Leserbrief: Schärfere Strafen für Mißachtung rechtswidriger Anordnungen
Sehr geehrte Damen und Herren!
„Radler müssen bald höhere Bußgelder fürchten: … falsches Einbiegen in Einbahnstraßen … nicht auf dem Radweg … Autofahrer auf Radwegen parken …“
Fränkischer Tag, 31. Januar 2013
Benutzungspflichtige Radwege „dürfen … nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko … erheblich übersteigt“ (Straßenverkehrs-Ordnung) und (!) „wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung) und (!) „die Benutzung des Radweges nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist“ (ebd.) und (!) „er unter Berücksichtigung der gewünschten Verkehrsbedürfnisse ausreichend breit, befestigt und einschließlich eines Sicherheitsraums frei von Hindernissen beschaffen ist“ (ebd.). Technische Richtlinien (anzustrebende Werte) und verbindliche Rechtsvorgaben (zwingende Mindestanforderungen) geben die erforderliche Dimensionierung vor. Beachtet werden sie hingegen in vielen Fällen nicht.
„… in die Radwegenovelle“ (Aufhebung der generellen Radwegbenutzungspflicht und strenge Bedingungen für ihre Anordnung im Einzelfall im Jahre 1997) sind „neben Sicherheits- auch Zumutbarkeitserwägungen eingeflossen“ (Verwaltungsgericht Hannover, 23. Juli 2003). „… den baulichen Anforderungen an einen Radweg und die … Radwegebenutzungspflicht“ wird „erhebliche Bedeutung beigemessen“(ebd.).
Selbst ein hohes Verkehrsaufkommen – hier: ca. 23000 Kfz pro Tag, Straßenbahnen und Linienbusse – gestattet der Verkehrsbehörde nicht, Benutzungspflicht auf mangelhaften Wegen zu verfügen: „Die … vorhandene besondere Gefahrenlage stellt sich als eine Situation dar, in der die Beklagte zur Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht … berechtigt wäre, wenn sie in der Lage wäre, die Radfahrer auf einen sicheren Radweg zu verweisen“ (Verwaltungsgericht Dresden, 25. August 2010).
„Mit der sogenannten Radfahrernovelle … wurden Sicherheits- und Qualitätskriterien eingeführt, die bestimmen, ab wann die Straßenverkehrsbehörden die Benutzungspflicht eines Radweges anordnen dürfen. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass eine bestehende Benutzungspflicht bis zum 3. Oktober 1998 anhand der Qualitäts- und Sicherheitskriterien überprüft werden muss. Das ist in den meisten Fällen nicht geschehen.
…
Als Grundprinzip gilt die Benutzung der Fahrbahn. …
Die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht darf also nur zur Wahrung oder Erhöhung der Verkehrssicherheit erfolgen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. November 2010) und nicht, damit zum Beispiel Autos schneller fahren können. Bisher gibt es keine Nachweise, dass die Unfallgefahr auf Radwegen geringer ist als auf Fahrbahnen. Stattdessen gibt es sehr wohl Untersuchungen, die ein erhöhtes Unfallrisiko im Zusammenhang mit der Existenz von Radwegen aufzeigen. … Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2010 darf die Benutzungspflicht nur ausnahmsweise angeordnet werden.“
Wikipedia: „Radverkehrsanlage“, 20. April 2012
„Seinem eindeutigen Wortlaut zufolge gilt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auch für straßenverkehrsrechtliche Anordnungen, durch die eine Radwegebenutzungspflicht geschaffen wird. Die Heranziehung dieser Norm als Prüfungsmaßstab führt u. U. allerdings dazu, dass derartige straßenverkehrsbehördliche Entscheidungen in nicht geringer Zahl von Rechts wegen keinen Bestand haben könnten.“
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 11. August 2009
Die „Regelungen zielen darauf ab, die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer zu stärken, … durch strengere Anforderungen an den Einsatz von Verkehrszeichen … und … durch eine Begrenzung der Benutzungspflicht von Radwegen“.
Bundesverwaltungsgericht, 18. November 2010, als Revisionsinstanz in vorstehender Angelegenheit
„Allein die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Trennung der Verkehrsarten ist … kein geeigneter Gesichtspunkt, um eine Radwegebenutzungspflicht auf unzureichend ausgebauten Wegen zu rechtfertigen.“
Verwaltungsgericht Hannover, 23. Juli 2003
„Die Anlage von Radwegen beruht auf dem Erfordernis der Entmischung des Verkehrs und damit der Unfallverhütung; dies nicht nur zu Gunsten der Radfahrer. Denn Radfahrer gefährden im Straßenverkehr keineswegs nur sich selbst, sondern können sehr wohl auch für andere Verkehrsteilnehmer ein Problem darstellen, z. B. durch unerwartete Reaktionen und unsicheres Fahrverhalten. Von daher ist die Entscheidung …, die Radwegebenutzungspflicht anzuordnen …, nicht zu beanstanden.“
Landratsamt Bamberg, 19. Januar 2012, als Aufsichtsbehörde
zu einem neu gebauten Radweg von 86 bis 90 cm Breite (Regelmaß: 2,00 m) mit seitlichen Sicherheitsräumen von rechts 0 cm, links im Minimum 8 cm (Regelmaß: je 25 cm), Kurvenradien, die teilweise 2 m deutlich unterschreiten (Regelmaß: 10 m, nach Expertenmeinung ausnahmsweise vertretbares Minimum: 6 m), in Einmündungen errichteten Mittelinseln mit angeordneter Wartepflicht, die deutlich schmaler als die Länge eines Fahrrad-Hängergespanns, Liegerads oder Tandems sind, sowie weiteren Mängeln.
„Aus Studien der letzten Jahrzehnte zu den zahlreichen Einbahnstraßen-Freigaben ist bekannt, dass die Freigabe die Verkehrssicherheit erhöht, die Einbahnstraßenregelung die Verkehrssicherheit hingegen vermindert. Es wird den Straßenverkehrsbehörden daher schwer fallen, im Einzelfall eine erhöhte Gefährdung gerade durch die Freigabe in Gegenrichtung zu belegen. Sie wäre aber Voraussetzung für die Verkehrsbeschränkung“ (Ulf Dietze, Dr. Dietmar Kettler, 13. November 2011), wie sich unschwer in der StVO nachlesen läßt. Dennoch behandeln viele Verkehrsbehörden die Einbahnstraßenfreigabe für den Radverkehr wie einen hoheitlichen Gnadenakt und verweigern sie nicht selten aus rechtlich unhaltbaren Erwägungen.
„… ist der entgegen der Einbahnrichtung verlaufende Radweg … nacheinander durch drei Kraftfahrzeuge blockiert … notiert ein Mitarbeiter der Parküberwachung fleißig auf dem Parkstreifen abgestellte Kraftfahrzeuge und lichtet sie ab. Auf die verkehrsgefährdende Situation wenige Meter weiter angesprochen, fährt er seelenruhig fort und schlägt dabei die entgegengesetzte Richtung ein“, hatte ich mich vor knapp einem Jahr bei der Stadt Bamberg beschwert. Notgedrungen mußten die Radler/innen über die gegenläufige (!) Einrichtungsfahrbahn ausweichen. „… schildern Sie eine Situation in der ein Postwagen sowie ein weiterer Lieferwagen berteiligt sind. Diese hatten möglicherweise einen Parksonderausweis. Möglicherweise geschah die Situation auch während der regulären Lieferzeiten …“ lautete die Antwort der Stadtverwaltung.
elektronischer Bürgerdialog der Stadt Bamberg, 24. Februar 2012
Was folgt aus alledem:
Ein großer Teil der angeordneten Benutzungspflichten auf Radwegen ist mindestens fragwürdig, oft rechtswidrig. Trotz unmißverständlicher höchstinstanzlicher Rechtsprechung handeln Verkehrsbehörden augenscheinlich nicht nach Recht und Gesetz und werden von Aufsichtsbehörden, welche dies beanstanden müßten, noch unterstützt.
Den Rechtsweg gegen diese Praxis einzuschlagen, wäre für nahezu jede einzelne Anordnung gesondert notwendig und erforderte u. U. Jahre. Der Rechtsstat führt sich selbst ad absurdum.
Nicht anders ist die Frage des gegenläufigen Radverkehrs in Einbahnstraßen zu beurteilen.
Und jetzt beabsichtigt die Bundesregierung, angeblich auf Wunsch der Länder, die Erhöhung der Bußgelder für Verstöße gegen rechtswidrige Anordnungen.
Die gleichfalls erwähnte Erhöhung der Bußgelder gegen den Radverkehr gefährdende Autofahrer/innen läuft hingegen ins Leere. Denn bezüglich dessen erfolgt oft gar keine Überwachung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
Martin-Ott-Straße 8
96049 Bamberg-Gaustadt
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