Leserbrief: Bamberger Bilderrätsel
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!
An der Baustelle Siechenstraße, Nähe Äußere Löwenstraße, gegenüber der Einmündung der Färbergasse, ist ein Rätsel aufgetaucht:
1. Welche Bedeutung hat das Zusatzzeichen 1012 32 („Radfahrer absteigen“) unter dem Verkehrzeichen 239 (Gehweg)?
2. Wie dürfen sich Radfahrer/innen an dieser Stelle verhalten?
Zu Frage 1:
a) Das Zusatzzeichen regelt nichts, das nicht bereits geregelt wäre. Seine Anbringung ist überflüssig.
b) Die Anbringung des Zusatzzeichens ist unzulässig.
c) Das Zusatzzeichen erhöht die Verkehrssicherheit.
Zu Frage 2:
a) Radfahrer/innen dürfen nicht die Fahrbahn benutzen.
b) Radfahrer/innen dürfen das Fahrrad auf dem als Gehweg abgetrennten Teil der Fahrbahn schieben.
c) Radfahrer/innen dürfen das Fahrrad auf dem als Fahrspur abgetrennten Bereich schieben.
Richtig sind: Antworten 1a, 1b und 2c.
Begründung:
zu 1a
Zeichen 239 regelt bereits, daß der entsprechende Fahrbahnbereich als Gehweg ausgewiesen ist. „Andere Verkehrsteilnehmer dürfen den Gehweg nur benutzen, soweit dies durch Zusatzzeichen angezeigt ist“ (Straßenverkehrsordnung), was hier nicht zutrifft. Ausnahme: „Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen, ältere Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen“ (ebd.). „Zusatzzeichen … sind … unmittelbar unter dem Verkehrszeichen, auf das sie sich beziehen, angebracht“ (StVO). Zusatzzeichen 1012 32 hat demnach keine eigenständige Bedeutung.
zu 1b
„Verkehrszeichen, die lediglich die gesetzliche Regelung wiedergeben, sind nicht anzuordnen. Dies gilt auch für die Anordnung von Verkehrszeichen einschließlich Markierungen, deren rechtliche Wirkung bereits durch ein anderes vorhandenes oder gleichzeitig angeordnetes Verkehrszeichen erreicht wird“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung). Da, mit Ausnahme der Kinder im Alter unter zehn Jahren, ohnehin niemand mit dem Fahrrad den mit Zeichen 239 als Gehweg gekennzeichneten Bereich befahren darf, ist die Anbringung des Zusatzzeichens 1012 32 hier unzulässig.
zu 1c
Da das Zusatzzeichen 1012 32 keine eigenständige Bedeutung für die Verkehrsregelung besitzt, kann es logischerweise auch nicht die Verkehrssicherheit erhöhen. Eher besteht die Gefahr, daß Kraftfahrer/innen – in der irrigen Überzeugung, das Zusatzzeichen beziehe sich auf den als Fahrspur ausgewiesenen Bereich – durch aggressives Verhalten gegenüber dem Radverkehr eine Gefahr erst verursachen. Somit gefährdet die Anbringung des Zusatzzeichens 1012 32 die Verkehrssicherheit.
zu 2a
Zusatzzeichen (siehe Begründung zu 1a!) beziehen sich auf das Verkehrszeichen, unter dem sie angebracht sind – es gilt hier also für den als Gehweg gekennzeichneten Bereich. Für die Fahrbahnbenutzung hat es daher keine Bedeutung: Radfahrer/innen dürfen auf der Fahrbahn fahren.
zu 2b und 2c
„Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen, müssen die Fahrbahn benutzen, wenn sie auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen die anderen Fußgänger erheblich behindern würden“ (StVO). Fußgänger/innen, die ein Fahrrad mit sich führen, benötigen deutlich mehr Raum als ohne Fahrrad oder als Radfahrer/innen. Angesichts des geringen Querschnitts des hier ausgewiesenen Gehwegs ist davon auszugehen, daß andere spürbar behindert würden. Somit ist, wird das Fahrrad geschoben, der als Fahrspur abgetrennte Bereich der Fahrbahn zu benutzen.
Die Anbringung des Zusatzzeichens 1012 32 beinhaltet verkehrsrechtlich keine Bedeutung, gefährdet aber in Folge fehlerhafter Interpretation die Verkehrssicherheit und trägt zur Vergiftung des Verhältnisses zwischen Kraft- und Radfahrer/innen bei. Es ist anzunehmen, daß die Verantwortlichen versuchen, mittels dieser Beschilderung das Haftungsrisiko für die baustellenbedingte Einschränkung der Verkehrssicherheit auf die Radfahrer/innen abzuschieben. Daß aber das Schieben des Fahrrads auf der Fahrbahn sicherer sein soll als das Fahren, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Zudem wäre, „wenn durch Verbote oder Beschränkungen einzelne Verkehrsarten“ – hier: der Fahrradverkehr – „ausgeschlossen werden, … dies in ausreichendem Abstand vorher anzukündigen und auf mögliche Umleitungen hinzuweisen“ (VwV-StVO).
Ein besonderes Schmankerl haben sich die für die Verkehrslenkung Verantwortlichen für die gegenüberliegende Straßenseite ausgedacht:
Aus der Färbergasse kommende Radfahrer/innen, die nach rechts abbiegen wollen, sehen sich plötzlich der auf dem Radweg aufgestellten Warnbake gegenüber und sind genötigt, über die für den Gegenverkehr markierte Fahrspur auszuweichen (der Gehweg zwischen Hauswand und Warnbake ist, auch angesichts des engen Kurvenradius, zu schmal). Ob fahrend oder schiebend – ein Problem stellt dies in jedem Fall dar.
Die Route Färbergasse – Äußere Löwenstraße ist eine wichtige, stark nachgefragte Verbindung für den Radverkehr. Ein wenig Intelligenz für die Verkehrsführung aufzubringen, ist in einer Stadt, die sich fahrradfreundlich nennen will, kaum zu viel verlangt.
Wolfgang Bönig, Bamberg-Gaustadt
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