Maßgeschneiderte Stundenpläne fürs Studium – ein neues Konzept für Hochschulen

Studium und Lehre besser planen: Informatiker und Mathematiker der Universität Bayreuth entwickeln dafür ein neuartiges Instrument. Es soll langfristig auch von anderen Hochschulen genutzt werden können

Tausende von Vorlesungen, Seminaren und Praktika auf Hunderte von Räumen optimal zu verteilen, ist eine spezielle Planungsaufgabe für Hochschulen. Verfügbare Sitzplätze sollen dabei möglichst gut genutzt, überfüllte Hörsäle vermieden und Terminkollisionen ausgeschlossen werden. Prof. Dr. Jörg Rambau (Wirtschaftsmathematik) und Prof. Dr.-Ing. Stefan Jablonski (Angewandte Informatik) an der Universität Bayreuth haben gemeinsam das Konzept eines Planungssystems entwickelt, das die Hochschulen bei dieser komplexen Herausforderung umfassend unterstützt. Die Forschungsarbeiten werden von der Oberfrankenstiftung im Projekt AZuR („Assistentensystem zur überschneidungsfreien Zeit- und Raumplanung“) gefördert.

Freiheiten der individuellen Studiengestaltung

Wer an einer Hochschule in Deutschland sämtliche Lehrveranstaltungen – von der Einführungsvorlesung bis zum Doktorandenkolloquium – auf geeignete Räume verteilt, muss dabei mit den Freiheiten der individuellen Studiengestaltung rechnen. Denn kein Studiengang besteht einfach nur aus einer festgelegten Anzahl von Lehrveranstaltungen, die bis zum Examen in einer vorgeschriebenen Reihenfolge absolviert werden müssen. Vielmehr werden die Studierenden wiederholt dazu aufgefordert, ihren individuellen Interessen entsprechende Studienangebote auszuwählen und zu kombinieren. Folglich müssen Räume und Zeiten für die jeweiligen Veranstaltungen so festgelegt werden, dass die Studierenden auch tatsächlich diese Wahl- und Kombinationsfreiheit haben.

Der Ansatz von AZuR zeichnet sich dadurch aus, dass es dieser hochschulpolitisch gewollten Flexibilität gerecht wird. Es ist in der Lage, alle Wahl- und Kombinationsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die laut Studien- und Prüfungsordnungen gewährleistet sein sollen. Die Studiengangsmoderatoren können die dadurch gewonnenen Informationen mit ihrem Fachwissen weiter verfeinern. Zudem lässt sich aus Immatrikulationszahlen und Erfahrungswerten früherer Semester die Größe der Räume abschätzen, die den Veranstaltungen zugewiesen werden sollten. Keine Informationsquelle soll ungenutzt bleiben.

Interaktive Benutzeroberfläche, praktikable Lösungen

Ein Planungssystem für die Raumvergabe hat zudem eine Reihe logischer Anforderungen zu erfüllen. So muss sichergestellt sein, dass zwei Veranstaltungen nicht zur gleichen Zeit im selben Raum stattfinden. Und auch der engagierteste Dozent wird niemals in der Lage sein, Erstsemesterkurs und Examenskolloquium zur selben Uhrzeit abzuhalten. Komplizierter wird es, sobald inhaltliche Zusammenhänge zwischen Lehrveranstaltungen einzuplanen sind. Wenn beispielsweise ein Dozent den Studierenden einer speziellen Studienrichtung empfiehlt, zusätzlich zur Einführungsvorlesung A auch ein vertiefendes Tutorium B zu besuchen, dürfen A und B nicht zeitgleich stattfinden. Zudem sollte den Studierenden kein zeitaufwändiger Ortswechsel zugemutet werden, falls B unmittelbar auf A folgt.

Das Bayreuther Planungssystem ist so ausgelegt, dass es derartigen Anforderungen entspricht. Es hat dabei die besonderen Vorzüge einer interaktiven Benutzeroberfläche. Unterschiedliche Farben warnen die für die Raumvergabe zuständigen Hochschulmitarbeiter sofort, falls ihre Planungen fehlgehen – sei es, dass sie logische Widersprüche verursachen, rechtlich garantierte Wahlmöglichkeiten einschränken oder von Studierenden und Dozenten nicht realisierbare Ortswechsel verlangen. Die interaktive Benutzeroberfläche warnt aber nicht nur vor Irrwegen. Mit einer nutzerfreundlichen Navigation erleichtert sie zugleich die Suche nach praktikablen Lösungen.

Keine speziellen technischen Voraussetzungen

„Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass Hochschulen das neue Planungssystem einsetzen können, ohne dafür eine kostspielige technische Infrastruktur beschaffen zu müssen. Die von uns entwickelte Software lässt sich in die Informationssysteme, die an Hochschulen in Deutschland üblich sind, in der Regel ohne Probleme integrieren“, erklärt Michael Zeising, Mitarbeiter von Prof. Dr. Stefan Jablonski am Lehrstuhl für Datenbanken und Informationssysteme an der Universität Bayreuth.

Hier wird derzeit ein Prototyp im Zusammenspiel mit den Systemen ‚Flex Now‘ und ‚HIS LSF‘ erprobt. „Wir hoffen, dass die zuständigen Mitarbeiter darin eine echte Unterstützung sehen und aus der täglichen Praxis heraus weitere Optimierungen vorschlagen. Dann gilt es, wenigstens einige dieser Vorschläge auf dem Bayreuther Campus umzusetzen. Wenn wir dabei Erfolg haben, wollen wir das Planungssystem auch anderen Hochschulen zur Verfügung stellen“, erläutert Tobias Kreisel, Mitarbeiter von Prof. Dr. Jörg Rambau am Lehrstuhl für Wirtschaftsmathematik.

Veröffentlichung:

Michael Zeising, Stefan Jablonski,
A Generic Approach to Interactive University Timetabling.
In: Leslie Miller, Silvana Roncagliolo (eds.),
The Fifth International Conference on Advances in Computer-Human Interactions (ACHI 2012), pp. 84-89, Valencia, Spanien, 2012.

Voraussichtlich im Herbst 2012 erscheint:

Michael Zeising, Stefan Jablonski,
Regulation-based University Course Timetabling.
9th International Conference on the Practice and Theory of Automated Timetabling (PATAT 2012), 28. – 31. August 2012, Son, Norwegen, 2012.