Sonntagsgedanken: Unsere Aufgabe

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

„Du bist widerlich!“ beschimpften die andern Möwen die Außenseiterin: „Alle stellen wir uns nebeneinander mit den Schnäbeln zum Wind. Nur Du allein machst es umgekehrt. Willst Du etwas Besseres sein?“ Die Außenseiterin litt unter diesen Angriffen, aber sie ließ sich nicht abbringen, denn sie hatte einen Grund für ihr Verhalten. Da schlich sich nämlich eine Katze heran, erspähte die Vögel, duckte sich eng an den Boden und… Während die andern alle aufs blaue Meer hinausschauten, sich den kühlen Wind um die Schnäbel wehen ließen, entdeckte nur die eine Möwe den nahenden Feind und krächzte so laut sie konnte: „Vorsicht, Feind!“ Da stoben die Möwen rasch auseinander und keine kam zu Schaden.

Auch wir Christen sehen die Gefahr, das Böse kommen, was unsere Zeitgenossen oft verdrängen, verharmlosen. Christen sind, wenn sie ihren Auftrag ernst nehmen, manchmal unbequeme Leute, die gegen den Strom schwimmen. Seit Jahrzehnten warnt unsere Kirche vor den wachsenden sozialen Gegensätzen in unserem Land, vor den verheerenden Auswirkungen eines schlechten Fernsehprogramms, verlangt von allen Beteiligten energisches Vorgehen gegen die Arbeitslosigkeit. Aber auch im persönlichen Umgang deckt der Glaube gut und böse auf: Untreue, Gier, Neid und Gleichgültigkeit vergiften das menschliche Zusammenleben. Doch nehmen die Zeitgenossen unseren Warnruf wahr? Haben wir so viel Erfolg wie die Möwe oder gelten wir nicht doch beim Durchschnittsmenschen als Spielverderber, als verklemmte Tugendbolzen?

Der Hauptzweck des Gottesdienstes, ja des christlichen Lebens insgesamt, besteht aber nicht im Moralisieren, sondern darin Gott von Herzen zu loben, ihm zu danken. Als 1975 das derzeitige katholische Gesangbuch entstand, erhielt es den bezeichnenden Titel „Gotteslob“. Danken fällt uns schwer, denn wir meinen, damit unsere Schwäche, unsere Abhängigkeit einzugestehen. Aber das Danken ist keine lästige, überflüssige Pflichtübung, sondern ganz selbstverständliche Reaktion auf etwas Gutes, das wir empfangen haben. Nur der Gedankenlose dankt nicht. Wer aber nachdenkt, wird danach danken für all das, was wir immer so hinnehmen, als sei es selbstverständlich.

Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de