Universität Bayreuth: Durchbruch auf dem Weg zu neuartigen Funktionsmaterialien
Vollständig mischbare Nanokomposite
Polymere Nanokomposite gelten in Wissenschaft und Industrie immer stärker als Materialien, die den Fortschritt im 21. Jahrhundert entscheidend mitbestimmen werden. Sie bestehen aus einer Kunststoffmatrix und aus Nanopartikeln, die als Füllstoffe in die Matrix eingesetzt werden. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Stephan Förster, Universität Bayreuth, hat jetzt ein Verfahren entwickelt, das den Weg zur Herstellung neuartiger – nämlich vollständig mischbarer – Nanokomposite öffnet. In diesen Materialien steckt ein äußerst vielseitiges Potenzial für technologische Innovationen. In der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ stellen die Wissenschaftler ihre bahnbrechende Entwicklung vor.
Nanopartikel sind winzige Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als 100 Nanometern. Sie können als Füllstoffe in Kunststoffe eingebracht werden. Allerdings haben sie die Tendenz, innerhalb der Kunststoffmatrix zu verklumpen. Sie verteilen sich daher nicht als vereinzelte Teilchen in allen Abschnitten der Matrix, sondern sie lagern sich an wenigen Stellen der Matrix zusammen. Die Ursache hierfür liegt darin, dass die Nanopartikel im Zustand der Verklumpung erheblich weniger Grenzflächenenergie aufwenden müssen, als wenn sie einzeln im Kunststoff vorliegen würden.
Doch für industrielle Anwendungen sind polymere Nanokomposite viel attraktiver, wenn sich die einzelnen Nanopartikel separat im Kunststoff verteilen. Denn in diesem Fall zeichnen sich die neuen Materialien durch eine erheblich bessere Transparenz aus, während sie aufgrund der verklumpten Nanopartikel trübe und undurchsichtig werden. Zudem ist die elektrische und thermische Leitfähigkeit der Materialien umso stärker ausgeprägt, je gleichmäßiger sich die Nanopartikel im Kunststoff verteilen. Nicht zuletzt sind die Materialien dann auch hitzebeständiger und weniger leicht entflammbar.
Wie aber lässt sich die Verklumpung der in die Kunststoffmatrix eingeführten Nanopartikel verhindern? Zur Lösung dieses Problems hat Prof. Dr. Stephan Förster, in Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität Hamburg, eine neue Forschungsidee entwickelt und im Labormaßstab bereits erfolgreich umgesetzt. Ausgangspunkt des Verfahrens sind Polymerketten. Am Ende jeder Kette wird ein Haftungsmolekül befestigt. Wie mit einem Enterhaken hängt sich die Polymerkette mit diesem Molekül an ein Nanopartikel an; und zwar so, dass sie mit ihrem einen Ende nahezu senkrecht auf der Oberfläche des Partikels steht, während ihr anderes Ende nach außen absteht. Auf diese Weise erhält jedes Nanopartikel eine aus Polymerketten bestehende Rundum-Beschichtung, die aussieht wie eine kugelförmige Bürste. Die wie Borsten nach außen abstehenden Polymerketten verhindern, dass sich die Nanopartikel allzu nahekommen, wenn sie in die Kunststoffmatrix eingebracht werden. Sie bleiben als vereinzelte Partikel erhalten, während die Polymerketten in den Kunststoff eingearbeitet werden.
Damit ist der Weg frei, um anspruchsvolle Funktionsmaterialien herzustellen, bei denen separate Nanopartikel in alle Abschnitte der Kunststoffmatrix eingelagert sind. Die Eigenschaften und Verhaltensweisen eines derartigen Nanokomposits hängen wesentlich davon ab, wie weit benachbarte Nanopartikel voneinander entfernt sind. Diese Abstände lassen sich während der Herstellung mit großer Genauigkeit regulieren. Auch die chemische Zusammensetzung der Nanopartikel kann variieren und hat einen erheblichen Einfluss auf das entstehende Material. Daher ermöglicht das neue Verfahren ein zielgenaues Design polymerer Nanokomposite, die infolge ihrer inneren Zusammensetzung spezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen aufweisen.
Von besonderem Interesse sind Halbleiter-Nanopartikel, wie z.B. cadmiumhaltige Verbindungen. Wenn es gelingt, sie im Industriemaßstab flächendeckend in einer Kunststoffmatrix zu verteilen, öffnen sich interessante Perspektiven für die Energietechnik. Denn derartige Nanokomposite eignen sich voraussichtlich für den Bau hochleistungsfähiger Solarzellen, die in der Lage sind, einen hohen Anteil der gespeicherten Lichtenergie in elektrischen Strom umzuwandeln. Attraktiv scheinen auch Forschungen mit eisenhaltigen Nanopartikeln, die in großer Dichte in eine Kunststoffmatrix eingebracht werden. Dadurch lassen sich möglicherweise auf engstem Raum sehr hohe Kapazitäten für die magnetische Speicherung von Informationen erzielen.
„In den nächsten Jahren wollen wir ein breites Spektrum von Nanokompositen im Labormaßstab herstellen und hinsichtlich ihrer Eigenschaftsprofile und Anwendungspotenziale untersuchen“, erklärt Prof. Dr. Stephan Förster. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir mit dem neuen Beschichtungsverfahren innovative Funktionsmaterialien entwickeln können, die uns mit ihrer außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit noch überraschen werden.“
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