Fastenpredigt mit Starkbieranstich und den "Stubenhockern" in Kirchehrenbach
Noch am Morgen hatte Günter Anderl an der Forchheimer Klosterpforte vorgesprochen und sich ein Mönchsgewand ausgeliehen. Jetzt stand er als zorniger und witziger Fastenpredigts –Pater im Gasthaus Sponsel zu Kirchehrenbach und begleitet den Starkbieranstich mit salbungsvollen Worten, die bei passender Gelegenheit in bissige Satire umschlugen.
Peter Anderl pries den Frieden, der nach Beendigung des Glaubenskrieges um den Teerweg zum Walberla wie Balsam über Dorf- und Landschaft liege. Die Ruhe bedeutet Wachstum. Daher schwellen an den Stammtischen die Bäuche und die Köpfe. Ebenso expandieren die Hinterquartiere der Frauen im Dorf und bringen die Jeans der Baggers- Volkstracht fast zum Platzen. Nur die Bevölkerung stagniert. Und wenn nicht die Dorfjungfrauen im Dienst der UNO-Stiftung „Jugend forscht“ bei ihren ersten Expeditionen ins Reich der Sinne manchmal Maß und Mitte verlieren würden, gäbe die Bevölkerungsstatistik Anlass zu Pessimismus.
„Ehraboch“ so Anderl, wird von weiblicher Vernunft regiert. Wie in keltischer Frühzeit herrschte die Muttergöttin Anja als „Borchermastera“ sanft über Land und Leute. Doch ein genauer Blick zeige, dass sich das Chaos in der Dorfpolitik kaum mehr zähmen lasse.
Das Baugebiet sei zu einem Manövergelände für überflüssige Bagger geworden. Pater Anderl zitierte aus dem Alten Testament: “Sie bedienten seltsame Geräte und fuhren ziel- und planlos umher“.
Durch die baulichen Abwehrmaßnahmen gegen die jährlichen Überschwemmungen sei an den Ufern des Ehrenbach eine idyllische Badelandschaft entstanden, die den Ruf nach einem örtlichen Freibad überflüssig mache.
Insgesamt, beklagte Pater Anderl, fehle es in der Dorfpolitik an Gemeinsinn. Die politische Kultur, die den Gemeinderat prägt, lasse den Gedanken an einen Weltbürgerkrieg zwischen Schwarz und Rot aufkommen. Nur beim Neujahrsempfang der Gemeinde lockern sich vorübergehend die Fronten. Doch dann beginnt die heiße Schlacht am kalten Buffet. Günter Anderl zitierte Reinhard Mey: “Mit feurigem Blick und mit Schaum vor dem Mund/ kämpft jeder für sich allein/ und schiebt sich in seinen gefräßigen Schlund/ was immer hineinpasst hinein.“
Im letzten Teil seiner Predigt holte sich der streitbare Pater Rat und Hilfe aus dem lyrischen Werk des altfränkischen Volkspoeten Wolfgang Ehemann aus Hausen, der leider schon vor mehr als einem Jahrzehnt nach Hamburg verzogen sei, und in der dortigen Presselandschaft prägende Spuren hinterlasse.
Mit Blick auf die Nachbarsiedlungen Forcheim und „Ebs“, das er auf „Plebs“ wie Plebiszit reimte, kam Anderl zu einem schon bei Ehemann nachlesbaren Fazit: “Rein obfolltechnisch/ senn die meistn Bolidiga Heiddsodooch scho lengst der reinste Sondamüll.“
Zu Ehemanns bleibenden Werken gehöre – so Anderl – seine Prag-Ballade, die schon Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs entstanden ist und einen „Vereinsausflug“ schildert: “Gfressen homms, Gsuffn homms/…..Ana hodd bam saufn sogoa üban Diisch gschbia.“
Um solche Exzesse zu vermeiden, seien vor fast zwei Jahrzehnten die „Kirchehrenbacher Kulturwochen“ eingeführt worden, erinnerte der Kanzelredner. Das Ergebnis sei aber enttäuschend. Seine Fastenpredigt steigerte sich von der Klage zur Anklage. Deren erstes Ziel war der Bamberger Schausteller Mäc Härder, der auf Kirchehrenbacher Wirtshausboden sich zum König der Franken ausgerufen und dadurch die bayerische Verfassung gebrochen habe. Denn die göttliche Weltordnung bestimme, dass Franken Bayern untertan zu sein und ihm seine Kunstschätze auszuliefern habe.
Heftige Angriffe des Paters galten auch der Oberpfälzer Künstlerin Lizzy Aumeier, die hier vor Ort im Gasthaus Sponsel ihren spätbarocken Körper halbnackt geräkelt und mit obszönen Reden kommentiert habe. An diesem Punkt gestand der zornig gewordene Volksprediger ein, dass er an die Grenzen seiner rhetorischen und pastoralen Potenz gelangt sei. „Meine letzte Rettung bleibt das Starkbier, sonst bricht mir die Stimme.“
Im Frühjahr 2012 werden die „Kirchehrenbacher Kulturwochen“ fortgesetzt. Am Freitag den 16. März um 20 Uhr liest der Pegnitzer Mundartpoet Walter Tausendpfund im Gasthaus Sponsel. Der Autor ist nicht nur wegen seiner fränkischen Dialektgedichte bekannt, sondern hat sich auch durch seine Beiträge zur Heimat- und Kulturgeschichte überregional einen Namen gemacht. Das Motto seiner Lesung lautet „Gerichte und Gedichte“ und verbindet Literatur mit Kochkunst.
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