Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik: "Handlungsfeld und Lebenselixier"

Als „dritte Säule“ der deutschen Außenpolitik wurde sie einst von Willy Brandt bezeichnet: die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, die ebenso wie die Sicherheits- und die Außenwirtschaftspolitik an der Gestaltung internationaler Beziehungen wesentlich mitwirkt. Sie bildet das Untersuchungsfeld einer jetzt als Buch erschienenen Forschungsarbeit von Dr. Gerd Ulrich Bauer, Dozent für Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth.

Im Mittelpunkt der Studie stehen nicht allein staatliche Organe, sondern ebenso – und darin liegt ihre Besonderheit – einige herausragende Persönlichkeiten, die sich an verantwortlicher Stelle für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland engagiert haben: so intensiv und erfolgreich, dass dieses Berufsfeld zum persönlichen „Lebenselixier“ wurde.

Ein weites Feld auch für kulturwissenschaftliche Ansätze

Dabei will Bauer keineswegs an die Tradition einer biographisch orientierten Geschichtsschreibung anknüpfen. Seine Untersuchung zielt vielmehr darauf ab, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik für neue Forschungsansätze zu erschließen. „Die Literatur zu diesem Politikfeld ist außerordentlich weitverzweigt. Oft verschwimmen die Grenzen zwischen wissenschaftlichen, journalistischen und literarischen Texten“, erklärt Bauer, der seiner Studie einen umfassenden Bericht über die bisherige Forschungsliteratur vorangestellt hat. „In den letzten Jahrzehnten haben sich vor allem die Sozial- und Geschichtswissenschaften mit der Auswärtigen Kulturpolitik befasst. Doch auch kultur- und handlungswissenschaftlich orientierte Untersuchungen können, da bin ich mir sicher, hochinteressante Beiträge liefern. Denn sie würden nicht zuletzt die individuellen Akteure mit ihren jeweiligen biografischen Prägungen stärker in den Blick nehmen.“

Lebensgeschichte und Politik: Gespräche mit drei herausragenden Diplomaten

Zuständig für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist das Auswärtige Amt, genauer: die Abteilung „Kultur und Kommunikation“. Drei Persönlichkeiten, die im Verlauf von zwei Jahrzehnten die Abteilung geleitet und aktiv weiterentwickelt haben, wurden von Bauer als Interviewpartner ausgewählt. Dr. Hans Arnold (geb. 1922; Kulturabteilungsleiter von 1972 bis 1977), Dr. Barthold C. Witte (geb. 1928; 1982 bis 1991) und Dr. Lothar Wittmann (geb. 1933; 1991 bis 1995) berichteten über Erfahrungen und Ereignisse während ihrer Amtszeit, aber auch über den Lebensweg, der sie ins Auswärtige Amt geführt hat.

Zahlreiche Gesprächsausschnitte werden in der Studie in transkribierter Form wörtlich zitiert. Das in dieser Weise aufgezeichnete Redeverhalten lässt – über die Sachinformationen hinaus – die verschiedenen individuellen Haltungen erkennen, mit denen die drei Diplomaten sich für internationale Kulturbeziehungen eingesetzt haben. Sie konnten in der Kulturpolitik eigene Akzente setzen und sich als autonome Akteure bewähren, waren aber zugleich in einen von der westdeutschen Nachkriegsentwicklung geprägten Handlungsrahmen eingebunden. Lebensgeschichtliche Erzählungen und politisch-historische Dimensionen sind daher in den Interviews unauflöslich verwoben.

Vom ständigen Wissensverlust bedroht

Die Studie bleibt aber nicht bei einer Darstellung beruflicher und lebensgeschichtlicher Erfahrungen stehen. Ausgehend von den drei Porträts und im Rückgriff auf die Forschungsliteratur arbeitet Bauer einige übergreifende Merkmale heraus, die für das „Handlungsfeld“ der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik charakteristisch sind. Es handelt sich um einen Politikbereich, der in vergleichsweise geringem Maß von verlässlichen Regeln, Strukturen und Organisationsprinzipien bestimmt ist. Bildung, Charakter und Lebenserfahrung – das wird in der Studie deutlich – lassen sich gerade in diesem Politikfeld nicht durch die Aneignung diplomatischer Normen ersetzen. Daher ist dieser Politikbereich von einem ständigen Wissensverlust bedroht. Weil die Leitung der Abteilung „Kultur und Kommunikation“ oft nach wenigen Jahren wechselt und auch die Diplomaten des Auswärtigen Amtes häufig versetzt werden, bleibt wenig Zeit, um erworbene persönliche Erfahrungen an die Nachfolger weiterzugeben.

Das für den diplomatischen Dienst charakteristische Rotationsprinzip bedeutet einen häufigen Wechsel nicht nur des Tätigkeitsorts im In- und Ausland, sondern auch zwischen verschiedenen Fachabteilungen. Deshalb ist eine fachliche Spezialisierung, beispielsweise auf den Kultur- und Bildungsbereich, eher untypisch. Und doch haben die drei ausgewählten Gesprächspartner gerade in diesem Feld deutliche Spuren hinterlassen.

„Konzeption 2000“: Ein wegweisendes Leitprogramm

Indem die Studie die Entwicklung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands von der Reichsgründung 1871 bis in die Gegenwart hinein nachzeichnet, führt sie die sehr unterschiedlichen historischen Prägungen vor Augen, die dieses Politikfeld durchlaufen hat. Die jüngste Zäsur ist die „Konzeption 2000“, die ein erstes umfassendes Leitprogramm für die kulturelle Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland darstellt und ihrerseits an die Reformbestrebungen der 1970er Jahre anknüpft. Demokratieförderung, Verwirklichung der Menschenrechte, Armutsbekämpfung, Teilhabe am wissenschaftlichtechnologischen Fortschritt und Schutz der natürlichen Ressourcen werden darin als Leitziele bestimmt, denen die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist.

„In der Praxis bedeutet dies, dass die verantwortlichen Diplomaten noch stärker als in der Vergangenheit Kontakte zu Angehörigen des Ziellandes aufbauen und pflegen müssen. Zu diesen Ansprechpartner gehören nicht zuletzt die Absolventen deutscher Hochschulen, die nach ihrem Studium in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind und hier in unterschiedlichen Berufsfeldern als Multiplikatoren wirken“, erläutert Dr. Gerd Ulrich Bauer, der sich an der Universität Bayreuth derzeit für den Aufbau eines westafrikanischen Alumni-Netzwerks im Bereich der Germanistik einsetzt.

Veröffentlichung:

Gerd Ulrich Bauer,
Auswärtige Kulturpolitik als Handlungsfeld und „Lebenselixier“.
Expertentum in der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik und der Kulturdiplomatie.
München 2011, 279 S.