BN kämpft weiter für Weltnaturerbe und Nationalpark im Nördlichen Steigerwald

Neues Gutachten belegt Vorteile großer Waldschutzgebiete

Der Bund Naturschutz (BN) kritisiert, dass die Bayerische Staatsregierung im Internationalen Jahr der Wälder im Steigerwald einseitig auf die wirtschaftliche Nutzung der Staatswälder setzt. Der BN betrachtet die Ministerratsentscheidung gegen ein Waldschutzgebiet bei Ebrach als Einknicken vor der Lobby der Holznutzer, die darum kämpfen, jeden Quadratmeter Wald zu nutzen. „Die Staatsregierung vergibt eine Riesenchance für Franken und die Metropolregion Nürnberg, wenn die weitgereiften Pläne für ein Haus der Buchen in Ebrach und für ein Waldnaturschutzgebiet auf Eis gelegt werden“, kritisiert Hubert Weiger, Vorsitzender des BN.

„Mit dieser Entscheidung stellt sich der Ministerrat gegen Beschlüsse des Kreistages Bamberg und der Gemeinden Ebrach und Burgwindheim, die sich für ein Weltnaturerbe und Waldschutzgebiet mit großer Mehrheit ausgesprochen haben“, so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN, „so wird die Region nicht befriedet“. Die Forderungen nach einem Großschutzgebiet ohne Nutzung wird durch ein neues naturschutzfachliches Gutachten unterstrichen, in dem die verschiedenen Schutzkonzepte für den Steigerwald verglichen und bewertet werden. Danach kann ein großes ungenutztes Waldschutzgebiet – ausschließlich auf Staatswaldflächen – die waldtypische Artenvielfalt wesentlich besser erhalten als eine naturnahe Forstwirtschaft. Insbesondere die Metropolregion Nürnberg würde durch ein großes fränkisches Waldschutzgebiet mit einem Nationalparksiegel oder als Weltnaturerbestätte enorm profitieren. Der BN wird sich deshalb zusammen mit den anderen Verbänden im Freundeskreis Nationalpark Steigerwald weiter für den Schutz der wertvollen Rotbuchenwälder einsetzen.

Waldnaturschutz braucht Großschutzgebiete und naturnahe Nutzung

Im einem vom BN in Auftrag gegebenen naturschutzfachlichen Gutachten werden zwei unterschiedliche Naturschutzkonzepte für den Nordsteigerwald verglichen: ein großflächiger Schutz der Wälder nach dem Motto „Natur Natur sein lassen“ z.B. in einem Nationalpark und eine naturschutzorientierte Bewirtschaftung des Forstbetriebes Ebrach. „Beide Naturschutzkonzepte haben ihre Berechtigung“, so Hubert Weiger. Aus Naturschutzsicht besonders wichtig sei es jedoch, die Reste der ökologisch hochwertigen, alten und naturnahen Wälder im Staatsbesitz vermehrt einer natürlichen Entwicklung zu überlassen, so wie es die Bundesregierung 2007 mit der Nationalen Biodiversitätsstrategie beschlossen hat – mit der Stimme vom damaligen Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Als Ziel für den öffentlichen Wald sind hier 5 % der Waldfläche genannt. Vorrangig ist es hierbei, dass die ganz wenigen Gebiete geschützt werden, die überhaupt noch für großflächigen Naturschutz im Wald nach dem Motto „Natur Natur sein lassen“ geeignet sind. Auf den restlichen 95 Prozent der Waldfläche gibt es genug Gelegenheit, vom BN durchaus begrüßte und ambitionierte Naturschutzkonzepte wie die des Forstbetriebes Ebrach umzusetzen.

Trittstein-Konzept für Steigerwald zu wenig

Der BN erkennt durchaus an, dass die Bayerischen Staatsforsten im Forstbetrieb Ebrach ein für Wirtschaftswälder anspruchsvolles Naturschutzkonzept planen. Selbst wenn dies konsequent umgesetzt würde, bleibt es aber aus naturschutzfachlicher Sicht deutlich hinter der Qualität eines großflächigen und nutzungsfreien Waldschutzgebietes zurück. Im 11.000 Hektar großen Nationalpark würden langfristig mindestens 75 % der Schutzkulisse der natürlichen Waldentwicklung unterliegen, das sind etwa 8.300 Hektar. Nach dem Ebracher Forstkonzept würden die naturschützerisch besonders relevanten Kernflächen, Waldreservate und „Trittsteine“ gerade mal einen Anteil von 833 Hektar (= 4,9 % von 17.100 Hektar Forstbetriebsfläche) erreichen. Der Anteil dieser relevanten „Schlüsselflächen“ erreicht im Forstbetrieb Ebrach damit nur ca. 10 % der in einem Nationalpark möglichen Fläche.

Nach dem forstlichen Naturschutzkonzept finden sich die größten zusammenhängenden Einzelflächen in den sechs ausgewiesenen Naturwaldreservaten, wobei nahezu alle Reservate mit einer Ausnahme (Böhlgrund) die 100-Hektar-Marke nicht überschreiten. Naturschutzfachlich wird vom Bayerischen Umwelt- und Forstministerium für derartige Schutzflächen aber eine Mindestgröße von 200 Hektar gefordert.

Das Forstkonzept schlägt auch keine Zusammenlegung der beiden wichtigsten Naturwaldreservate („Waldhaus“ und „Brunnstube“) vor, was sich naturschutzfachlich bzw. räumlich anbieten würde. Für kleinflächige Altholzinseln (Trittsteinbiotope) sollte die Mindestgröße von fünf Hektar nach Möglichkeit nicht unterschritten werden. Bei „über 100 kleineren und mittelgroßen“ Trittsteinen im Forstbetrieb Ebrach errechnet sich eine Durchschnittsgröße von weniger als vier Hektar. Somit ist festzustellen, dass die von fachlicher Seite empfohlenen Mindestgrößen für schutzrelevante Flächen im Wald in dem veröffentlichten Naturschutzkonzept des Forstbetriebs Ebrach zum Teil deutlich unterschritten werden.

Für das dauerhafte Überleben vieler bedrohter Waldarten reicht es nicht aus, wenn wenige Individuen in kleinen Waldschutzgebieten ihr Dasein fristen müssen. Nach heutigen Erkenntnissen braucht es dafür geschützte Waldflächen, auf denen ganze Bestände dieser Waldarten geeignete Lebensbedingungen finden. Legt man als Maß den Lebensraumbedarf für den „Steigerwald“ besonders markanter, holzbewohnender Tierarten zugrunde, so bewegen sich die Gebietsgrößen für eine stabile Besiedlung zwischen 2.000 Hektar für Urwaldreliktkäfer und 12.500 Hektar für den Mittelspecht, eine Urwaldweiserart, für deren weltweites Vorkommen Deutschland eine besondere Verantwortung hat.

Ein Naturschutzkonzept im Forstbetrieb kann weder diese Flächengrößen in entsprechender Biotopqualität anbieten noch ist es möglich, dass die im Konzept vorgesehenen kleinflächigen Reservate und Trittsteine die dauerhafte Ausbreitung von gefährdeten Tierarten ermöglichen.

Das Konzept des Forstbetriebes verzichtet auf größere nutzungsfreie Naturgebiete. Dies bedeutet, dass Regenerations- und „Spenderflächen“ zur Erhaltung der Artenvielfalt nicht oder nicht in ausreichendem Maße vorhanden wären. Für die Existenz einzelner Arten und die genetische Vielfalt spielen aber genügend große, reproduktions- und ausbreitungsfähige Populationen mit hohen stabilen Individuendichten eine entscheidende Rolle. Der Anteil möglichst großer ungenutzter, dem natürlichen Reifungsprozess unterliegender Waldflächen ist dabei der ausschlaggebende Faktor!

Weltnaturerbebewerbung braucht besseren Schutz

Eine mögliche Bewerbung der Buchenwälder des Nordsteigerwaldes braucht einen besseren Schutz! Ein Naturpark ohne eine hinreichende eigene Verwaltung reicht als Schutzkategorie nicht aus. Ebenso steht das Naturschutzkonzept des Forstbetriebes Ebrach einer Bewerbung entgegen, weil hier nur kleinflächig Trittsteine und Waldreservate aus der Nutzung genommen werden. Erforderlich sind stattdessen großflächig ungenutzte Waldflächen, die zudem noch von „Störungen“ von außen geschützt werden müssen, wie sie die herkömmlich Waldnutzung darstellt. Wenn die Option für eine Weltnaturerbewerbung, die der Kreistag des Landkreises Bamberg und der Gemeinderat der Marktgemeinde Ebrach mit sehr großer Mehrheit unterstützen, offen gehalten werden soll, muss ein großflächiges Waldschutzgebiet mit großen nutzungsfreien Flächen geschaffen werden. „Wir appellieren an die Bayerische Staatsregierung, diese einmalige Chance für die Region und für ganz Franken nicht zu verspielen. Die auch von kommunaler Seite im Landkreis Bamberg gewünschten Voraussetzungen für die Weltnaturerbebewerbung sollten zügig geschaffen werden“, so Hubert Weiger.

Hintergrundinformationen

Naturpark für hochwertigen Schutz des Nordsteigerwaldes ungeeignet

Die zwei für den Steigerwald diskutierten Schutzgebietskategorien Nationalpark und Naturpark unterscheiden sich erheblich. Bei genauer Analyse zeigt sich, dass der bestehende Naturpark ein völlig ungeeignetes Instrument ist, um den von vielen Seiten gewünschten besseren Schutz der Buchenwälder zu gewährleisten. Die Schutzintensität liegt hier nahezu bei Null, weil keinerlei Vorgaben für die Forstwirtschaft vorgegeben sind. Die für Waldnaturschutz wichtigen Schutzgebietsmerkmale wie „Natur Natur sein lassen“, Arten- und Biotopschutz oder Nutzungsauflagen existieren im Naturpark nicht, in der Schutzkategorie Nationalpark dagegen schon. Selbst ein Gebietsmanagement gibt es im Naturpark nur sehr eingeschränkt, während Nationalparke von einer eigenen Verwaltung betreut werden, die z.B. im Nationalpark Bayerischer Wald über 100 Vollzeitarbeitsplätze bietet. Darüber hinaus genießen Nationalparke einen hohen internationalen Stellenwert und sind in der Forschung aktiv.

Ziele des Waldnaturschutzes in Deutschland

Deutschland ist ein Waldland und wäre von Natur aus zum größten Teil mit Laubwäldern bedeckt, die vor allem von Buchen dominiert würden. Zentrales Anliegen des Waldnaturschutzes ist es deshalb, diese Wälder in ihren verschiedenen standörtlichen und naturnahen Ausprägungen, mit ihrer typischen Pflanzen-, Pilz- und Tierwelt sowie in ihrer natürlichen Vielfalt möglichst repräsentativ zu erhalten. In Forstkreisen herrscht bisweilen die Auffassung vor, dass allein die pflegliche Nutzung des Waldes schon „automatisch“ zur Sicherung seiner vielfältigen Schutzfunktionen beiträgt, nach der „Kielwassertheorie“ sozusagen im Kielwasser der Holznutzung. Dass dies aber ein Trugschluss ist, belegen viele wissenschaftliche Untersuchungen und ein kritischer Blick auf die aktuelle Entwicklung in deutschen Wäldern.

Allgemein große Unterschiede zwischen Wirtschaftsforst und Naturwald

Generell ist herauszustellen, dass sich Wirtschaftsforste von Naturwäldern deutlich unterscheiden. So erreichen im Forstbetrieb Ebrach die Buchen auf den bewirtschafteten Flächen nur ein Alter von ca. 140 Jahren, bevor sie gefällt werden. Im Naturwald können die Buchen dagegen über 350 Jahre und mehr in Würde altern und sterben.

Forstwirtschaft erfordert Wege für den Holztransport, um die Bodenverdichtung darauf zu begrenzen. Örtlich sind durch die Holzbringung aber auch massive Bodenschäden auf den Rückegassen entstanden. Laut einer Presseinformation der Bayerischen Staatsforsten sollen 80 % der Waldböden durch Holztransport nicht betroffen sein. Dies bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass 20 Prozent der Waldböden für den Holztransport in Form von Rückegassen und geschotterte Forststraßen benötigt werden. Auf den Forstbetrieb Ebrach umgerechnet würde dies bedeuten, dass dadurch 3.400 Hektar Waldböden verdichtet und damit gestört werden könnten. Zudem führen die vorhandenen 584.000 Meter Forststraßen und 5.130.000 Meter Rückegassen im Forstbetrieb Ebrach zu gewaltigen Zerschneidungseffekten. Damit werden die Lebensräume so zerschnitten, dass viele „kleine“ Arten diese Barrieren oft nicht überwinden können. In Nationalparken sind derartige Maschinengassen dagegen nicht notwendig.

Bislang nur wenige Naturschutzkonzepte im Staatswald umgesetzt

Der BN muss leider feststellen, dass nur für wenige bayerische Staatsforstbetriebe bislang überhaupt Naturschutzkonzepte existieren bzw. umgesetzt werden. Und wenn, dann bleiben diese in der Qualität deutlich hinter dem Ebracher Konzept zurück. Insbesondere müssen im Staatswald vermehrt ältere Laub- und Bergmischwälder dauerhaft einer natürlichen Entwicklung vorbehalten werden, um die Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie zu erfüllen. Angesichts des ständig steigenden Nutzungsdrucks und eines Holzeinschlags in den bayerischen Staatsforsten auf historischer Rekordhöhe, den Zwang zur just-in-time-Belieferung von Holzgroßkunden durch ganzjährigen Einschlag sowie eine nach der Forstreform vor Ort einschneidend ausgedünnte Personaldecke an Revierförstern und reviergebundenen Forstwirten bestehen Zweifel an einer konsequenten, dauerhaften und flächigen Umsetzung der Naturschutzkonzepte im bayerischen Staatswald.