Sonntagsgedanken: Die Bergpredigt
Zu den umstrittensten Texten der Bibel gehört die so genannte „Bergpredigt“ in den Kapiteln 5 – 7 des Matthäusevangeliums: Wie sollen wir die zugespitzten Aussagen dieser Zeilen verstehen, etwa die Seligpreisung der Armen oder das Gebot Jesu, die Feinde zu lieben? Die Friedensbewegung der 80er Jahre berief sich gern auf diese Forderungen und begründete damit ihre eigene Haltung, ihre Forderung, durch einseitige atomare Abrüstung den Frieden zwischen Ost und West auf den Weg zu bringen. Die kühl rechnenden Realpolitiker hielten dagegen, dies sei dumm und gefährlich, würde die Gegenseite nur ermutigen, militärisch anzugreifen, in der Meinung, einen geschwächten demoralisierten Feind vor sich zu haben. Die klassische katholische Theologie will die „Normalchristen“ nur auf die Zehn Gebote verpflichten, während die Klosterleute die Forderungen der Bergpredigt radikal befolgen sollten. Im evangelischen Bereich dagegen verstand man seit Martin Luther die Bergpredigt dahingehend, dass Jesus hier bewusst provozierend formuliere, bewusst Unerfüllbares verlange, um damit die totale „Sünde“ des Menschen aufzuzeigen, um zu demonstrieren, dass der Mensch aus eigener Kraft nicht „selig“ werden könne.
Mein Antwortversuch lautet: Das Entscheidende ist nicht die Tat, sondern das Vertrauen auf die Liebe Gottes, auf das Geheimnis von Kreuz und Auferstehung Jesu, das Vertrauen auf das unverfügbare, geduldige Wirken des Heiligen Geistes. Weil nichts uns von Gottes Liebe trennen kann, deshalb sollen wir uns mit allem Ernst bemühen, diese Liebe auch weiterzugeben. Dass wir dabei im Ansatz stecken bleiben, versteht sich von selbst. Doch dürfen wir um Gottes Geist bitten, dass wir uns täglich neu auf den Weg machen, um uns den Forderungen der Bergpredigt zu nähern. Unser Versagen, unser Leiden, unsere Zweifel hat Christus am Karfreitag getragen und am Ostermorgen überwunden. Das Osterlicht verklärt unser Leben mit seinen Höhen und Tiefen, seinen (Miss-)Erfolgen. Wenn unser HERR am „Jüngsten Tag“ kommt in göttlicher Herrlichkeit, soll er uns auf dem Weg Gottes finden.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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