Bernhard Ottinger und Anita Soergel bei den Kirchehrenbacher Kulturwochen
„Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt
Und manche Tanne ahnt wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird.“
Doch als das neufränkische Dialekt – Duett aus Fürth, das satirische Traumpaar Bernhard Ottinger und Anita Soergel im Kirchehrenbacher Gasthaus Sponsel ankommt, liegt ein grauer Spätherbstabend über dem Land. von Rainer Maria Rilkes adventlichen Verheißungen ist nichts zu spüren. Das passt zum Mysterienspiel „Advent, Advent, ka´ Lichtla brennt“, das auf dem Programm steht. Sein Thema: die Konsumzwänge, die der universelle Weihnachtsmarkt alle Jahre wieder ausübt. Aus der Demontage und Desillusion verkrampfter Feierlichkeit bezieht es seine Qualitäten.
Ottinger und Soergel haben nicht nur einen Teil ihrer Zuschauer mitgebracht, so dass die „gute Stube“ beim Sponsel fast voll wird, sondern auch die Requisiten, die man zur Improvisation einer Bühne benötigt. Und dann ist das traute Paar schon mitten im Weihnachtsrummel der Fürther Einkaufsmeile. Am Mittag des Heiligen Abends setzt der Endspurt ein. Die Menschen stauen sich vor den Wühltischen der Warenhäuser. Nicht nur bei Ottinger und Soergel ballen sich die Aggressionen. Statt Schnee rieselt es weihnachtliche Musik. Schwer bepackt kommt das Duo in seiner Wohnung an uns beginnt mit der Vorbereitung eines romantisch – gemütlichen Abends. Man gibt sich entspannt. Der Mann – inzwischen mit Bierflasche – erscheint in ausgebeulten langen Unterhosen, seine Gefährtin im Negligé, das frühbarocke Fleischproportionen andeutet. Weihnachten entscheidet sich bekanntlich unter dem Christbaum. Doch das Tännlein, das der Mann gekauft hat, ist ein Kümmerling. Es lohnt sich kaum, das mickrige Gewächs zu schmücken. Das ist die erste Enttäuschung für die Frau, viele andere tränenreiche werden folgen.
Ottinger und Soergel spielen begeisterndes Volkstheater, das aus der Situationskomik lebt und von Kalauern, die neben Kleeblättern wachsen. Mitschreiben würde sich lohnen. Aber die Pointen und Lachsalven kommen im Halbminutentakt. Leise Pfuirufe mischen sich allerdings in den Beifall, als sich Ottinger als glaubensstarker Anhänger der SpVgg Greuther Fürth bekennt und schon leicht angeheitert ein neues Volkslied vom Unterlauf der Pegnitz grölt ::
„Alle Jahre wieder / kommt der FCN / in die Zweite Liga…“
Der Sänger träumt davon, dass sein Verein nicht nur in die Bundesliga aufsteigt, sondern eines noch fernen Tages den FC Barcelona aus der Champions – League werfen wird, denn die Spanier würden das winzige Playmobil – Stadion nicht finden und den Spieltermin versäumen. Nach und nach schlagen die Desillusionen des trauten Paares in Aggressionen um bevor diese zum Ausbruch kommen – Pause auf der Bühne, Rauchpause im Hinterhof.
In der zweiten Hälfte kommt ein neuer Partner ins Spiel: das Telefon. Der erzwungene Kontakt mit den Verwandten ergibt beim weihnachtlichen Hochfest der Familien- und Harmonielügen beständigen Anlass für Verstellung, Täuschung und Klamauk.
Ottingers und Soergels effektvoll inszeniertes Lustspiel ist in seinem Hintergrund ein Trauerspiel: einsame Menschen in einer vom Warenfetischismus beherrschten radikalen Marktgesellschaft..
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