Geplante Westumfahrung von Neunkirchen am Brand: "Sonderbaulast" als Zuckerla?

Pressemitteilung des Bund Naturschutz zur geplanten Westumfahrung von Neunkirchen

Bund Naturschutz in Bayern e.V., der Bayerische Bauernverband und die Bürgerinitiative MUNK sähen die geplante Einleitung des Planfeststellungsverfahrens zur Westumfahrung von Neunkirchen am Brand als großen Fehler an. Die angedachte Möglichkeit, mit der Planung vorzeitig beginnen zu können, indem das Verfahren unter „Sonderbaulast“ gestellt wird, wird als unkalkulierbar kritisiert. Der Flächenfraß für den Bau ist nicht verantwortbar, Alternativen wären wesentlich kostengünstiger.

„Die Verwaltung Neunkirchens und der Gemeinderat spielen momentan russisches Roulette. Sie wissen nicht, was für Kosten auf sie zukommen, wenn sie mit dem Zuckerla Sonderbaulast die Planung vorantreiben. Das können 17.000 oder 40.000 Euro sein, und dann nur für die Planung. Und niemand weiß, ob die acht oder sogar mehr als zehn Millionen Euro für den Bau je kommen. Das Geld wäre dann für nichts vergeudet“, meint Bernhard Birnfeld, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Neunkirchen a. Br. und Umgebung.

Johannes Zöllner, Ortsobmann des Bayerischen Bauernverbandes in Ebersbach zum aktuellen Stand: „Unsere Landwirte sind für die Erzeugung von Qualitätsprodukten auf hochwertige Böden vor Ort angewiesen. Die Bewirtschaftung der kleinstrukturierten Flächen erfordert einen hohen Aufwand. Eine weitere Zerschneidung durch die unnötige Westumgehung lehnen wir ab. Neunkirchen sollte die selbstverursachten Verkehrsprobleme dort lösen wo sie entstehen und nicht auf den Rücken anderer abwälzen. Der ständige Flächenfraß, der immer nur die Landwirte trifft, muss ein Ende haben. Wir sind strikt gegen eine Umgehungsstraße auf Ebersbacher Flur.“

Bettina Wittmann, Bürgerinitiative Modernes und Umweltbewusstes Neunkirchen e.V. (MUNK): „Verwaltung und Gemeinderäte sollten sich bei Ihrer Entscheidung an den geltenden Bestimmungen zur Sonderbaulast orientieren und mit diesen Zahlen kalkulieren. Sie sind über mehrere Wahlperioden nicht berechenbar. Haushaltspolitisch kann sich die Marktgemeinde ein solch kostspieliges Projekt nicht leisten, immerhin 1,6 bis sieben Millionen Euro Kosten verblieben bei der Marktgemeinde, je nach der Förderquote, die irgendwann, vielleicht erst in vielen Jahren bei der Bewilligung festgelegt wird).“

„Die Infrastruktur des Landkreises ist über die Maßen gut ausgebaut, aus wirtschaftlicher Sicht brächte eine Umfahrung Neunkirchens nur marginale Zeitvorteile – das ist vernachlässigbar. Viel wichtiger ist das Besinnen auf noch vorhandene Naturlebensräume. Maßnahmen diese zu stützen sind viel notwendiger. Die Untere Naturschutzbehörde sollte endlich mal wieder hinaus in die Landschaft, um sich aktiv vor Ort und nicht nur im Büro um Aufbaumaßnahmen verbliebener Naturbereiche zu kümmern. Hier fehlt das Geld seit Jahrzehnten. Und es nicht einsehbar es in weiteren Straßenbau zu stecken.“, so Heinrich Kattenbeck, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Forchheim.

„Der als Hauptgrund für die Planung einer Westumfahrung angeführte Schwerlast-Verkehr durch Neunkirchen hat in fünf Jahren um 37 % abgenommen. Die Argumente für das millionenschwere Vorhaben schwinden zusehends“, so Tom Konopka, Regionalreferent des BN.

Die Planung

Das Staatliche Bauamt Bamberg plant im Rahmen des Ausbauplanes der Staatsstraßen die Westumfahrung von Neunkirchen am Brand (derzeit Kategorie 1 R). Damit könnte die Umfahrung frühestens Ende dieser Dekade geplant und ab 2021 realisiert werden. Die Verwaltung Neunkirchens und der Gemeinderat beraten nun über die vorzeitige Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens mit eigener Kostenbeteiligung.

Dazu geködert wurde der Markt durch eine Aussage von Innenminister Joachim Herrmann, das Planungsverfahren könne beschleunigt werden, wenn die Kommune 20% der Planungskosten von 85.000 € übernähme.

Die Höhe der Planungskosten ist dabei weitergehend unspezifiziert und könnte sich durchaus erhöhen.

Die geplante Westumfahrung würde mit parallel geführter Gemeindeverbindungsstraße eine Schneise von knapp 40 m Breite durch die Landschaft schlagen, Waldgebiete würden durchschnitten. Mit zunehmenden Hochwassergefahr für Siedlungsgebiete aufgrund des geplanten Straßenbauwerks im Auenbereich von Brand- und Ebersbach wäre zu rechnen, 18 Hektar oder 180.000 Quadratmeter unvermehrbarer Boden würden inkl. Ausgleichsflächen der Landwirtschaft entzogen. Das Bündnis setzt als Alternative auf zukunftsweisende Verkehrssysteme, so z.B. die Stadtbahn nach Erlangen, mit Anbindung eines Taktbusses nach Forchheim. Denn nur diese bringt auch den Bürgern im Südteil von Neunkirchen durch die Reduktion des dort in den letzten fünf Jahren übermäßig gestiegenen Individualverkehrs (Quell-Ziel-Verkehr) eine spürbare Entlastung.

Verkehrssituation

Neunkirchen am Brand besitzt zur Umfahrung seines alten Ortskernes mit Tordurchfahrt bereits eine innerörtliche Umfahrung der Altstadt über die Friedhofstraße. Dort können sich LKW auf einer Länge von ca. 40 m bei einer Breite knapp 5,50 m nicht uneingeschränkt begegnen. Die Höchstgeschwindigkeit wurde deshalb auf 30 km/h festgeschrieben und auch für LKW-Begegnungsverkehr zugelassen. Zu Grunde liegt dafür die RASt 06 (Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen).

Die Engstelle liegt im Staubereich der einmündenden und nicht vorfahrtberechtigten Friedhofstraße zur Ortsausfahrt Richtung Forchheim (Forchheimer Straße). Von Forchheim kommend kann die Engstelle schlecht eingesehen werden. Situationsbedingt warten daher LKW quasi in der Engstelle, bis sie in die Vorfahrtstraße einbiegen können. Kommt es zum Begegnungsfall eines zu schnell einbiegenden Gegen-LKW, dessen Fahrer die Lage bis dahin nicht erkennen konnte, entstehen komplizierte Rangiersituationen. Das Problem wird meist durch illegales Auffahren auf den Gehweg „gelöst“.

Einfache Lösung des „Verkehrsproblems“ möglich

Dabei wäre es leicht möglich, die Forchheimer Straße bereits vor der Einmündung der Friedhofstraße auf 30 km/h zu begrenzen und die Vorfahrtstraße in die Friedhofstraße zu führen. Beide Maßnahmen lehnten Verantwortliche aus Neunkirchen bisher mit dem Hinweis “Zu viele Schilder“ ab. Auch ein einfacher Mittelstreifen in der Friedhofstraße wurde bisher nicht umgesetzt. Dieser würde alle Fahrer schon von vornherein an ein Fahren am äußersten rechten Fahrbahnrand erinnern.

Verkehrsaufkommen sinkt, Begegnungshäufigkeit sinkt

Gemäß bundesweiter Straßenverkehrszählung 2010 wurden in der Forchheimer Straße nur noch 75 LKW mit Hänger und Sattelzüge täglich ermittelt, gegenüber 119, die noch im Jahr 2005 festgestellt worden waren. Damit hat der Schwerlastverkehr in fünf Jahren um 37 % abgenommen (der Gesamtverkehr um 4%). Zur Rechtfertigung einer Westumfahrung war der Schwerverkehrt immer als Hauptbegründung angeführt worden.

Gleichzeitig bedeutet dies bei angenommenen 100 LKW mit Hängern und Sattelzügen in der Friedhofstraße eine maximale Begegnungshäufigkeit von 50 pro Tag oder im Mittel ca. zwei pro Stunde. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Begegnungen nun ausgerechnet stetig an der Engstelle ereignen, ist bereits heute gering.

Kommunale Sonderbaulast nicht gerechtfertigt

Die Richtlinien des Kommunalen Sonderbaulastverfahrens besagen, dass dieses nur eingesetzt werden kann, wenn damit ein Verkehrsproblem zu lösen ist. Um dies zu klären, waren Minister Herrmann, das Staatliche Bauamt und Kommunalpolitiker am 02.01.2012 vor Ort in der Friedhofstraße, um sich diese neue Begründung – ein Verkehrsproblem zu haben – gegenseitig zu bekräftigen.

Bei genauem Hinsehen besteht aber dieses Verkehrsproblem gar nicht. Die Rechtfertigung des Einsatzes der Kommunalen Sonderbaulast ergibt sich daher kaum – da das „Verkehrsproblem“ gering ist und darüber hinaus auf einfache Weise vermindert werden könnte. Hierzu müssten allerdings Freistaat und Kommune zusammenarbeiten.

Teure Zementierung einer Wunschidee

Ginge der Markt Neunkirchen über das „Zuckerla“ Anfinanzierung der Kosten der Planfeststellung ins Netz (ohne zu wissen wie hoch diese in Umplanungsfällen wirklich werden), müsste er diese zunächst einmal vorfinanzieren, mit der Aussicht 30 bis 80 % zum Realisierungsbeginn erstattet zu bekommen. Bei der völlig unsicheren Realisierungs- und Finanzlage kann dies möglicherweise viele Jahre dauern.

Bis dahin müsste der Markt auch alle entsprechenden Grundstücke für die Neubautrasse erworben haben. Zusätzlich bliebe ihm die Unterhalts- und Verkehrssicherungspflicht und der Winterdienst auf zehn Jahre.

In Anbetracht der Spar-Appelle des Bayerischen Rechnungshofs, Mittel vom Staatsstraßen-Neuausbau zum Fördern des Erhalts zeitnah umzuschichten, bis hin zur Ansage von Ministerpräsident Horst Seehofer, in Bayern bis 2030 schuldenfrei zu sein, erscheint die Angelegenheit als Politikum.