Fortsetzungsroman: “Mamas rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Teil 57
SCHA LEMMAS TRASCHI
Die Truppe der Besatzungssoldaten im Dorf wurde kleiner. Immer häufiger sah man sie auch ohne Gewehr und ohne ihre Maschinenpistole auftreten. Trotzdem blieben sie den Kindern fremd, besonders wegen der unverständlichen Sprache. Die meisten in Mills und Janks Alter hatten deutsche Soldaten noch nie in der selbstsicheren Pose von Siegern erlebt. Der Elendszug von aufgeriebenen, ordenlosen deutschen Bataillonsresten in Fußlappen hatte ihnen den exakten, nagelbesohlten Gleichschritt nicht bieten können.
Um so staunender standen die Kinder jetzt am Straßenrand, wenn die Russen mit ihren unvergleichlichen Soldatenliedern in gefetteten, blank geputzten Stiefeln die Dorfstraße entlangzogen. Dieser seltsam nach links und rechts schwankende Marschtritt mit weit ausholenden Armbewegungen hatte es ihnen besonders angetan. Sie übten ihn nach solchen kleinen Paraden heimlich hinter Lettaus Scheune. Eine moll-tonige, wehmütige Melodie wollte ihnen nicht aus dem Kopf gehen. Sie nannten sie einfach bloß
SCHA LEMMAS TRASCHI
Das war aus einer anderen Welt. Zum ersten Mal hörten und sahen sie, wie eine ganze Gruppe von Menschen Lieder in einer anderen Sprache sang. Kein Wort verstanden sie davon, aber sie liebten ihr SCHA LEMMAS TRASCHI innig. Sie sangen es immer dann, wenn sie sich unbeobachtet glaubten und erfanden ihren Text dazu. Sie wussten schon genau, dass man Russisches nicht lieben darf.
Weil das ja die Feinde waren.
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