Sonntagsgedanken: Das Drehbuch des Lebens
„Das Leben gleicht einem Buche, Toren durchblättern es flüchtig, der Weise liest es mit Bedacht, weil er weiß, dass er es nur einmal lesen kann.“
Jean Paul hat Recht: Wir leben nur einmal, aber welche Schlüsse ziehen wir daraus? Genuss und Konsum um jeden Preis oder Resignation, Bitterkeit, wenn wir an Versäumtes, an erlittenes Unrecht, an vergangene Freuden denken? Auch die Bibel kennt das „Buch des Lebens“, wo die Gläubigen verzeichnet stehen.
Wer aber schreibt dieses „Buch“, von dem Jean Paul oder die Bibel erzählen? Schreibt wirklich Gott oder das blinde, dumpfe Schicksal jedem seine Rolle vor?
Queredo y Villegas drückt es so aus:
„Vergiss nicht, dass das Leben Schauspiel ist,
und diese ganze Welt die große Bühne,
und sich im Augenblick die Szenen wandeln
und alle wir dabei als Spieler handeln.
Vergiss auch nicht, dass Gott das große Spiel
und seinen weit gedehnten Gegenstand
in Akte ordnet und sie selbst erfand.“
Ist das Leben nur Spiel? Sind wir Schauspieler, die ihren Part pflichtschuldig zu spielen haben? Wo bleibt hier die Freiheit und damit auch die Verantwortlichkeit der Menschen? Ich wage mich aus der christlichen Deckung, mache mich bewusst angreifbar, wenn ich freimütig erkläre: Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Unglücksfälle und Gemeinheiten, die uns zustoßen, die Menschen einander antun, irgendeinem göttlichen oder schicksalhaften Drehbuch entstammen. Gott will das Böse, das Unglück, den Tod nicht. Wir Menschen sind frei zu tun, was wir wollen und deshalb für unser (Fehl)verhalten hundertprozentig verantwortlich. Das Dunkle gehört dabei auch zu unserem Leben wie der nasskalte Herbst zum blühenden Frühling. Glücklich, wer sich rückblickend zu der Einsicht durchringt: „Gott hat mich durch ein dunkles Tal geführt, um mich reifen zu lassen, um mich vor Hochmut oder Dumpfheit zu bewahren.“ Aber mit den Begriffen „Schicksal“ oder „Willen Gottes“ bin ich vorsichtig. Die einem Christen zukommende Haltung ist das unbedingte Vertrauen auf Christus: Er hat uns den mühevollen Weg geebnet durch das Grauen des Todes zum Morgen der Auferstehung. Karfreitag kommt vor Ostern, für ihn und uns.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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