Juristische Pionierarbeit für den Verbraucherschutz
In seiner Antrittsvorlesung fordert Prof. Dr. Schmidt-Kessel vom Gesetzgeber mehr Stetigkeit und Sorgfalt
„Im Verbraucherschutz gibt es viele neue Herausforderungen zu lösen. Aber die Hektik, die der Gesetzgeber unter dem Druck der Öffentlichkeit in jüngster Zeit auf diesem Gebiet entwickelt hat, nützt den Kunden wenig und fördert nur die allgemeine Verunsicherung.“ Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel, der im vergangenen Jahr die Stiftungsprofessur für Verbraucherrecht an der Universität Bayreuth übernommen hat, mahnte in seiner Antrittsvorlesung mehr Kontinuität in der Gesetzgebung an. Sein Vortrag zum Thema „Verbraucherrecht als Disziplin“ stieß auf starkes Interesse im Publikum. Viele Mitglieder, Freunde und Gäste der Universität hatten sich im Tagungszentrum des Studentenwerks Oberfranken eingefunden, das bis auf den letzten Platz besetzt war.
Das Verbraucherrecht als eigene Disziplin zu prägen und im Verbund der Rechtswissenschaften in die Zukunft zu entwickeln – darin sieht Schmidt-Kessel eine anspruchsvolle, aber zugleich reizvolle Aufgabe seiner Stiftungsprofessur, die vom Bundesministerium für Ermährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz seit 2010 gefördert wird. Es ist die bisher einzige Professur für Verbraucherrecht in Deutschland. Inhaltlich und organisatorisch mit ihr verbunden ist eine neue For-schungsstelle für Verbraucherrecht. Sie hat vor allem die Aufgabe, juristische Grundlagenforschung zu betreiben. „Es gibt im Zivilrecht, Strafrecht und auch im Öffentlichen Recht verbraucherrechtliche Aspekte, die wir erstmals unter dem Blickwinkel ‚Verbraucherrecht’ systematisch zusammenführen wollen“, erklärt Schmidt-Kessel.
Mit dieser Pionierarbeit wollen Schmidt-Kessel und seine Mitstreiter an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät nicht nur in die Forschung, sondern auch in Politik und Wirtschaft hineinwirken. Der Handlungsbedarf ist groß, wie die Antrittsvorlesung deutlich machte: „Es steht derzeit nicht gut um das Verbraucherrecht. Nur um ein Beispiel zu nennen: Seit gut einem Jahr ist es fast unmöglich, für Studenten einen aktuellen Gesetzestext über Widerrufsrechte in Fernabsatz- und Haustürgeschäften bereitzustellen. Allein 2010 und 2011 sind die betreffenden Regeln mindestens dreimal geändert worden sind, weitere Änderungsvorhaben befinden sich im Gesetzgebungsverfahren oder stehen kurz davor. Auch im Anleger- und im Datenschutz kommt es fast im Jahrestakt zu neuen Schutzgesetzen. Es ist offensichtlich, dass die Qualität der Rechtssetzung unter einer solchen Sprunghaftigkeit leiden muss.“
Schmidt-Kessel richtete seine Mahnungen aber zugleich an die Öffentlichkeit, die – bei allen berechtigten Erwartungen – der Politik die nötige Zeit einräumen müsse, um eine solide Gesetzgebung auf den Weg zu bringen. „In unserer Mediendemokratie wird bei jedem ‚Lebensmittelskandal’ gleich die Handlungsfähigkeit des Staates in Frage gestellt. Man erinnere sich nur daran, mit welcher Leichtigkeit die föderalistische Staatsorganisation angezweifelt wurde, kurz nachdem die EHEC-Krise ausgebrochen war“, so Schmidt-Kessel. „Wollte man tatsächlich eine Bundesgesundheitspolizei einführen, dann müsste nicht nur die Verfassung geändert werden, sondern es wäre auch der Aufbau einer Bundesverwaltung bis hinunter auf die Kreisebene erforderlich. Aber solche Zusammenhänge wurden nicht im entferntesten bedacht“, kritisiert der Direktor der neuen Forschungsstelle für Verbraucherrecht.
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