Sonntagsgedanken: Keine Ausreden
„Lästert nicht die Zeit, die reine!
Schmäht Ihr sie, so schmäht Ihr Euch!
Denn es ist die Zeit dem weißen
unbeschriebnen Blatte gleich.
Das Papier ist ohne Makel,
doch die Schrift darauf seid Ihr!
Wenn die Schrift nicht just erbaulich,
nun, was kann das Blatt dafür?“
Können wir Anastasius Grün zustimmen? In der Tat suchen wir stets schnell nach einem Sündenbock für das menschliche Versagen: Der Zeitgeist, die gesellschaftlichen Umstände, die Erbanlagen, die Medien, die Erziehung, all das muss herhalten, um Schuld zu entschuldigen. Doch damit machen wir es uns zu einfach, denn jeder ist für sein Leben, für sein Verhalten hundertprozentig selbst verantwortlich.
Natürlich ist niemand vor Schicksalsschlägen sicher, vor der Gemeinheit seiner Mitmenschen gefeit, aber das nimmt uns nichts von unserer Verantwortung. Und doch beeinflussen uns zahlreiche Kräfte: Die Kinder aus so genannten Problemfamilien werden eben von klein auf verdorben. Wer nur Alkohol, Gewalt, Verwahrlosung und Eigennutz kennen gelernt hat, wie soll der sich moralisch verhalten? Wer sich in einer rechtsradikalen oder sonst gewalttätigen Gruppe befindet, wird leicht mitgerissen. „Sünde“ im christlichen Sinn ist eben viel mehr als nur juristisch prüfbare Schuld, eben auch eine dämonische Macht, die plötzlich über jemanden kommt, in die er schicksalhaft hineinrutscht. Wer in einer Diktatur lebt und hier als Polizist oder Soldat dienen muss, wird unschuldig schuldig. Menschliche Gerechtigkeit, menschliches Gewissen kommen hier an ihre Grenzen. Als Christ aber weiß ich, dass Gott meine Verantwortung radikal ernst nimmt, keine Ausreden gelten lässt, dass er aber mich trotz allem als sein Kind liebt; und in diesem Vertrauen darf ich mein Leben täglich neu wagen.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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