Forschungsprojekt an der Universität Bayreuth: Trinkwasser – ein Schlüssel zu den Sozialstrukturen im Sudan

In den schnell wachsenden Megastädten Afrikas ist die Wasserversorgung der Bevölkerung eine besonders drängende Herausforderung. Das gilt auch für die sudanesische Hauptstadt Khartum, die heute rund 6 Millionen Einwohner zählt. Die wirtschaftlichen, städteplanerischen und technischen Aspekte der dortigen Wasserversorgung, vor allem aber die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Strukturen stehen im Mittelpunkt des internationalen Forschungsprojekts WAMAKHAIR (Water Management in Khartoum International Research Project). Vor kurzem trafen sich Leiter und Mitarbeiter des Projekts zu einer Bilanzkonferenz im Wissenschaftszentrum der Universität Bayreuth auf Schloss Thurnau.
Prof. Dr. Detlef Müller-Mahn, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Bevölkerungs- und Sozialgeographie innehat, leitet zusammen mit Partnern in Frankreich, der Schweiz und im Sudan die Forschungsarbeiten. Diese werden sowohl von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als auch von der französischen Agence Nationale de la Recherche (ANR) gefördert. Sie gehen über herkömmliche Projekte auf dem Gebiet der Wasserforschung und Wasserversorgung deutlich hinaus.

„Im WAMAKHAIR-Projekt nehmen wir das Thema ‚Wasser‘ als Ausgangspunkt, um allgemeinere soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten im Sudan zu erschließen“, erklärt Müller-Mahn. „Wir blicken also nicht allein auf konkrete städteplanerische und logistische Herausforderungen, die gelöst werden müssen, damit breite Bevölkerungskreise einen relativ stabilen Zugang zu Trinkwasser haben. In die Frage der Wasserversorgung reichen viele soziale, politische und wirtschaftliche Strukturen und Prozesse hinein, die – für sich genommen – wissenschaftlich schwer greifbar sind. Mit unserem neuen Forschungsansatz können wir ausgehend vom Thema ‚Wasser‘ in solche grundlegenden Zusammenhänge vordringen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse über den Sudan haben dann wiederum Rückwirkungen auf unsere konkrete Expertise bezüglich der Wasserproblematik.“

So hat sich im Projekt WAMAKHAIR mittlerweile eine breit angelegte internationale Forschungskompetenz herausgebildet – in Bezug auf den Sudan, aber auch hinsichtlich der Entwicklungsprozesse in den neuen Megastädten Afrikas. Experten aus der Geographie, Soziologie, Ethnologie und Politologie sowie den Islamwissenschaften und Umweltwissenschaften sind in die Forschungsaktivitäten einbezogen. Sie arbeiten an Universitäten und Instituten in Bayreuth, Bordeaux, Paris, Fribourg und Khartum.

Zu dem internationalen Team zählt auch Salma Abdallah, sudanesische Doktorandin an der BIGSAS, der Bayreuth International Graduate School of African Studies. Sie befasst sich in ihrer Dissertation mit der Frage, wie die Bevölkerung in Khartum in ihrem alltäglichen Leben mit der Trinkwasserproblematik umgeht. Eine besondere Rolle spielen dabei religiöse, vom Islam geprägte Institutionen, die einen wichtigen Beitrag zur Trinkwasserversorgung leisten. Die Partneruniversität des Projektes im Sudan ist die Ahfad University for Women, eine Universität in Khartum, die sich auf die wissenschaftliche Ausbildung und Förderung von Frauen spezialisiert hat.

Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler koordinieren ihre Forschungsarbeiten nicht nur über gemeinsame Feldaufenthalte in Khartum, sondern auch bei regelmäßigen Treffen. Die Konferenz auf Schloss Thurnau diente dazu, bisherige Forschungsergebnisse zusammenzuführen und eine gemeinsame Buchpublikation vorzubereiten. Zusammen mit anderen Veröffentlichungen wird sie dokumentieren, wie das WAMAKHAIR-Projekt die sozioökonomischen Strukturen und Entwicklungen in Khartum in ihren unterschiedlichen Facetten in den Blick nimmt. Von dem ganzheitlichen, multidisziplinären Forschungsansatz her werden Themenbereiche behandelt, die für das wissenschaftliche Verständnis der Wasserproblematik besonders relevant sind: Dazu zählen so unterschiedliche Faktoren wie beispielsweise die Migrationsbewegungen im Sudan, die Beiträge von lokalen Initiativen und von privaten Wirtschaftsunternehmen zur Wasserversorgung, die unterschiedlichen Sozialstrukturen in den Stadtteilen von Khartum sowie die Bemühungen der sudanesischen Regierung um eine Versorgung und Kontrolle der Bevölkerung in der Hauptstadt des Landes.

Die Projektbeteiligten sind zuversichtlich, dass sie aus ihren Forschungsergebnissen auch konkrete Handlungsempfehlungen ableiten können – sei es für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich für eine verbesserte Wasserversorgung in Afrika einsetzen, sei es auch für die Zentralregierung in Khartum, die nach der Unabhängigkeit des Südsudan vor neuen Herausforderungen steht. „Gerade weil das WAMAKHAIR-Projekt das Thema ‚Wasser‘ in seinen grundsätzlichen Strukturzusammenhängen behandelt, sind die daraus resultierenden Einsichten möglicherweise besonders geeignet, nachhaltige Entwicklungen zugunsten der Menschen im Sudan zu fördern“, meint Projektleiter Prof. Dr. Detlef Müller-Mahn.