Sonntagsgedanken: Maria in lutherischer Sicht, Teil 1
Der Advent lädt uns ein, über Maria, die Mutter Jesu nachzudenken, die in der evangelischen Volksfrömmigkeit leider keine Rolle mehr spielt, während die römisch-katholische Kirche zahlreiche Marien-Feste feiert, die uns kaum dem Namen nach bekannt sind. Noch Martin Luther konnte ehrfürchtig von Maria reden, sie als Vorbild im Glauben preisen. In der Tat brauchen wir Zeugen Jesu, die uns das Evangelium einladend, glaubwürdig vorleben, ohne dass wir sie dabei vergöttern dürften, denn auch der frömmste Christ bleibt ein schwacher, fehlbarer Mensch.
Betrachten wir uns also Maria, die Mutter Jesu in evangelischer Freiheit, in evangelischer Nüchternheit:
Zunächst einmal sei betont, dass sie im Neuen Testament fast nur in der Weihnachtsgeschichte auftaucht, namentlich bei Lukas, während Matthäus das Geschehen aus der Sicht Josefs darstellt. Gott hat Maria auserwählt, nicht weil sie so fromm war, so attraktiv, so klug, so reich, sondern weil er es so wollte. Gott ist der HERR, nicht ich. Sein Wille soll geschehen, nicht meiner. Das zu akzeptieren fällt uns Menschen der Gegenwart schwer, die wir oft allzu selbstbewusst und ichbezogen auftreten. Es geht nicht immer so, wie ich das möchte. So mancher reagiert dann mit Frustration und Wut, ohne dass sich dadurch etwas ändern würde. Freilich möchte ich auch nicht behaupten, dass alles, was auf Erden geschieht, immer nach dem Plan Gottes abläuft. Er lässt uns die Freiheit zu tun, was wir wollen, und manches ist vielleicht wirklich Zufall.
Maria ließ an sich geschehen, was Gott mit ihr vorhatte, obwohl sie ihn nicht verstand, obwohl sie nicht wusste, was noch werden sollte. Sie ließ sich auf diesen Weg mit Gott ein. Sie war bereit, um Gottes willen die verwunderten Blicke ihrer Mitmenschen, ja deren Spott zu ertragen, denn bestimmt hat man ihr die Geschichte mit dem Erzengel nicht abgenommen, hat sie für eine Lügnerin, eine Angeberin gehalten.
Maria fragte kritisch nach, als sie die Prophezeiung erhielt. Wir dürfen also unseren Zweifel äußern. Das eigenständige, das kritische Nachdenken, auch der Zweifel, gehören zum Glauben dazu. Maria aber behielt die Worte Gottes in ihren Herzen und dachte fortwährend darüber nach: Es gilt also, nicht gleich vom Glauben abzufallen, wenn man Zweifel hegt, wenn etwas Unerklärliches, etwas Schlimmes geschieht. Wer Beweise verlangt, hat nichts verstanden. Beweisen lassen sich immer nur Nebensachen im Leben. Alles Entscheidende ist eine Sache der Entscheidung, des Vertrauens. Ich kann beweisen, dass 2 und 2 4 ergibt. Aber was bringt mir das? Die Frage, welchen Beruf ich ergreifen, welchen Partner ich heiraten soll, wo ich Trost finde im Unglück, was noch werden soll aus mir, aus meiner Familie, aus den Kindern und Enkeln, kann man mit klugen Argumenten nicht beantworten.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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