Fortsetzungsroman: “Mamas rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Teil 40

Die Sumpfeier

Mamas Rosa Schlüpfer

Mamas Rosa Schlüpfer

Kurz vor den Osterferien hatten die Bauernjungen wahre Kostbarkeiten in die Schule mitgebracht. Es waren hartgekochte Eier. Alle hatten welche dabei. Es schien eine Art Verabredung zu sein. Mit gelassener Selbstverständlichkeit trugen sie an diesem Tag ihre ausgebeulten Hosentaschen. Einige brachten so viele Eier mit, dass die Last ihre kurzen Hosen weit herunterzog und sie sich nur noch mit eigenartigem Gang fortbewegen konnten.

Schon vor dem Unterricht stopften sie sich ihre frisch geschälten Mitbringsel ganz in den Mund. Damit veranstalteten sie in dem hinteren Pausenhof bei den Aborten einen Weitspuckwettbewerb. Manche erschreckten sogar kreischende Mädchen, wenn sie ihren zerkauten Eierbrei mit furzähnlichen Geräuschen herausprusteten. Lehrerin Gröning rief sie ins Klassenzimmer und beendete damit das Treiben. Die Flüchtlingskinder hatten ihnen dabei verständnislos, zum Teil aber auch hilflos lachend zugeschaut.

Nach der Schule gingen die Bauernjungen dann zur Brachwiese, die neben dem Schulhaus lag. Sie war klitschnass und auch der Boden war inzwischen durch den Dauerregen der letzten Tage schon breiig geworden. Erst jetzt merkten Mill und Jank, worum es dabei gehen sollte.

Jeder hatte seinen Munitionsvorrat am Wiesenrand abgelegt. Danach streiften sie noch Schuhe, Sandalen und Strümpfe ab. Auf ein Kommando warf jeder der Jungen die Eier, so weit er konnte, in die vollgesogene Wiese. Jetzt erst durften alle hineinrennen und so viele Eier aufsammeln, wie sie ergattern konnten. Der durchweichte Boden hatte die Wurfgeschosse heil landen lassen.

Was den Bauernjungen als Spaß und Sport galt, war für die beiden Brüder ein heißes Rennen um eine begehrte Kostbarkeit. Mill und Jank lauerten zuerst, wo der größte Teil des Eierhagels landete. Dann rannten sie gierig los. Für die meisten war der Spaß schon nach kurzer Zeit vorbei. Sie aber durchsuchten die Wiese noch, nachdem die Werfer längst wieder Strümpfe und Schuhe angezogen hatten und nach Hause gegangen waren. Mill war stolz auf seine zehn verschmierten Fundstücke. Teilweise hatte er sie aus tiefen Einschlaglöchern herausgepult. Janks Ausbeute war mehr als das Doppelte. Außerdem hatte er seinen Fang schon im nassen Gras saubergewischt.

Der Weg zurück durch das Dorf war kein Triumphzug. Ohne Worte wurde ihnen klar, dass sie ja eigentlich wie die Wilden dem Abfall der Bauernjungen hinterher gejagt waren. Jank verstaute seine Beutestücke unter dem Pullover. Wenn sie dann beim Gehen verräterisch aneinander klackerten, fühlte er die Augen des ganzen Ortes auf sich gerichtet. Mills unbeholfener, eckiger Gang machte den Weg zum Lettauhof für ihn auch zu einem Spießrutenlauf. Die Dorfstraße war leer. Hinter allen Fenstern und Gardinen wären die Eierwerfer versteckt, so fürchteten beide. Natürlich würden die heimlich über sie lachen.

***

„Jeduttnee, da draus mach ich ja glatt zwei große Gläser Soleier.“