Deutschland und Benin: Neue Perspektiven der sozialwissenschaftlichen Zusammenarbeit

Seit mehr als drei Jahrzehnten sind Benin und Deutschland durch sozialwissenschaftliche Kooperationen in der Forschung und bei der Doktorandenausbildung verbunden. Eine Bilanz dieser Zusammenarbeit und der dabei gewonnenen Erfahrungen zu ziehen und darauf aufbauend neue Perspektiven für die Zusammenarbeit zu entwickeln, war das Ziel einer internationalen Konferenz, die vom 8. bis 10. März 2012 auf Schloss Thurnau stattfand. Daran nahmen Mitglieder der beninischen Universitäten Abomey-Calavi und Parakou, deutscher Universitäten (Bayreuth, Mainz, FU Berlin, Bonn und Köln) sowie Mitglieder der außeruniversitären Forschungsinstitute LASDEL und LADYD (beide in Benin) teil.

Im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen standen nicht allein fachbezogene Themen, wie beispielsweise die Erhaltung von Ökosystemen und die Entwicklung der Medienlandschaft in Benin. Es ging insbesondere auch um eine kritische Analyse von Erfahrungen in der bisherigen Zusammenarbeit und um allgemeine Überlegungen zur Forschungs- und Hochschulpolitik.

„Die Konferenz hat mit dieser inhaltlichen Ausrichtung viele Fragen zusammengeführt, die in jüngster Zeit verstärkte Aufmerksamkeit erfahren“, erklärt Prof. Dr. Erdmute Alber, die Leiterin der Konferenz, die an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Sozialanthropologie innehat. „An vielen Hochschulen in Deutschland ist das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Partnern in Afrika deutlich gestiegen. Dieses Interesse wird seitens der afrikanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen erwidert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Benin, die in Thurnau zusammengekommen sind, waren sich einig: Die Universitäten in Afrika sollten verstärkt in gemeinsame Forschungsprojekte einbezogen werden.“

Ein Grund für diese Entwicklung liegt in dem Wunsch, afrikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als bisher an internationalen Forschungsaktivitäten teilhaben zu lassen. Deren Forschungsperspektiven und Erkenntnismöglichkeiten sollten systematischer in die Weiterentwicklung von Forschungsansätzen und Erkenntnissen einbezogen werden. Die europäische Tradition einer ‚Einheit von Forschung und Lehre‘ und insbesondere die Idee einer an empirischer Forschung orientierten sozialwissenschaftlichen Ausbildung erfahren derzeit in Westafrika eine spürbare Wertschätzung. Dies wurde in der Diskussionsrunde am letzten Konferenztag besonders deutlich. Und noch eine weitere Erkenntnis lässt das Interesse an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit wachsen: „Gerade in den Sozialwissenschaften sind wir uns bewusst, dass Forschung nicht losgelöst von Zeit und Raum stattfindet, sondern im Gegenteil zeit- und raumgebunden ist. Dabei sind konkrete Projekte stets auch personengebunden: Die jeweils besonderen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Interessen der Beteiligten sind darin immer gegenwärtig. Von daher ist es ein genuin wissenschaftliches Erfordernis, ja geradezu eine epistemologische Notwendigkeit, dass afrikanische Forscherinnen und Forscher mitwirken, wenn afrikabezogene Projekte geplant und umgesetzt werden“, erklärt Prof. Alber.

Die Konferenzteilnehmer stimmten darin überein, dass für eine vertiefte Zusammenarbeit in Forschung und Lehre neue Formen und institutionalisierte Rahmenbedingungen gefunden werden müssen. Auf der Ebene der Promotionsausbildung gebe es vielerorts bereits einen erfolgreichen Austausch zwischen deutschen und westafrikanischen Universitäten. So kooperiert die Bayreuth International Graduate School of African Studies (BIGSAS), welche die Konferenz finanziell gefördert hat, eng mit der beninischen Université d‘ Abomey-Calavi. Derartige institutionalisierte Formen der Kooperation sollten – dies war der einmütige Wunsch – weiter ausgebaut werden. Besonders wünschenswert sei es, dass die Idee einer „Tandemforschung“, in der europäische und afrikanische Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zusammenarbeiten, in deutschen und europäischen Programmen der Forschungsförderung stärker als bisher berücksichtigt wird.

Die Voraussetzungen sind günstig, um den deutsch-beninischen Wissenschaftskooperationen neue Impulse zu geben: Im Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern ist in Benin die Zahl der Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die in Deutschland ausgebildet wurden und heute in landeseigenen Hochschulen und Forschungsinstitutionen zum Teil in Führungspositionen tätig sind, besonders hoch. Zudem befindet sich die Forschungs- und Hochschullandschaft auch in Benin durch die Einführung des Systems LMD (Licence-Master-Doctorat) insgesamt im Umbruch. Damit eröffnen sich auch neue Potenziale für deutsch-beninische Kooperationen in Ausbildung und Forschung.

In Deutschland wird diese Zusammenarbeit hauptsächlich von zwei Standorten aus vorangetrieben: Die Universität Mainz ist Vorreiter in der Ausbildung von in Benin forschenden Doktoranden und in den Beziehungen zu der außeruniversitären Forschungseinrichtung LASDEL. Die Universität Bayreuth pflegt intensive Kontakte zu den Universitäten in Benin und ist durch BIGSAS ebenfalls in der Doktorandenausbildung in Benin und den Nachbarländern aktiv. Vertreter beider Universitäten haben verschiedene Formate in der forschungsbezogenen Lehre entwickelt, die sie unter Beteiligung beninischer Studierender und Doktoranden sowie in Kooperation mit beninischen Dozenten wiederholt erfolgreich durchgeführt haben.

Die deutschen und beninischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf Schloss Thurnau intensiv miteinander ins Gespräch gekommen sind, wollen den angestoßenen Diskussionsprozess keinesfalls abreißen lassen. Es ist geplant, abwechselnd an den Universitäten Abomey-Calavi, Mainz, Parakou und Bayreuth Folgekonferenzen zu organisieren, die wiederum fachwissenschaftliche Beiträge mit allgemeinen Perspektiven der Hochschul- und Forschungszusammenarbeit verbinden. Weitere konkrete Überlegungen gelten einer neuen Plattform, die geeignet ist, die Ergebnisse einem breiteren Interessentenkreis zugänglich zu machen.

Tagungsprogramm:

„30 Jahre sozialwissenschaftliche Benin-Forschung in deutsch-beninischer Zusammenarbeit: Themen, Ergebnisse, Ausblicke“, 8. bis 10. März 2012, Schloss Thurnau.

http://www.bigsas.uni-bayreuth.de/en/download_files/events_downloads/benin_conference_programme.pdf

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Erdmute Alber
Dr. Jeannett Martin
Lehrstuhl für Sozialanthropologie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
E-Mail: erdmute.alber@uni-bayreuth.de
oder: jeannett.martin@uni-bayreuth.de