlichen Pflichten wahrnehmen und die städtischen Verkehrsbehörden anhalten, ihren Aufgaben nachzukommen:
„Für Baustellen, die den öffentlichen Verkehrsraum beeinflussen, muss der Unternehmer … von der … zuständigen Behörde eine verkehrsrechtliche Anordnung einholen. Die verkehrsrechtliche Anordnung erteilt die Straßenverkehrsbehörde. Der Bauunternehmer hat für den Baustellenbereich die Verkehrssicherungspflicht, solange er die Bauarbeiten ausführt … . Die Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörde sowie die Polizei sind gehalten, die Umsetzung vor Ort, gegebenenfalls auch wiederholt, zu prüfen“ (Radverkehrshandbuch).
Sollte die Stadt Bamberg den Wunsch hegen, den nächsten Fahrradklimatest mit einem besseren Resultat abzuschließen, wäre es an der Zeit, dies durch entsprechendes Handeln anzustreben.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
Martin-Ott-Straße 8
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