5 vor 12 in Oberfranken: Region tickt auch bei den Energiekosten anders
Eine konsolidierte und zielgerichtete Strategie zur Bewältigung der Energiewende fordert die IHK für Oberfranken Bayreuth von der Politik. In einem Schreiben an Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler, Bundesumweltminister Peter Altmaier sowie Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil und Bayerns Umweltminister Dr. Marcel Huber betont die IHK, dass insbesondere die oberfränkische Wirtschaft dringend auf eine klare Linie der Politik angewiesen ist. „Die Energiewende ist auf den Weg gebracht. Sie bringt für unsere Unternehmen Chancen, aber auch Risiken mit sich. Nun müssen endlich die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung geschaffen werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten“, so IHK-Präsident Heribert Trunk. „Andernfalls erhöht sich der Abwanderungsdruck und gefährdet Arbeitsplätze in der Region.“
Die unberechenbare Entwicklung auf dem Energie- und Rohstoffmarkt wirkt für die Wirtschaft am Industriestandort Oberfranken existenzbedrohend. Besonders die energieintensiven Betriebe aus der Textil-, Glas-, Keramik- und kunststoffverarbeitenden Industrie leiden unter explosionsartig steigenden Energiepreisen, erläutert die IHK-Spitze in ihrem Schreiben an die Politik.
Glashersteller: Energiekosten achtmal höher als im Schnitt
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag der Anteil der Energiekosten am Bruttoproduktionswert der Industrie 2009 im Bundesdurchschnitt bei 2,4 Prozent. Wichtige oberfränkische Arbeitgeber waren deutlich stärker betroffen. Bei den Herstellern von Kunststoffwaren lag der Anteil der Energiekosten bei 3 Prozent, in der Textilindustrie bei 3,9 Prozent, bei den Herstellern von keramischen Haushaltswaren bei 5,2 Prozent, den Herstellern von Isolatoren aus Keramik bei 6,7 Prozent und bei den Herstellern von Hohlglas sogar bei 16,3 Prozent. Trunk: „Die Hersteller von Hohlglas etwa im Landkreis Kronach haben aber nicht nur einen fast achtmal höheren Energiekostenanteil als die Industrie im Durchschnitt, sondern sieht sich auch einem internationalen Wettbewerb ausgesetzt mit deutlich niedrigeren Energiekosten in anderen Ländern.“ Die weiter steigenden Energiepreise erhöhen nicht nur den Abwanderungsdruck auf die Unternehmen sondern gefährden auch Arbeitsplätze in der Region, so der IHK-Präsident. Seit 2009 ist der Energiekostenanteil weiter gestiegen.
„Wenn man sich vor Augen hält, dass 12 Prozent aller Beschäftigten Deutschlands der Hersteller von Hohlglas in Oberfranken tätig sind, 29 Prozent aller Beschäftigten bei den Herstellern keramischer Haushaltswaren und sogar 57 Prozent aller Beschäftigten der Hersteller von Isolatoren, wird deutlich, dass die Region besonders stark betroffen ist“, so Trunk. „Hinzu kommt, dass die Industrie in Oberfranken einen besonderen Stellenwert hat, immerhin verfügt die Region über die zweithöchste Industriedichte in Europa.“
Zielgerichtete Strategie für Energiewende gefordert
Als Interessenvertreter der regionalen Wirtschaft in Oberfranken zeigt sich die IHK besorgt über die Art und Weise, mit der die Energiewende in Deutschland vollzogen wird. „Uns entsetzt die Tatsache, dass zahlreiche Experten unterschiedlichster Fachrichtungen vor den Folgen der Energiewende warnen, aber die Politik nicht entsprechend reagiert“, so Trunk. „Unser Wirtschaftsstandort kann sich keine Verzögerungen mehr leisten.“
Dabei kritisiert die IHK vor allem das Fehlen einer erkennbaren Strategie, mit der die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden solle. Trunk: „Ohne eine zielgerichtete Strategie ist es tatsächlich fünf vor 12 für die oberfränkische Wirtschaft!“ Es hätten sich im Zuge der Energiewende zwar viele Einzelinitiativen entwickelt, eine konsolidierte und zielgerichtete Strategie sei jedoch nicht deutlich geworden. „Es gibt viele gute und richtige Ansätze, die aber nicht mit der nötigen Konsequenz und Dringlichkeit verfolgt werden“, so der IHK-Präsident mit Blick auf den Ausbau der Netze oder die Entwicklung künftiger Energie-Speichertechnologien. Der Investitionswille der Unternehmen dürfe nicht durch unkoordiniertes Vorgehen abgewürgt werden, so Trunk. „Die Energiewende darf nicht zum Bremsschuh für die Wirtschaftsentwicklung werden.“
Ausbau der Energienetze vorantreiben
Vordringlicher Handlungsbedarf bestehe beim Ausbau der Energienetze. Hier sei die Bundesregierung gefordert, ihr Bundesbedarfsplangesetz möglichst zügig auf den Weg zu bringen. Zudem sei aus Sicht der Wirtschaft eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erforderlich, um die ohnehin schon hohe Belastung der mittelständischen Industriebetriebe einzudämmen.
Keinen Zweifel lässt der IHK-Präsident daran, dass die Energiewende für viele oberfränkische Unternehmen auch große Chancen mit sich bringt. „Wir haben viele Unternehmen an verschiedensten Stellen der Wertschöpfungskette zur Erzeugung erneuerbarer Energien, denen sich jetzt neue Geschäftsfelder bieten. Und Oberfranken entwickelt sich zusehends zu einer Region, in der diese erneuerbaren Energien auch eingesetzt werden. Diese Spitzenposition müssen wir festigen und ausbauen“, so Trunk.
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