Sonntagsgedanken: Konkret handeln
Die Inder erzählen von einem Heiligen, der nach seinem Tod zum Lohn eine goldene Krone erhielt. Als er durch den Himmel spazierte, sah ermit Entsetzen, dass alle anderen Heiligen mit Juwelen besetzte Kronen trugen.
Da fragte er:“ Warum hat meine Krone keine Juwelen?“
Der Engel antwortete: „Weil Du keine gegeben hast. Diese Juwelen sind die Tränen, welche die heiligen auf Erden vergossen. Du hast keine Tränen geweint.“
„Wie konnte ich“, fragte der Heilige: „wo ich so glücklich war in der Liebe zu Gott und mich in die heiligen Texte versenkte?“
„Das ist viel“, sagte der Engel: „Hier ist Deine Krone, sie ist aus Gold. Juwelen sind nur für jene, welche weinten.“
Auf Gott vertrauen, den Gottesdienst, die kirchlichen Veranstaltungen besuchen, das gehört zum wahren Christ -Sein dazu, bildet Kraftquelle und Mittelpunkt christlichen Lebens, doch muss der Glaube auch im Alltag zu spüren sein. Wer seine Familie tyrannisiert, seine Kollegen mobbt, wer über Ausländer schimpft, wer kein Verständnis für die andern aufbringt, namentlich für die Schwachen, der darf sich auch nicht Christ nennen. Natürlich will ich niemanden unter Druck setzen, denn jeder muss selbst entscheiden, wie er seinen christlichen Glauben praktiziert. Doch das materielle, körperliche und seelische Elend der andern muss uns zu Herzen gehen und es genügt nicht, sich mit ein paar Euro an Spenden der konkreten Verantwortung zu entziehen. Fernstenliebe ist uns nicht aufgetragen, sondern Nächstenliebe. Alles Engagement und besonders alles vollmundige Phrasendreschen bleiben wertlos, ja unglaubwürdig, wenn ich mich nicht darum bemühe, den Mitmenschen zu verstehen, ihm konkret beizustehen, wo und wie ich es eben kann und will.
Vor Jahren konnte man mithin folgenden dramatischen Aufruf lesen, den Sie bitte nicht als Zwang missverstehen sollen:
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände,
um seine Arbeit heute zu tun;
er hat keine Füße, nur unsere Füße,
um Menschen auf seinen Weg zu führen.
Er hat keine Lippen, nur unsere Lippen,
um Menschen von seinem Tod zu erzählen;
er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe,
um Menschen an seine Seite zu bringen.
Wir sind die einzige Bibel,
die die Öffentlichkeit noch liest.“
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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