Banken und Biodiversität: Zwischen Risikovermeidung und ökologischer Verantwortung

Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten trägt weltweit erheblich dazu bei, dass Ökosysteme so funktionieren, wie die Menschen es von ihnen erwarten – angefangen von der Trinkwasserversorgung bis hin zum Schutz vor einer Erosion der Böden. Daher ist nicht allein in der Öffentlichkeit und der Politik, sondern auch in manchen Wirtschaftszweigen das Interesse am Thema „Biodiversität“ gewachsen. Gilt das ebenso für Banken? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Studie von Prof. Dr. Thomas Koellner, Professor für Ecological Services an der Universität Bayreuth, und Ivo Mulder, der in Genf für das internationale Umweltprogramm „UN Environment Programme – Finance Initiative (UNEP FI)“ arbeitet.

Für ihr Forschungsprojekt haben die beiden Wissenschaftler 50 weltweit agierende Banken daraufhin untersucht, wie sie das Thema „Biodiversität“ in ihre Geschäftstätigkeit einbeziehen. Dabei haben sie eine Vielzahl öffentlich zugänglicher Informationsquellen ausgewertet. Die so ermittelten Daten haben sie in einen detaillierten Fragebogen eintragen, der anschließend von den Banken – in der Regel von Mitarbeitern des Managements – ergänzt und wo nötig korrigiert wurde. Telefonate mit Führungskräften vervollständigten die Angaben. So wurde im Verlauf der Untersuchung immer deutlicher, inwieweit die Banken sich der Herausforderung stellen, ihrerseits zum Erhalt der Artenvielfalt beizutragen.

Von den Banken, die an der Studie teilgenommen haben, sind gut die Hälfte (51 Prozent) der Auffassung, dass ihre Geschäftsstrategie einen indirekten Einfluss auf Biodiversität hat. Fast ein Drittel (31 Prozent) erklären, dass es für diese Thematik eine definierte Zuständigkeit auf der Managementebene gibt. Aber sobald es um konkrete Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt geht, sinken die Zahlen deutlich. Nur 21 Prozent der befragten Banken sind der Meinung, dass ihnen hinreichende Instrumente zur Verfügung stehen, um Kreditnachfragen oder Investitionsvorhaben unter dem Aspekt der Biodiversität zu überprüfen. Und nur 8 Prozent setzen derartige Instrumente tatsächlich ein.

„Diese Ergebnisse können einerseits als Indizien dafür gewertet werden, dass weltweit agierende Banken zunehmend für ökologische Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit sensibilisiert sind“, erklärt Koellner. „Andererseits wird deutlich, dass die meisten Banken erst allmählich beginnen, aus dieser Einsicht praktische Konsequenzen zu ziehen. Es wird voraussichtlich noch eine Weile dauern, bis sie geeignete Verfahren entwickelt haben, die es ihnen ermöglichen, den Schutz der Artenvielfalt auf systematische Weise in Entscheidungen über Kredite und Investitionen einzubeziehen.“

Die derzeit noch spürbare Zurückhaltung der Banken ist hauptsächlich darin begründet, dass es für sie nur wenige ökonomische Anreize gibt, auf den Erhalt der Artenvielfalt Rücksicht zu nehmen. Wie die Umfrage gezeigt hat, liegt ein vergleichsweise starker ökonomischer Anreiz in der Befürchtung, ein mit Krediten gefördertes Unternehmen sei zur Rückzahlung nicht mehr in der Lage, wenn es für Umweltschäden haften müsste oder zu hohen Geldstrafen verurteilt würde. „Die globale Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass Banken, Investoren und Ratingagenturen die in Schuldverschreibungen und Derivaten lauernden Risiken nicht in vollem Umfang verstehen. In ähnlicher Weise ist unklar, wie sich gestörte Ökosysteme und ein Rückgang der Artenvielfalt auf Unternehmen auswirken, die von Banken Kredite oder Investitionsgelder erhalten. Die hierin versteckten Risiken zu identifizieren und so präzise wie möglich einzukalkulieren, ist für die Banken von herausragender Bedeutung“, meint Mulder mit Blick auf die bisherigen Forschungsarbeiten.

Insgesamt gesehen ist die Absicht, Imageschäden zu vermeiden, die stärkste Motivation dafür, dass die befragten Banken das Thema „Biodiversität“ in ihrer Geschäftstätigkeit berücksichtigen. Fast ebenso stark wie die Sorge um das eigene Ansehen ist allerdings die ethische Motivation, in ökologischer Hinsicht verantwortungsvoll zu handeln. „Insofern gibt unsere Untersuchung durchaus auch einen Anlass zu vorsichtigem Optimismus“, bemerkt Koellner. „Nicht wenige Banken scheinen derzeit gewillt zu sein, ökologische Aspekte in ihre Unternehmensethik einzubeziehen – auch unabhängig davon, ob daraus ein unmittelbarer ökonomischer Nutzen entsteht.“

Veröffentlichung:

Ivo Mulder and Thomas Koellner,
Hardwiring green: how banks account for biodiversity risks and opportunities,
In: Journal of Sustainable Finance and Investment 1, 2011, pp. 103 -120