Forchheimer Schülercoaches suchen Nachwuchs
Das an der Adalbert-Stifter-Schule implementierte Projekt „Schülercoaches“ ist inzwischen längst den Kinderschuhen entwachsen und hat sich prächtig etabliert. Die Nachfrage nach Schülercoaches ist enorm; deswegen werden neue Ehrenamtliche händeringend gesucht.
Joachim Spitzner (74) aus Forchheim und Tobias Wölfel (16) aus Buckenhofen blättern gemeinsam in den Aufzeichnungen von Spitzner und erinnern sich teilweise auch mit dem einen oder anderem kleinen Schmunzeln an die gemeinsame Zeit zurück. Beide haben drei Jahre lang, nämlich von der siebten bis zur neunten Schulklasse – im Rahmen des Projektes „Schülercoaching“, dass seit dem Jahr 2008 an der Adalbert-Stifter-Schule (AST) läuft, „ein Tandem“, gebildet. Im „Zeitraffer“ lies Spitzner anhand seiner Aufzeichnungen noch einmal die dreijährige Betreuungszeit, die er gemeinsam mit seinem „Coaching-Kind“ verbracht hat, Revue passieren.
Spitzner hat Tobias drei Schuljahre als Schülercoach begleitet. Anhand seiner Aufzeichnungen erinnert sich der 74jährige noch gut an das erste Aufeinandertreffen von Coach und Schüler. „01.11.2008 Paradeplatz: 1,83 Meter groß, schicke Snowboard-Jacke, rostige Fahrradkette“; so lautete der erste Eindruck, den sich der Schülercoach in seinen Unterlagen notiert hat. Erfahren von diesem Projekt hat Tobias von seinem Lehrer. Fortan traf man sich nun einmal pro Woche für ungefähr eineinhalb Stunden. Bereits beim dritten Treffen lud Tobias, der eigentlich damals als Berufswunsch „Koch“ angegeben hatte und leidenschaftlich kochte, seinen Schülercoach zu einem selbst zubereiteten Essen ein. „Es gab Pilzsoße mit Senf, Spiegelei, Nudeln und Steaks“, hatte sich Spitzner die Speisenauswahl von damals in seinem kleinen Buch notiert. Bei ihrem fünften Treffen schaute Spitzner seinem „Coach-Kind“ Tobias, bei einem Heimspiel der C-Jugend des SV Buckenhofen zu. Der heute 16jährige spielt immer noch leidenschaftlich gern Handball bei den Buckis. Heute ist er sogar mit seinen gerade einmal 16 Jahren jüngster Handballschiedsrichter in der Landesliga. Gemeinsam wurden Computer- und Konzentrationsspiele gemacht, Tischtennis gespielt, aber auch die eine oder andere mathematische Formel „durchgepaukt“.
„Schülercoaching ist mehr als nur reine Nachhilfe“, fügt Spitzner hinzu, der den 16jährigen auch bei der Berufsorientierung begleitet hat. „Wir waren auf verschiedenen Berufsinformationsveranstaltungen und ich habe für Tobias Praktikas vereinbar“, erzählt der 74jährige. Das Verhältnis zwischen Joachim Spitzner und Tobias Wölfel ging weit mehr über das normale „Coach-Schüler-Verhältnis“ hinaus; zwischen den beiden hat sich eine Freundschaft entwickelt. „Tobias hat wahnsinnig schnell Vertrauen zu mir gefasst und das hat mit sehr gefreut“, resümiert Spitzner.
„Normalerweise finden Jungs in seinem Alter solche Aktionen ja eher uncool“, schmunzelt der 74jährige. „Tobias hat mich aber seinen Freunden vorgestellt und dies hat mir die Bestätigung gegeben, dass ich von Tobias voll und ganz akzeptiert werde“. „Persönlich hat mir das Coaching sehr viel gegeben“, resümiert der 16jährige wenn er heute an die drei Schuljahre zurückdenkt. „Es ist immer schön wenn man mit jemanden zu reden über Sachen die man seinen eigenen Eltern nicht unbedingt erzählen würde“, schmunzelt Tobias. „Über die drei Jahre hinweg hat sich ein großes Vertrauensverhältnis zu meinem Schülercoach aufgebaut“, so der Teenager. Auch beim Thema „Liebe und Mädchen“ holte sich Tobias den einen oder anderen Rat bei seinem Coach.
Seinen damaligen Traumberuf Koch hat Tobias dann schließlich doch nicht gewählt. Auch bei dieser Berufswahl hat sich der Jugendliche von seinem Schülercoach „leiten“ lassen. Er absolviert jetzt im ersten Jahr eine Ausbildung zum Elektriker für Gebäude- und Energietechnik bei der Firma Haustechnik Müller in Hallerndorf. „Da sind die Arbeitsbedingungen einfach besser als in der Küche“, so Wölfel.
Tobias war Mitglied des ersten Schülercoaching-Jahrganges nach Implementierung des Projektes an der Adalbert-Stifter-Schule. Joachim Spitzner, selbst Großvater von 14 Enkeln ist stolz darauf, was aus seinem ihm anvertrauten Schüler geworden ist. „Ich habe gemerkt, dass Tobias nun richtig Freude am Denken bekommen hat“, so der 74jährige, der selbst bei der Teilnahme an diesem Projekt viel gelernt hat. „Man kommt als Schülercoach in ein völlig anderes Lebensfeld und lernt wie die Jugend von heute tickt, welche Probleme und Ängste sie bewegen“, so Spitzner.
„Ich war in der glücklichen Lage einen Schülercoach zur Seite gestellt zu bekommen“, zeigt sich Tobias jetzt im Nachhinein dankbar. „Es gibt mehr Nachfrage als vorhandene Schülercoaches“, bestätigt auch Spitzner, der sich jetzt mit 74 Jahren als Schülercoach zurückziehen; die gewonnenen Erfahrungen aus diesem Projekt aber nicht missen möchte. „Ich möchte das Feld nun Jüngern überlassen, kann jedem nur empfehlen sich als Schülercoach ehrenamtlich zu betätigen“, resümiert der 74jährige. „Schülercoaches erfahren bei den Jugendlichen mehr Anerkennung, weil sie nicht von einer Behörde oder einer sonstigen staatlichen Einrichtung kommen, sondern aus dem Privatleben entstammen“.
Wer sich als Schülercoach ehrenamtlich betätigen möchte, der kann sich bei Dietrich Färber unter 09191 6155331 oder coach@faerber-fo.de melden. Mehr über das Projekt auch im Internet unter www.der-schuelercoach.de . In Bayern gibt es derzeit an 25 Schulen über 350 Schülercoaches. Tobias Wölfel jedenfalls hat die Teilnahme an diesem Projekt bisher nie bereut, im Gegenteil er hat davon sehr profitiert. „Wenn ich noch einmal vor der Wahl stünde; ich würde es wieder machen“, so der 16jährige Auszubildende.
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