Universität Bayreuth: Studie zum Einfluss situativer Umstände auf korruptes Handeln
Machen Geld und Zeitdruck bestechlich?
Weshalb lassen sich Mitarbeiter von Unternehmen oder staatlichen Behörden zur Korruption verleiten? Kommen Fälle von Bestechlichkeit umso häufiger vor, je höher die angebotenen Bestechungsgelder sind? Oder ist korruptes Handeln an der Tagesordnung, weil Mitarbeiter in sehr kurzer Zeit Erfolge erzielen müssen? Dr. Tanja Rabl, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Bayreuth, kommt in ihren Forschungsarbeiten zum gegenteiligen Ergebnis. Situationsbedingte Faktoren wie Zeitdruck oder die Höhe der Bestechungsleistung zeigen keinen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit korrupten Handelns. Darüber berichtet sie in einem neuen Beitrag für die Zeitschrift „Journal of Business Ethics“.
Realitätsnahe Simulationen im Planspiel
Auf der Grundlage eines Modells korrupten Handelns, das die in der Forschung diskutierten Erklärungsansätze weiterentwickelt, hat Rabl eine empirische Untersuchung mithilfe eines Planspiels durchgeführt. Dieses Planspiel simuliert realitätsnah die alltägliche Geschäftspraxis in Unternehmen, lässt sich aber ebenso auf öffentliche Verwaltungen oder Non-profit-Organisationen anwenden.
Rund 200 junge Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vorwiegend Studierende aus Fächern mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Bezug, nahmen an dem Planspiel teil. Dabei sahen sie sich unter verschiedenen Bedingungen mit der Versuchung konfrontiert, andere Unternehmensmitarbeiter zu bestechen oder aber sich selbst bestechen zu lassen – sei es mit Geld oder anderen Vergünstigungen. In einigen anderen Studien hatte sich gezeigt, dass diese Probandengruppe oftmals ähnlich entscheidet und agiert wie tatsächliche Entscheidungsträger in Unternehmen.
Situationsbedingte Faktoren: Bestechungsgelder – Zeitdruck – Leitbilder
Das zynische Vorurteil, es hänge allein von der Höhe des Preises ab, ob ein Mensch käuflich sei oder nicht, ließ sich nicht bestätigen. Zwar führt ein höheres Bestechungsangebot dazu, dass korruptes Handeln positiv bewertet wird. Es kann den Unternehmensmitarbeiter, der zur Korruption verleitet werden soll, in der Annahme bestärken, das berufliche und familiäre Umfeld würde in diesem Fall korruptes Handeln tolerieren. Doch auch wenn die Versuchung zur Korruption auf diese Weise steigt, bedeutet dies noch nicht, dass ein Impuls zum korrupten Handeln auch tatsächlich ausgelöst wird.
Dies gilt ähnlich für das Handeln unter hohem Zeitdruck. Wer im Unternehmen nur wenig Zeit hat, um wichtige erfolgskritische Entscheidungen zu treffen, ist möglicherweise geneigt, auf korruptes Handeln auszuweichen. Dabei gewinnen Normen und Einstellungen von Bezugspersonen stärkeren Einfluss auf das eigene Denken. Wenn diese Bezugspersonen korruptes Handeln billigen, wächst die Versuchung, andere zu bestechen oder sich selbst bestechen zu lassen. Gleichwohl wird nicht allein aus Zeitdruck heraus die Schwelle zur Korruption überschritten.
Unternehmensleitbilder, die nicht sehr konkret auf die Abwehr von Korruption ausgerichtet sind, können – dies ist ein weiteres Ergebnis der Studie – ebenfalls dazu beitragen, dass korrupte Handlungsweisen reizvoll erscheinen. Denn solange eine Organisation sich darauf beschränkt, von ihren Mitarbeitern nur ganz allgemein Integrität einzufordern, ist die abschreckende Wirkung schwach. Erst wenn das Leitbild mit Nachdruck darauf hinweist, dass Bestechung keineswegs toleriert wird, steigt bei den Mitarbeitern das Risikobewusstsein; Sanktionen werden als umso wahrscheinlicher eingeschätzt. Das erwartete Risiko kann dann abschreckend wirken. Doch auch das Unternehmensleitbild beeinflusst, für sich genommen, die Häufigkeit korrupten Handelns nicht signifikant.
Konsequenzen für eine wirksame Korruptionsbekämpfung
„Das Auftreten von Korruption in Unternehmen hängt somit nicht allein von den situativen Umständen ab,“ erläutert Rabl. „Eine wichtige Rolle kommt vor allem personbezogenen Faktoren zu. Ob jemand in Situationen, in denen eine hohe Versuchung zu Korruption besteht, tatsächlich korrupt handelt, wird im Wesentlichen bestimmt von drei Faktoren: Wie ist die Einstellung der Person zu Korruption? Wie schätzt die Person die in ihrem Umfeld verbreitete Einstellung zu Korruption ein? Und wie bewertet sie das Risiko, korruptes Handeln erfolgreich auszuführen?“
Unternehmen können daher Korruption in den eigenen Reihen am wirksamsten bekämpfen, indem sie genau an diesen Faktoren ansetzen. „Eine Unternehmenskultur, die Korruption strikt ablehnt und erfolgreich auf die Einstellungen der Mitarbeiter einwirkt, erweist sich durchaus als robust, wenn Umstände eintreten, in denen die Versuchung zu korruptem Handeln steigt,“ erklärt Rabl. Die Bayreuther Wirtschaftswissenschaftlerin ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Personalwesen und Führungslehre und hat sich bereits in ihrer Dissertation mit Ursachen und Wirkungen von Korruption in Unternehmen auseinandergesetzt. 2009 ist sie dafür mit dem Fürther Ludwig-Erhard-Preis ausgezeichnet worden.
Neueste Kommentare