Konjunktur im oberfränkischen Handwerk – gute Stimmung, aber mittelfristig Skepsis
Repräsentativumfrage unter 528 oberfränkischen Handwerksbetrieben mit 7.742 Beschäftigten
Nein, jetzt gleich geht’s nicht. Ich muss noch schnell mit meinem Architekten sprechen, ich ruf Sie gleich zurück. Bauunternehmer Heinz Vogel aus Unterzettlitz im Landkreis Kulmbach ist abends um 5 noch voll in Action. 10 Baustellen betreut er momentan parallel, große und kleine, angefangen bei der Sanierung einer Werkstatt für psychisch Kranke über den Rohbau eines Einfamilienhauses, eine Kellersanierung und heute noch dazugekommen einen Wasserrohrbruch, der natürlich sofort behoben werden musste.
Beim 2. Anruf klappt es, aber lange dürfen wir nicht stören „Um fünf Uhr ist bei uns nicht einfach Schluss. Wir richten uns nicht nach der Uhr, sondern nach dem, was heute noch gemacht werden muss“. Nämlich die Arbeitsvorbereitung für morgen, Material, Werkzeuge und Fahrzeuge müssen eingeteilt werden, sonst wäre das Chaos morgen früh vorprogrammiert. Und es ist noch eine Eilanfrage eines Kunden für einen Umbau dazu gekommen, für den kurzfristig ein Angebot erstellt werden muss.
Also, machen wir schnell. Das Bauunternehmen, das 25 Mitarbeiter beschäftigt, ist sehr gut ausgelastet, auch in den nächsten Wochen. Und daran, so Vogel, wird sich bis Ende der Saison auch nichts ändern. Heinz Vogel sieht dafür zwei Gründe: „Das Konjunkturpaket der Bundesregierung und der Trend, dass immer mehr Hausbesitzer lieber in ihr Haus investieren, als ihr Geld irgendwo anzulegen. Wir spüren, dass die Menschen hier Angst haben, und lieber auf Sicherheit und Wertbeständigkeit gehen“.
Die Situation des Bauunternehmens spiegelt die aktuelle Lage des Handwerks in Oberfranken wider, so HWK-Präsident Thomas Zimmer. „Die Geschäftslage im oberfränkischen Handwerk stabilisiert sich auf hohem Niveau, das zeigen auch die Ergebnisse unserer neuen Konjunkturumfrage zum III. Quartal 2011. 89,5% der Betriebe bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut (52,5%) und befriedigend (37%). Der Saisonwert hat sich damit gegenüber dem herausragenden II. Quartal 2011 nur leicht verringert und liegt nach wie vor deutlich über den sonst üblichen Bewertungen (III. Quartal 2010: 85,5%).
„Die gute Einschätzung der Betriebe zeigt, dass die Turbulenzen an den Finanz- und Bankenmärkten bislang keine Einflüsse auf das reale Geschäftsgeschehen haben“, so HWK- Hauptgeschäftsführer Thomas Koller. Besonders wichtig ist Koller auch der Trend, dass mit der sehr guten Auslastung stabile Beschäftigungsverhältnisse im Handwerk einher gehen. 74% der befragten Betriebe konnten die Zahl ihrer Beschäftigten halten und 18% der Betriebe berichten sogar von steigenden Mitarbeiterzahlen. „Damit zeigt sich erneut, dass das Handwerk in Oberfranken nachhaltig zur Stabilisierung des regionalen Arbeitsmarktes beiträgt.“
Im Bau- und Ausbaugewerbe bleibt die Konjunktur also stabil, in den Ausbauhandwerken werden die Ergebnisse des Vorquartals sogar noch übertroffen. Energiemodernisierung ist mehr als ein Trend, 94,5% der Betriebe beurteilen ihre Geschäftslage als gut und befriedigend. In beiden Gewerbegruppen blicken die Betriebe auch positiv in die nächsten Monate. Für das nächste Jahr ist Heinz Vogel verhalten optimistisch. „Die Nachfrage aus dem privaten Wohnungsbau wird auf hohem Niveau bleiben. Allerdings ist zu befürchten, dass durch das Auslaufen der Konjunkturprogramme vor allem aus dem öffentlichen Bereich weniger Aufträge kommen.“
Auch in den anderen Handwerksbereichen sieht es kaum anders aus. Insgesamt berichten 83,5% der Betriebe von überdurchschnittlichen oder normalen Auftragsbeständen und einer hohen Auslastung. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung der Betriebe liegt bei 79% und damit so hoch wie im II. Quartal 2011.
Die Lage im Nahrungsmittelhandwerk hat sich gegenüber dem II. Quartal 2011 und dem Vorjahresquartal nicht mehr weiter verbessert. 88% der Betriebe berichten von einer guten und befriedigenden Geschäftslage (II. Quartal 2011: 91,5% / III. Quartal 2010: 94%). Zwar melden noch 80,5% der Betriebe gestiegene oder konstante Umsätze. Für die kommenden Monate rechnen aber ein Viertel der Betriebe mit sinkenden Umsätzen (III. Quartal 2010: 17,5%).
Die Geschäftslage bei den Gesundheitshandwerken schwächt sich ab, befindet sich aber auf dem Niveau der letzten Jahre. Nur noch 60% der Gesundheitshandwerke berichten aktuell von einer guten und befriedigenden Geschäftslage (Vorquartal 82%). Dennoch rechnen 89% der Betriebe mit gleichbleibenden oder gar steigenden Auftragseingängen im nächsten Quartal.
Optimistische Erwartungen für die kommenden Monate – mittelfristig nimmt Skepsis zu
Für das kommende Quartal sind die Betriebe weiterhin optimistisch, sehen allerdings auch Risiken. Insgesamt rechnen 87% der Befragten bis zum I. Quartal 2012 mit einer zufriedenstellenden oder guten Geschäftssituation (III. Quartal 2010: 85%). Die Mitarbeiterzahl wollen die Betriebe weiter stabil halten (78%) oder sogar weiter ausbauen (9%). 21,5% der Handwerksbetriebe rechnen auch mit steigenden und 55% mit konstant bleibenden Umsätzen.
Mit Blick auf die Finanzmärkte sind die Unternehmen aus dem Zulieferhandwerk skeptischer, was die Zukunft betrifft. Aktuell berichten 92% der Betriebe von einer guten und befriedigenden Geschäftslage (Vorquartal: 96,5%). Mit Blick auf die Geschäftsentwicklung in den nächsten drei Monaten rechnen nur noch 74,5% der Betriebe mit steigenden oder gleichbleibenden Auftragseingängen.
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