Gifteinsatz an Frankens Autobahnen geht weiter
BN ruft Autofahrer zur Mithilfe auf: Ab 2. Mai Fotos der Sprühfahrzeuge machen!
In wenigen Tagen will die Autobahndirektion Nordbayern mit der umstrittenen Begiftung von Autobahnen in Franken fortfahren, obwohl über eine Anzeige des BN beim Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg wegen der Einsätze in den letzten Jahren noch nicht entschieden wurde. Dabei kam erst kürzlich durch eine Anfrage von MdB Toni Hofreiter (Bündnis 90-Die Grünen) heraus, dass unter allen Bundesländern ausschließlich Bayern das Gift an Autobahnen einsetzt.
Dem Bund Naturschutz liegen Unterlagen vor, nach denen ab 2. Mai 2012 wieder das umstrittene Biozid Diflubenzuron gegen den Eichenprozessionsspinner gespritzt werden soll. Damit werden nicht nur alle Insekten in den Wäldern und Hecken an den Autobahnen totgespritzt, sondern auch Autofahrer unnötig gefährdet. Als bisher einzige erkennbare Reaktion auf die BN-Anzeige hat die Autobahndirektion in einer öffentlichen Ausschreibung neben Diflubenzuron auch den Einsatz von Neemöl und die mechanische Bekämpfung von Raupennestern vorgesehen.
„Das reicht uns natürlich überhaupt nicht, wenn weiter gespritzt wird. Wir wissen aus Zeitungsmeldungen, dass 2012 vor allem die unterfränkischen Autobahnen besprüht werden sollen“, so Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter.
„Wir bitten deshalb alle AutofahrerInnen bzw. ihre BeifahrerInnen vor allem im Raum Würzburg, die Sprühfahrzeuge oder Leute mit Schutzanzügen und Giftspritzen an oder auf Autobahnen sehen, Fotos davon zu machen und mit Angabe von Datum und Autobahnabschnitt an den Bund Naturschutz per Mail an lfg@bund-naturschutz.de zu melden“, so Mergner.
Der Bund Naturschutz wird weitere Schritte gegen die unsägliche Begiftung unternehmen. Dafür sind aber vor allem Belege nötig, z. B. ob die Autobahnränder wieder mit nicht-genehmigten Sprühkanonen benebelt oder die Autobahnen wieder nicht 48 Stunden lang gesperrt werden.
Mergner: „Das Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg untersteht als zuständige Behörde für Verstöße nach dem Chemikaliengesetz der Regierung von Mittelfranken und damit Innenminister Joachim Herrmann. Genauso wie die Autobahndirektion, die auch zum Innenministerium gehört. Wir befürchten, dass die Vorkommnisse unter den Teppich gekehrt werden sollen.“
Der Bund Naturschutz hatte Anfang März die Verantwortlichen der Autobahndirektion Nordbayern beim Gewerbeaufsichtsamt wegen erheblicher Verstöße gegen das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung angezeigt. Mit ihren Spritzaktionen gegen den Eichenprozessionsspinner an den nordbayerischen Autobahnen in den letzten Jahren hätten sie Mensch und Natur gefährdet und beeinträchtigt. Um einen weiteren Gifteinsatz 2012 zu unterbinden, hat sich der Bund Naturschutz an die zuständige Aufsichtsbehörde gewandt.
Zwar sollte die Autobahndirektion Nordbayern bereits bis 2. April 2012 gegenüber dem Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg zu den Vorwürfen des BN Stellung nehmen, geschehen ist das aber nach Auskunft der Regierung von Mittelfranken bis 17.04.12 nicht. Die Regierung verwies den BN mit seinen Fragen über Konsequenzen an die Autobahndirektion, die sich jedoch tot stellt. Es steht zu befürchten, dass 2012 wieder gespritzt wird und keinerlei ernsthafte Konsequenzen gezogen werden.
Eine Auswertung einer Landtagsanfrage von 2011 hatte erbracht, dass die Autobahndirektion Nordbayern praktisch an fast allen Autobahnen in Mittel-, Ober- und Unterfranken in den Jahren 2006 – 2010 – und wohl auch 2011 – das Biozid Diflubenzuron 80% gespritzt hat. Über 490 km Autobahnränder wurden dabei jährlich auf beiden Seiten begiftet. Mit 469,9 kg wurden zwischen 2006 und 2010 erhebliche Mengen des Wirkstoffes eingesetzt. Dabei hat die staatliche Behörde jahrelang gegen geltendes Recht verstoßen, weil nicht zugelassene Sprühgeräte eingesetzt und das Gift weit in der Gegend verteilt wurde, weil auch an Gewässern gespritzt wurde, obwohl es dort nicht zugelassen ist und weil die besprühten Gebiete, die gesamten Autobahnen, nicht für 48 Stunden gesperrt wurden.
Diflubenzuron besteht aus fluorierten und chlorierten Benzolringen. Es zerfällt zwar nach einigen Tagen, seine Abbauprodukte sind aber nicht leicht biologisch abbaubar und vermutlich krebserregend. Das Umweltbundesamt schätzt das Gift als für Menschen schädlich ein. Es ist sehr giftig für Wasserorganismen und gefährdet das Trinkwasser. Es führt darüber hinaus zu einer enormen Dezimierung der Biodiversität von Schmetterlingen und Insekten. Als Biozid besitzt es keine eigene Zulassung nach heutigem Recht, sondern wird im Rahmen von Übergangsregelungen als Altwirkstoff eingesetzt.
Artensterben vorprogrammiert: Da die chemischen Bekämpfungsmaßnahmen keinen dauerhaften Erfolg bringen und massive ökologische Schäden zu befürchten sind, kritisiert der BN diese Gifteinsätze gegen den Eichenprozessionsspinner. Seit Jahren wurde Diflubenzuron gespritzt, aber erst seit kurzem weiß man aus einer wissenschaftlichen Studie aus Schwabach, dass der dortige Einsatz im Stadtpark mit Diflubenzuron (und z.T. Bazillus thuringiensis) zu einem Verlust von 3/4 der in solchen Eichenhainen üblichen Schmetterlingsarten führte: Der Eichenprozessionsspinner profitierte aber offenbar, weil auch Brutvögel betroffen waren, die sich von Raupen ernähren. Eine jährliche Begiftung von kommunalen Grünflächen und an Autobahnen lehnt der BN wegen der ökologisch nicht absehbaren Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen ab.
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