Universität Bayreuth: Neue Erklärung für Oxidationsprozesse im Erdmantel
Geowissenschaftler am Bayerischen Geoinstitut, einem Forschungszentrum der Universität Bayreuth, zeigen die Unvermischbarkeit von Wasser und Wasserstoff in Fluiden des Erdmantels – und rehabilitieren zugleich eine alte Erklärung für die Entstehung des Lebens.
Schon seit längerer Zeit vermuten Geowissenschaftler, dass es in der frühen Erdgeschichte einen umfassenden Oxidationsprozess im Erdmantel gegeben haben muss. Im Wissenschaftsmagazin „Nature“ präsentieren Forscher des Bayerischen Geoinstituts (BGI) dafür eine überraschende Erklärung: Entgegen bisherigen thermodynamischen Modellen haben sie nachgewiesen, dass Wasser und Wasserstoff in Fluiden des Erdmantels getrennt vorkommen können. Sie führen die Oxidation des Erdmantels darauf zurück, dass unmittelbar nach der Entstehung des Erdkerns riesige Mengen von fast reinem Wasserstoff freigesetzt wurden. Die Forschungsergebnisse sind für die Frage nach der Entstehung des Lebens von erheblicher Tragweite.
Ungewöhnliche Simulationsexperimente bei hohen Drücken
Der obere Erdmantel ist derjenige Teil des Erdmantels, der direkt unterhalb der Erdkruste in einer Tiefe von rund 40 km beginnt und bis etwa 410 km reicht. In den Laboratorien des BGI haben Dr. Enikö Bali, Prof. Dr. Hans Keppler und Dr. Andreas Audétat die von hohen Drücken und Temperaturen bestimmten Verhältnisse in rund 100 km Tiefe unter der Erdoberfläche simuliert. Sie wollten überprüfen, inwieweit Wasserstoff und Wasser sich innerhalb von Fluiden des oberen Erdmantels vermischen. Dabei haben sie einen Kristall aus Quarz oder Olivin in einer mit Wasser gefüllten Platinkapsel eingeschlossen. Die Platinkapsel wurde dann ihrerseits in eine Eisenkapsel gesteckt, die Zwischenräume zwischen beiden Kapseln wurden mit einer Mischung aus Wasser (H2O) und Eisenoxid (FeO) gefüllt. Dieser Kapselaufbau produziert Oxidationsverhältnisse, wie sie während der Entstehung des Erdkerns geherrscht haben müssen.
Bei Temperaturen von 800 bis 1.000 Grad Celsius und Drücken von 15.000 bis 20.000 bar trennt sich das Wasser im Innern der Platinkapsel auf in fast reinen Wasserstoff und fast reines Wasser. Diese beiden Komponenten dringen entlang von Rissen in den Kristall ein, hier werden sie in Form kleiner Tröpfchen eingeschlossen.
Eine Widerlegung gängiger thermodynamischer Modelle
Nachdem der Olivinkristall abgekühlt und getrocknet war, ließen sich mithilfe mikroskopischer Verfahren zwei Arten von Einschlüssen klar unterscheiden: Die einen bestanden zu mehr als 95 Mol-Prozent aus Wasser, die anderen zu mehr als 95 Mol-Prozent aus Wasserstoff (der Anteil einer Substanz an einem Stoffgemisch wird in Mol-Prozent angegeben).
Zu dem gleichen Resultat führten Experimente, in denen anstelle des Olivinkristalls ein Quarz verwendet wurde. „Diese Ergebnisse haben uns überrascht“, erklärt Dr. Andreas Audétat vom Bayerischen Geoinstitut. „Denn sie widerlegen anerkannte thermodynamische Modelle, wonach unter den Hochdruck- und Hochtemperaturverhältnissen im Erdmantel eine vollständige Vermischung von Wasser und Wasserstoff stattfindet.“
Eine neuer Ansatz für die Rekonstruktion der Erdgeschichte
Der Nachweis, dass Wasserstoff und Wasser in den Fluiden des oberen Erdmantels separat auftreten können, ermöglicht eine neue Sicht auf den Verlauf der Erdgeschichte. Vor mehr als vier Milliarden Jahren war der meiste auf der Erde vorkommende Kohlenstoff im Erdkern und in der Atmosphäre enthalten, während der aus Silikaten bestehende obere Erdmantel vergleichsweise kohlenstoffarm war. Die darin enthaltenen Fluide enthielten hauptsächlich Wasser. Heute dagegen ist Kohlendioxid ein hauptsächlicher Bestandteil dieser Fluide. Dieser Wandel muss durch einen umfassenden Oxidationsprozess im oberen Erdmantel verursacht worden sein.
Neue Untersuchungen an rund 4 Milliarden Jahren alten Mineralproben lassen vermuten, dass diese Oxidation bereits sehr früh in der Erdgeschichte stattgefunden hat. Die jetzt in „Nature“ veröffentlichten Forschungsergebnisse stützen diese Annahme und ermöglichen zugleich eine Erklärung. „Die heutige geochemische Struktur des Erdmantels erscheint sehr plausibel, wenn man annimmt, dass aus dem im Erdmantel enthaltenen Wasser große Mengen an Wasserstoff entstanden sind“, erklärt Prof. Dr. Hans Keppler. „Der Wasserstoff hat sich vom Wasser getrennt und ist wegen seiner geringen Dichte schnell bis in die Atmosphäre aufgestiegen. Dabei hat er die Oxidation des Erdmantels verursacht, indem er ihm Wasserstoff entzogen hat.“
Wie ist Leben auf der Erde entstanden? Eine Rehabilitierung des Miller-Urey-Experiments
Damit Leben auf der Erde entstehen konnte, mussten sich zunächst einmal komplexe organische Moleküle bilden können. Bereits in den 1950er Jahren haben die U.S.-amerikanischen Forscher Stanley Miller und Harold Clayton Urey in einem nach ihnen benannten Experiment gezeigt, wie dies möglich war, genauer gesagt: wie Aminosäuren und andere Bestandteile des Lebens auf anorganischem Weg entstehen konnten. Die von ihnen entwickelte Erklärung setzt allerdings voraus, dass es in der Erdatmosphäre einen gleichmäßig hohen Anteil an Wasserstoff gab. Dies aber wurde in der Forschung zunehmend angezweifelt, weil Wasserstoff wegen seiner geringen Masse leicht in den Weltraum entweicht.
Die jetzt in „Nature“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen nun, wie der entwichene Wasserstoff kompensiert werden konnte: nämlich durch riesige Mengen an Wasserstoff, die aus dem Erdmantel an die Erdoberfläche gelangt sind. „Auf diese Weise war gewährleistet, dass die Atmosphäre einen stabil hohen Anteil an Wasserstoff enthielt. Die von Miller und Urey entwickelte Erklärung für die Entstehung des Lebens ist daher keineswegs obsolet“, erklärt Prof. Keppler.
Veröffentlichung:
Enikö Bali, Andreas Audétat and Hans Keppler,
Water and hydrogen are immiscible in Earth’s mantle,
in: Nature 495, 220–222 (14 March 2013)
DOI: 10.1038/nature11908
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Hans Keppler
Bayerisches Geoinstitut
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55 3744/3752/3754
E-Mail: Hans.Keppler@uni-bayreuth.de
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