Leserbrief: "Basta“ ist von gestern – Kreisverkehr Emil-Kemmer-Straße in Hallstadt

leserbrief-symbolbild

Bezugnehmend auf:
Mein Offener Brief vom 4. September 2011
Ihr Schreiben vom 23. September 2011
Mein Offener Brief vom 13 November 2011
Ihr Schreiben vom 24. November 2011

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bürgermeister Zirkel!

Es fällt mir schwer, mich für Ihr jüngstes Antwortschreiben zu bedanken. In für Behörden leider nicht untypischer Basta-Manier formulieren Sie offensichtlich nach der Devise: „Argumente haben wir keine. Also argumentieren wir auch nicht.“

Von Fachbehörden, auf die Sie nach eigenem Bekunden „zugegangen“ sind, darf Fachkompetenz erwartet werden. Sollten diese mit der von Ihnen zu verantwortenden Gestaltung des Kreisverkehrs an der Emil-Kemmer-Straße insbesondere hinsichtlich des Radverkehrs tatsächlich einverstanden sein – das kann ich mir nur schwer vorstellen -, dürfte es mit dieser Kompetenz weder in verkehrlicher noch in juristischer Hinsicht weit her sein. Die eklatanten Verstöße gegen geltende Rechtsvorschriften (StVO, VwV-StVO), fachliche Empfehlungen (Bayerisches Staatsministerium des Innern, ERA 2010: lt. VwV-StVO zu beachten) und Erkenntnisse der Verkehrssicherheitsforschung lassen keinen anderen Schluß zu.

Demgegenüber erwartet das BayStMI: „Die Förderung des Radverkehrs erfordert … auch bei Kommunen, Baulastträgern und anderen mobilitätsbeeinflussenden Akteuren (Arbeitgeber, Einzelhandel etc.) ein umfangreiches Wissen um die umfangreichen Vorteile dieser Mobilitätsform. … Das Radfahren muss mit seinen zahlreichen positiven Aspekten noch mehr ins Bewusstsein der Bürger, der Verwaltung und der Politik gerückt werden. … Das Fahrrad soll als ein vollwertiges Verkehrsmittel neben den anderen Verkehrsmitteln Beachtung finden“ (Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, Mai 2010). Weiter führt es aus: „Der Zustand und die Qualität einer Radverkehrsanlage haben entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Oft ist es die Summe vieler Behinderungen und Unannehmlichkeiten, die die Aufmerksamkeit der Radfahrer zu stark in Anspruch nimmt (z.B. Mängel an der Oberflächenbeschaffenheit). Darunter leidet die Konzentration auf den Straßenverkehr.

Sie schreiben, Sie hätten „die Radwege im o. g. Bereich … nachgebessert“. Die Nachbesserung kann erst nach meinem Schreiben vom 13. November erfolgt sein, da sie zu dem Zeitpunkt jedenfalls nicht erkennbar gewesen ist. Ich habe jedoch ernsthafte Zweifel. Diese können Sie ausräumen, indem Sie die nachfolgenden, am Inhalt meiner o. g. Schreiben (zum Vergleich noch einmal beigefügt) orientierten Fragen in zufriedenstellender Weise beantworten:

Benutzungspflicht

Laut Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) dürfen, höchstrichterlich bestätigt, benutzungspflichtige Radwege „nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko … erheblich übersteigt“. Im vorliegenden Fall indes verursachen die Radwege eine solche Gefährdung erst.

  • Wurde die Anordnung der Benutzungspflicht zurückgenommen?

Lichte Breite, Linienführung

Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010), gemäß Allgemeiner Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu beachten, sehen eine Regelbreite des Fahrwegs für Einrichtungsradwege von 2 m vor, als Mindestmaß 1,60 m. Die seitlichen Sicherheitsräume kommen noch hinzu. Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern sieht in Übereinstimmung mit der entsprechenden Regelung der VwV-StVO in der lichten Breite von 1,50 m die „Untergrenze, nach der eine Radwegebenutzungspflicht gegebenenfalls noch vertretbar sein kann“ (Radverkehrshandbuch). Gleichzeitig verweist sie auf den Grundsatz: „Keine Kombination von Mindestmaßen!

Die VwV-StVO erfordert zwingend, daß „die Benutzung des Radweges nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist“. „Bauliche Radwege sollen zur Verbesserung der Sichtbeziehungen rechtzeitig (d.h. etwa 10 m vor dem Knotenpunkt) an den Fahrbahnrand herangeführt werden. Auch ein Übergang in einen Radfahrstreifen kann empfehlenswert sein“ (BayStMI).

Selbst die Aufhebung der Benutzungspflicht bedeutet nicht, daß auf die Erfüllung der geforderten Qualitätsstandards verzichtet werden darf: So „sollen nicht benutzungspflichtige Radwege die gleichen Qualitätskriterien hinsichtlich Breite, Oberflächengestaltung und Sicherheit in Knotenpunkten erfüllen – sie sind keine Radwege ‚2. Klasse’!“ (BayStMI).

  • Wurden Querschnitte und Linienführung der Radwege an die vorgeschriebenen Anforderungen angepaßt?
  • Wurde die Pflasterung durch eine Asphaltdecke ersetzt?
  • Wurden die zahlreichen Kanten zwischen Fahrbahn, Radweg und Mittelinseln geglättet?

Reisegeschwindigkeit

Zu den „wesentlichen Grundanforderungen für … Wege des Alltagsradverkehrs“ zählt das BayStMI „zügiges Vorankommen“. Es weist zudem darauf hin: „Die mit Elektromotor unterstützten Fahrräder (Pedelecs) erleben eine immer größere Verbreitung. … Die sich aus den höheren Fahr- bzw. Reisegeschwindigkeiten ergebenden Anforderungen werden bei der Planung von Radverkehrsanlagen zukünftig mehr an Bedeutung gewinnen. …

Die gebrauchsorientierten Kriterien für den Zustand der Radverkehrsanlage sind Oberflächenqualität und Linienführung. Hierzu zählen auch abgesenkte Borde und ausreichende Befahrbarkeit der Radien.

Als indirekte Indikatoren für die Qualität der Radverkehrsanlagen können z.B. die erreichbare Fahrgeschwindigkeit und die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit herangezogen werden.

Erheblichen Einfluss auf die Reisegeschwindigkeit haben Zeitverluste an Knotenpunkten und Querungen, z.B. bei indirekter Führung, Mittelinselquerungen, die ein Anhalten erfordern und bei langen Wartezeiten an Lichtsignalanlagen.

In Widerspruch hierzu unterbinden der alle einschlägigen Mindestmaße unterschreitende Querschnitt der Radwege am Kreisverkehr Emil-Kemmer-Straße, die überaus engen Kurvenradien, der je nach Fahrbeziehung bis zu viermalige Zwang zur Vorfahrtbeachtung (gegenüber nur einmaliger Notwendigkeit bei Einfahrt in den Kreis seitens des Kraftverkehrs) sowie die hohen Kanten an den zahlreichen Übergängen jegliches attraktive Vorankommen mit dem Rad.

  • Haben Sie – neben den bereits abgefragten Maßnahmen zu Querschnitt, Linienführung und Kanten – die Vorfahrtregelung derjenigen des Kraftverkehrs angepaßt?

Übergänge von Radweg auf Straße

Nachdem der Übergang Radweg / Fahrbahn zunächst in allen vier abführenden Straßen völlig ungesichert angelegt war, wurde später verschlimmbessert: Viel zu schmale „Schutz“streifen neben viel zu schmal verbliebenen Kfz-Spuren versetzen die Radfahrer/innen in ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Demgegenüber werden Kraftfahrer/innen – zugegeben: fälschlicherweise; aber das hilft verunfallten Pedalist/inn/en nachher auch nicht – häufig auf ihrem vermeintlichen Vorfahrtrecht bestehen. Gefährliche Situationen und Aggressionen werden an der Tagesordnung sein.

Aber auch Kraftfahrer/innen, welche den „Schutz“streifen nicht befahren, werden erfahrungsgemäß in den seltensten Fällen ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstand zu Radler/inne/n einhalten.

  • Haben Sie die beschriebene Situation durch entsprechende bauliche Maßnahmen und / oder Neuaufteilung der Fahrbahnfläche entschärft?

Grundstückszufahrt

Die Sichtbeziehung zwischen Radweg und Parkplatzausfahrt in der Emil-Kemmer-Straße, Fahrtrichtung Coburger Straße, war durch Werbeträger massiv behindert.

  • Haben Sie inzwischen veranlaßt, daß diese Sichtbehinderung dauerhaft beseitigt wird?

Fahrradstellplätze, Umlaufsperren

Weder die von mir bemängelten Fahrradstellplätze untersten Qualitätsniveaus noch die hinderlichen Umlaufsperren im Verlauf ausgewiesener Fahrradrouten, die ich über das Schwerpunktthema Kreisverkehr hinaus erwähnt hatte, haben sie mit auch nur einem Wort erwähnt. „Ausreichende und geeignete Parkmöglichkeiten sind ein Grundbestandteil der Radverkehrsinfrastruktur. Ein flächendeckendes Angebot von sicheren und komfortablen Fahrradabstellanlagen ist anzustreben. … Abstellanlagen sollen vor Diebstahl und Vandalismus schützen“, „Standsicherheit für Abstellanlage und Fahrrad müssen gewährleistet sein“. „Überdachte Abstellanlagen sind anzustreben“. Standorte sind u. a. an „Sport- und Freizeiteinrichtungen“, „für Mitarbeiter, Pendler in Betrieben und an Haltestellen (überdacht und sicher)“ sowie „für Kunden bei Geschäften (eingangsnah)“ vorzusehen. „Die Bayerische Bauordnung (BayBO) erlaubt es den Kommunen, Qualität und Anzahl von Fahrradabstellanlagen bei Neubauten“ und Änderungen „verbindlich zu regeln. … Fahrradabstellanlagen dienen neben dem Diebstahlschutz auch der … Standsicherheit des ruhenden Radverkehrs. Sie sollten gut sichtbar und leicht zugänglich sein. Eine feste Rahmenanschlussmöglichkeit ist allgemeiner Standard.

Hochwertige, ansprechende Gestaltungsformen steigern die Akzeptanz und verleihen der Bedeutung des Radverkehrs Ausdruck. …

Flächen für Fahrräder mit Anhänger (1,00 m x 1,60 m je Anhänger) bzw. für Dreiräder“ nicht nur „für Mobilitätseingeschränkte stellen eine sinnvolle Ergänzung dar“ (BayStMI: Radverkehrshandbuch).

Bezüglich des fließenden Radverkehrs erwartet das Ministerium die „radfahrgerechte Gestaltung von Pfosten und Umlaufschranken“, fordert gar, daß man für „eine qualitativ hochwertige Verdichtung des Radverkehrsnetzes … die Strecke von punktuellen Hindernissen (z.B. Poller, Schranken, Drängelgitter, Treppen) freihalten“ müsse.

Ihr Ignorieren dieser Themata paßt ins Bild, wie ich es eingangs skizziert hatte: Argumente fehlen, also wird geschwiegen – und nichts geändert. Eine sich am Gemeinwohl ausrichtende Behörde präsentierte sich stärker.

  • Oder sollten Sie wider Erwarten künftig Sorge für akzeptable, wenn nicht gar attraktive Fahrradstellplätze sowie hindernisfreie Fahrradrouten tragen wollen?

Schlußanmerkungen

Radverkehr kann nur dann effektiv und kostengünstig gefördert werden, wenn die Förderung systematisch und konsequent geschieht“, konstatiert das Bayerische Staatsministerium des Innern im Radverkehrshandbuch. „Dieses Handbuch soll allen Entscheidern und Handlungsträgern in der Verwaltung, in Landkreisen und Kommunen, in Planungsbüros und auch den haupt- und ehrenamtlichen Akteuren, die sich in Vereinen, Verbänden und Initiativen für den Radverkehr engagieren, als Nachschlagwerk dienen. Und es soll Anregungen für Verbesserungen und neue Wege geben. …

Wir wollen die Entwicklung des Fahrradverkehrs nicht dem Zufall überlassen, sondern für den Radverkehr eine positive Stimmung schaffen. Das Handbuch kennzeichnet einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Fahrradkultur hier im Freistaat Bayern.

Ich danke allen, die bei der Erstellung dieses Handbuches mitgewirkt haben. Mein Dank gilt den Mitgliedern des Runden Tisch Radverkehr, dem ADFC-Landesverband Bayern und den kommunalen Spitzenverbänden in Bayern, die sich gemeinsam mit der Staatsbauverwaltung der Förderung des Radverkehrs in besonderem Maße angenommen und dieses Handbuch mit entworfen haben“, schließt Innenminister Hermann in seinem Vorwort. Mit Ihrer Weigerung, Ihren Teil zu dieser neuen Fahrradkultur beizutragen, stellen Sie sich somit gegen Ihren eigenen Dachverband. Ihre Ablehnung der Hinzuziehung ehrenamtlichen Fach- und Sachverstands schon im Frühstadium der Planungen steht in krassem Widerspruch zum Verhalten des Ministeriums.

Somit appelliere ich noch einmal: Heben Sie zumindest die Benutzungspflicht dieser widersinnigen und hochgefährlichen Radwege am Kreisverkehr Emil-Kemmer-Straße auf! Wählen Sie den zukunftsfähigen Weg der Vernunft, fördern Sie den Radverkehr und stellen einen rechtsmäßigen und verkehrssicheren Zustand her!

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
Bamberg-Gaustadt