Kleists "Der zerbrochene Krug" auf dem Lindenkeller bei Kirchehrenbach

Die "Walberla-Bühne" in Aktion

Die "Walberla-Bühne" in Aktion

Am Fuße der keltischen Fliehburg spielte die „Walberla-Bühne Kirchehrenbach“ Heinrich von Kleists hintersinnige Komödie „Der zerbrochene Krug“. Es war wie in jenen fernen Zeiten, als es noch kaum Hof- und Stadttheater gab und wandernde Schauspieltruppen ihre Pfosten und Bretter auf Plätzen und Wiesen aufschlugen. Am Sponsel´schen Lindenkeller verwandelte sich Kleists preußisches Lustspiel in ein fränkisch-derbes, lüsternes, aber keineswegs plattes Dialekt-Happening.

Heinrich von Kleist (1777 – 1811) war eine tragische Persönlichkeit, der – nach eigener Aussage – „auf Erden nicht zu helfen war“. Doch in die europäische Literaturgeschichte ist er nicht nur als Verfasser großer Tragödien eingegangen. Er hat auch Lustspiele geschrieben, deren komödiantische Handlung allerdings am Rand eines Abgrunds von Traurigkeit und Weltunglück entlang balanciert.

Auch im „Zerbrochenen Krug“ lässt sich der Schatten einer äußerst fragilen, zerbrechenden Welt- und Gesellschaftsordnung entdecken. Theo Messingschlager, der Chefdramaturg der „Walberla“-Truppe aus Schlaifhausen, hatte die Handlung vom niederländischen Dorf Husum nach Kirchehrenbach verlegt. Eine im Erlanger Professorenstadel Langensendelbach entstandene fränkische Version des klassischen Textes ließ viel Raum für lokale Anspielungen. Wenn die Katze des Dorfrichters „g´schitt“ hat – und zwar in dessen Perücke – dann gleicht das Ergebnis von Farben her dem „Erabocher G´marod“: neun Schwarze, fünf Rote und zwei gescheckte Freie Wähler.

Doch der poetische Glanz und der hintergründige Esprit des Originals schimmerten immer wieder durch die altfränkische Mundart von „Baggershausen“. Am Fuß des Walberla regiert – nicht nur beim Wegebau – das anarchische Kirchehrenbacher Landrecht. Der Dorfrichter Adam – von Günter Anderl mit Vitalität, mimischer Präzision und ans Groteske streifender Komik gespielt – legt die Gesetze zu eigenem Vorteil aus. Dabei verfängt er sich nach und nach in den Fallen und Tücken seiner eigenen Sprache und Winkelzüge.

Als hormongesteuerter und fressgieriger alternder Mann hat es sich in die Bauerntochter Eve verliebt. Doch als er nachts in ihr Zimmer einsteigen will, beginnt die Tragödie, die am Ende des Stücks als Komödie aufgefangen wird. Sein Rivale, der junge Bauer Ruprecht, weilt schon im Schlafraum seiner Verlobten. Ein kostbarer alter Krug, Dingsymbol für Treue, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit für die Beständigkeit menschlicher Beziehungen zerbricht beim Gerangel der beiden Kavaliere. Adam fällt durchs Fenster in ein stachliges Gebüsch und verliert dabei seine Amtsperücke.

Am nächsten Morgen soll er arg lädiert und mit schwerem Saufkopf Gericht halten und dabei seinen eigenen „Fall“ untersuchen. Doch das Unglück steigert sich noch. Die Amtskutsche des Gerichtsrats Walter –mit aka-dämlicher Blasiertheit prägnant gespielt von Ludwig Roppelt – ist schon im Anrollen. Im Auftrag des Bamberger Fürstbischofs soll er die Rechtsprechung auf den Dörfern reformieren. Eben hat er in Pretzfeld einen Augias-Stall ausgemistet. Der Dorfklatsch ist schneller als sein Gefährt. Jetzt bedroht seine Visitation den Dorfrichter Adam in Kirchehrenbach. Vergeblich der Ablenkungsversuch mit Hilfe einer fränkischen Bauernbrotzeit. Im Kleist´schen Original sind es Braunschweiger Wurst und Danziger Goldwasser, die den Juristen verlocken sollen. In der Walberla-Fassung werden „Knoblwärscht“ und Bocksbeutel serviert.

Doch da ist noch der katzbuckelnde Gerichtsschreiber Licht, der auf Adams Posten spechtet und seinen Vorgesetzten – hinter der Maske der Hilfestellung – immer tiefer ins Debakel reitet. Eine Paraderolle für den erfahrenen und flexiblen Schauspiel-Profi Theo Messingschlager.

Nicht aus Zufall tragen Adam und Eva ihre Namen. Sie erinnern an das erste Menschenpaar und dessen Sündenfall. Seitdem ist – so sieht es Kleist – die Welt aus der Ordnung in einen anarchischen Abgrund gefallen. In seinem Stück wird dieser Fall, bevor er in Ausweglosigkeit endet, ins Lachtheater der Komödie verwandelt:

Lang anhaltender, sich wiederholender Beifall für eine großartige Ensemble-Leistung, für Beate Postler (Eves Mutter), Anna Schnitzerlein (Eve), Manuel Trautner (Ruprecht), Uwe Hübschmann (Ruprechts Vater), Christine Albert (Frau Brigitte). Großer Applaus für all die Bediensteten und Mägde Christine Messingschlager und Christine Gebhardt, die ein „niederländisches Dorf bei Utrecht“ ins „“Erabocher“ Milieu verwandelten.