Leserbrief: "Alle sind im Bilda in Bamberg und in Schilda"
3. Bamberger Verkehrsbilderrätsel
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Bamberg steckt voller Rätsel, wen sollte das angesichts der langen Stadtgeschichte verwundern? Einige dieser geheimnisumwitterten Ungewißheiten aber sind jüngeren Datums. In der Kommunalverwaltung scheint eine gewisse Neigung zu unklaren Verhältnissen zu bestehen.
Ein erneuter Beleg dieser Vorliebe findet sich in der Friedrichstraße:
Hinter der Einmündung der Schützenstraße ist in Fahrtrichtung Wilhelmsplatz nebenstehende Beschilderung angebracht. Dem/der geneigten Verkehrsteilnehmer/in obliegt, die Intention der für die Verkehrslenkung Verantwortlichen so zu interpretieren, daß sie sich korrekt verhalten.
Der Polizei obliegt, die Intention der für die Verkehrslenkung Verantwortlichen so zu interpretieren, daß sie die Verkehrssicherheit unter Beachtung der Rechte der Verkehrsteilnehmer/innen gewährleistet.
Welche für die Gewährleistung der Verkehrssicherheit und das korrekte Verhalten der Verkehrsteilnehmer/innen relevanten Informationen beinhaltet die abgebildete Beschilderung?
1. Auf Grund der angekündigten Verengung der Fahrbahn ist mit Behinderungen durch Gegenverkehr zu rechnen. Die Fahrweise ist hierauf einzustellen.
2. Auf Grund der Verengung des Radwegs ist mit Radfahrer/inne/n, welche die Fahrbahn queren wollen, zu rechnen.
3. Auf Grund der Verengung des Radwegs ist mit Radfahrer/inne/n, welche auf die Fahrbahn wechseln wollen, zu rechnen.
4. Radfahrer/innen müssen den Radweg trotz der Verengung benutzen.
5. Radfahrer/innen dürfen zwischen Benutzung des Radwegs und der Fahrbahn wählen.
6. Radfahrer/innen müssen den (für sie linksseitig der Fahrbahn gelegenen) Radweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite benutzen.
7. Radfahrer/innen dürfen den (für sie linksseitig der Fahrbahn gelegenen) Radweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite benutzen.
8. Radfahrer/innen müssen den Gehweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite benutzen.
9. Radfahrer/innen dürfen den Gehweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite benutzen.
Zu Antwort 1:
Verkehrszeichen 121 (einseitig verengte Fahrbahn), durch welches sinnvollerweise „verdeutlicht wird, wo die Gefahr zu erwarten ist“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung – VwV-StVO), beinhaltet genau dies: Es mahnt „zu erhöhter Aufmerksamkeit, insbesondere zur Verringerung der Geschwindigkeit im Hinblick auf eine Gefahrensituation“ (StVO). Nur: Im Gültigkeitsbereich des Zeichens, also bis zur nächsten Kreuzung / Einmündung (Herzog-Max-Straße, Luisenstraße), existiert, deutlich erkennbar, gar keine linksseitige Verengung. Der Sinn dieser Beschilderung bleibt im Dunkeln.
Zu Antworten 2 und 3:
Selbstverständlich ist auf Grund der Verengung des Radwegs mit Radfahrer/inne/n, welche die Fahrbahn queren bzw. auf sie wechseln wollen, zu rechnen. Die Beschilderung jedoch verweist einerseits auf weiterhin bestehende Benutzungspflicht des verengten Radwegs und andererseits auf die Existenz eines benutzungspflichtigen, (irgendwo) links gelegenen Radwegs. Zwischen diesen dürften die Pedalist/inn/en wählen.
Problem: Es gibt links nirgendwo eine Verkehrsfläche, die als Radweg ausgewiesen oder auch nur ausdrücklich für Radverkehr freigegeben wäre.
Um vor Radfahrer/inne/n, welche die Fahrbahn queren oder auf sie wechseln wollen, zu warnen, wäre ggf. Verkehrszeichen 138 (Gefahrzeichen „Radfahrer“: Symbol im rot umrandeten Dreieck) zu verwenden. „Das Zeichen ist nur dort anzuordnen, wo Radverkehr außerhalb von Kreuzungen oder Einmündungen die Fahrbahn quert oder auf sie geführt wird und dies für den Kraftfahrzeugverkehr nicht ohne Weiteres erkennbar ist“ (VwV-StVO).
Zu Antwort 4:
In der Tat ordnet Zeichen 237 (Radweg) die Benutzungspflicht für den ausgewiesenen Radweg an. Allerdings darf die Anordnung nur in Ausnahmefällen erfolgen. Denn „Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist“ (StVO). So „dürfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs“, also auch das mit der Radwegbenutzungspflicht verbundene Verbot, mit dem Fahrrad die Fahrbahn zu benutzen, „nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko … erheblich übersteigt“ (ebd.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az. BayVGH 11 B 08.186) sowie das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz (Az. 3 C 42.09) haben dies höchstrichterlich bestätigt.
„Ist aus Verkehrssicherheitsgründen die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht mit den Zeichen 237, 240 oder 241 erforderlich, so ist sie“ nur dann (!) „, wenn nachfolgende Voraussetzungen erfüllt sind, vorzunehmen. Voraussetzung für die Kennzeichnung ist, daß … die Benutzung des Radweges nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist. Das ist der Fall, wenn er … ausreichend breit, befestigt und einschließlich eines Sicherheitsraums frei von Hindernissen beschaffen ist. … Die lichte Breite … soll … durchgehend betragen: … – baulich angelegter Radweg möglichst 2,00 m“, „mindestens 1,50 m“ (VwV-StVO; die Aufzählung der Kriterien ist nicht vollzählig). Die Maße „entsprechen der Untergrenze, nach der eine Radwegebenutzungspflicht gegebenenfalls noch vertretbar sein kann“ (Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern). Im vorliegenden Fall ist der anfängliche Durchlaß nicht einmal 50 cm breit, der Radweg weist im folgenden schon ohne baustellenbedingte Beeinträchtigung eine Fahrwegbreite von nur 98 cm auf. „Ziel muss es sein, die zuführende Radverkehrsführung auch im Baustellenbereich – wenn auch mit Beeinträchtigungen – fortzuführen“ (ebd.) – im vorhergehenden Straßenabschnitt ist der Radweg nicht benutzungspflichtig.
„Folgende Mindestbreiten sollten für Radverkehrsanlagen auch im Baustellenbereich vorhanden sein: Radweg = 1,00 m … Können Mindestmaße nicht eingehalten werden, sind andere Lösungen, gegebenenfalls begleitet von Geschwindigkeitsbeschränkungen, erforderlich“ (ebd.).
Es stellt sich allerdings ein grundlegendes Problem: Selbst, wenn die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht offensichtlich rechtswidrig ist, muß sie befolgt werden. Betroffenen Radfahrer/inne/n steht der Rechtsweg – gegen jede einzelne Anordnung gesondert!!! – offen. Das vorstehend erwähnte Urteil erforderte eine Verfahrensdauer von acht Jahren. Ungeachtet seiner grundsätzlichen Bedeutung ignorieren viele Verkehrsbehörden, auch in und um Bamberg, die Rechtslage weiterhin, keine Aufsichtsbehörde schreitet ein – der Rechtsstaat führt sich selbst ad absurdum. Radler/innen können sich allenfalls auf etwaige objektive Unbenutzbarkeit berufen. Doch selbst bei Glassplittern, schlimmsten Schlaglöchern und bspw. durch Falschparker/innen verstellten Radwegen haben Polizeibeamte schon das Befahren der Fahrbahn untersagt. Zwar kann man sich nachträglich beschweren, mit welchem Erfolg auch immer. Doch „Weisungen der Polizeibeamten sind“ zunächst einmal „zu befolgen. Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor, entbinden den Verkehrsteilnehmer jedoch nicht von seiner Sorgfaltspflicht“ (StVO). Der Beamte ist somit u. U. von der Verantwortung für etwaige Folgen seiner Weisung freigestellt.
Zu Antwort 5:
Zeichen 237 (Radweg) läßt diese Wahl definitiv nicht. Die zu enge Zufahrt auf den Radweg bietet allenfalls an, sich auf die objektive Unbenutzbarkeit zu berufen.
Zu Antworten 6 und 7:
Wenngleich Zeichen 237 (Radweg) mit dem darunter angebrachten Pfeil nach links dies nahelegt, fallen diese Möglichkeiten aus. Denn es gibt keinen Radweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite.
Zu Antworten 8 und 9:
Wenn Radfahrer/innen den Gehweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite benutzen wollten, dürften sie dies allenfalls schiebenderweise. Denn zum Radfahren ist der Gehweg nicht freigegeben. Doch „Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen, müssen die Fahrbahn benutzen, wenn sie auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen die anderen Fußgänger erheblich behindern würden“ (StVO). Ist das Schieben des Fahrrads auf der Fahrbahn sicherer als das Fahren?
„Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr“ (einschließlich Fuß- und Radverkehrs) „auswirken, müssen die Unternehmer … von der zuständigen Behörde Anordnungen … darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr“ (einschließlich Fuß- und Radverkehrs) „, auch bei teilweiser Straßensperrung“ (Rad- und Gehweg sind Teile der Straße) „, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen“ (StVO). Rätselhafte, widersprüchliche und / oder rechtswidrige Beschilderungen liegen somit in der Verantwortung sowohl der Bauunternehmen, welche die behördlichen Anordnungen auszuführen haben, als auch der Verkehrsbehörden, welche diese Anordnungen treffen und ihre Befolgung kontrollieren müssen. Die Vielfalt und Häufigkeit der Verstöße gegen geltendes Recht lassen nicht unbedingt auf Sorgfalt schließen. Oder sollten tatsächlich die erforderlichen Kenntnisse fehlen? Wird in der Ausbildung vielleicht (fast) ausschließlich Autoverkehr gelehrt, so daß die Befassung mit Fuß- und Radverkehr zu Überforderung führt?
Ach ja, Radverkehr: „Die Straßenverkehrsbehörde, die Straßenbaubehörde sowie die Polizei sind gehalten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Radverkehrsanlagen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen und den Zustand der Sonderwege zu überwachen“ (VwV-StVO). Der Gedanke, sie nähmen ihre Aufgabe wahr, drängt sich nicht zwangsläufig auf.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Bönig
Neueste Kommentare