Sonntagsgedanken: Nur ein betäubter Zuschauer?
Als Bischof Wilhelm Stählin zum ersten Mal das „Wort zum Sonntag“ sprach, fragte er den Produktionsleiter, wie er denn die Menschen vor dem Bildschirm ansprechen sollte. Der Mann erwiderte: „Sagen Sie einfach: Liebe Zuschauer!“ Das gefiel Stählin gar nicht, denn er wollte echte Zuhörer, nicht bloße Zuschauer haben, wollte die Menschen heraus hohlen aus ihrer bequemen, aber passiven Konsumentenhaltung.
Ob es ihm gelang, weiß ich nicht, ich bin da eher skeptisch. Der englische Dichter und Philosoph C. S. Lewis lässt in seinen „Teufelsbriefen“ einen Obersatan seinen Unterteufeln auftragen, sie sollten die Welt so mit Lärm anfüllen, dass die Menschen die leisen Töne Gottes überhören. Vielleicht will der „moderne“ Mensch auch gar nicht mehr über sich und andere nachdenken und sich mit einem multimedialen Dauerrausch aus der angeblich so drückenden Realität in eine virtuelle Traumwelt verabschieden. Da stören Gott und sein Gebot nur. Wir sind ja so stolz auf unsere Freiheit! Doch ein schottischer Philosoph erklärte freimütig: „Mein Leben gehört mir – das ist der eigentliche Grundsatz der Hölle.“
Wer nur an sich denkt, wird keine Freunde finden, wird hart und kalt, schließlich resignieren, wenn andere, jünger, attraktiver und (erfolg)reicher als er an ihm vorüberziehen. Gott aber sucht Gemeinschaft mit uns, mit jedem Menschen, täglich neu. Gott will uns befreien aus unserem Wahn, immer etwas aus uns machen zu müssen. Die Gebote Gottes wollen uns nicht versklaven, sondern wie jede Spielregel wollen sie uns gelingendes (Zusammen-)Leben ermöglichen. Gott drängt sich nicht auf, sondern lädt uns höflich, geduldig ein mitzuspielen, nicht bloß gelangweilt zuzuschauen.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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