Fortsetzungsroman: “Mamas rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Teil 36

Mamas Schlüpfer sind tabu

Mamas Rosa Schlüpfer

Mamas Rosa Schlüpfer

Hedwig hatte hinter der Scheune ein paar Meter Wäscheleine gespannt. Jetzt stand sie in der dampfigen Waschküche. In dem großen Holzzuber war ein Teil davon über Nacht in der Schmierseifenlauge eingeweicht worden. Jetzt holte sie sich Stück für Stück mit einem Besenstielrest aus der grauen Schmutzbrühe und beförderte es in den großen Waschkessel. Hans hackte Brennholz, das seine jüngeren Brüder dann in die Waschküche trugen und an der Wand aufstapelten. Das Holzfeuer unter dem Kessel war schon richtig in prasselnde Fahrt gekommen.

War die Wäsche gekocht, dann holte sie wieder jedes Stück mit dem Stock aus der noch brodelnden Seifenlava und ließ es in einen zweiten Zuber fallen. Mit Waschbrett, Wurzelbürste und Kernseife ging sie jetzt den hartnäckigen Flecken an den Kragen. Klares Wasser stand zum Spülen in einer großen Blechwanne bereit. Die Söhne hatten dafür den Pumpendienst zu übernehmen. Jedes Stück musste Hedwig einzeln mit ihren Händen auswringen und ließ es klatschend in Weidenkörbe fallen. Beim Schleppen der Körbe zur Leine, beim Aufhängen, Festklammern, Straffziehen und Falten von Laken und Bettbezügen konnten sie ihre Mutter etwas entlasten.

Mill kam später noch einmal zum winterlichen Trockenplatz. Die vorher noch lauwarm abtropfenden Wäscheteile hingen jetzt schon bretthart gefroren im schneidenden Abendwind. Hätte der Bauer in dem Moment die Hintertür seiner Scheune aufgemacht, dann würde er Mamas rosa Schlüpfer sehen können. Das war derselbe Schlüpfer, der von deutschen Soldaten am Oppelner Bahnhof gesehen werden konnte, als sie seine Mutter in den vollgepfropften Zug durch das Abteilfenster gehoben hatten.

Mill ging zur Leine hin, löste die Klammern dieses langen Wäschestücks und klammerte es hinter einem Kopfkissenbezug in der dritten Leinenreihe fest. Beim Weggehen drehte er sich noch einmal um. Er war zufrieden mit seinem Werk.