"Stunde der Wintervögel" mit Rekordbeteiligung: 21.352 Bayern zählten 642.043 Vögel

Kohlmeise häufigster Wintervogel

Erneut brach die Stunde der Wintervögel alle Rekorde: 21.352 Teilnehmer meldeten dem LBV 642.043 Vögel von 15.179 Orten – ein Plus von 25%. Häufigster Wintervogel war die Kohlmeise vor dem Spatz. Die größte Überraschung ist der Feldsperling auf Platz 3, ein Anzeichen für die ausgeräumte Landschaft. Anzeiger des Klimawandels waren bis zu 60% häufiger. An Futterstellen wurden 1/3 mehr Vögel gezählt.

Zum sechsten Mal haben die Bayern ihre Wintervögel gezählt – und dabei alle Rekorde gebrochen: 21.352 Teilnehmer zählten 642.043 Vögel an 15.179 Orten – meist Garten oder Balkon. Damit übertrafen sie die große Beteiligung des Vorjahres noch einmal um knapp 25%. Die enorme Anzahl der gesendeten Bilder, Anfragen und nicht zuletzt die hohen Zugriffszahlen auf den Internetseiten des LBV zeigen, wie groß das Interesse der Bayern an „ihren“ Wintervögeln ist. Bayern hat damit einen Anteil von rund 30% am ebenfalls herausragenden bundesweiten Ergebnis, dessen genaue Zahlen am 25. Januar von NABU und LBV veröffentlicht werden.

Kohlmeise entthront Spatz

Häufigster Wintervogel ist die Kohlmeise, die 100.766 Mal in Bayern gezählt wurde. Sie war in deutlich mehr Gärten und in größeren Schwärmen vertreten als 2010. Das bestätigt den generell ansteigenden Trend der Meisen in den professionellen bundesweiten Brutvogel-Erfassungen. Der Spatz ist dagegen mit 84.991 Meldungen auf den 2. Platz zurückgefallen. Auch wenn die Zahlen nur etwas geringer sind als im Vorjahr, sie unterstreichen bei diesem sehr reviertreuen Vogel erneut den vielerorts festzustellenden Rückgang.
Am weitesten verbreitet ist wie im Vorjahr die Amsel. Sie wurde in 95% der Gärten beobachtet.

Überraschung: Landflucht bringt Feldsperling auf Platz 3

Die Überraschung dieses Winters: der Feldsperling! Er kam an 11 % mehr Orten in Bayern vor und trat jeweils in deutlich größeren Schwärmen auf als 2010, wo er „nur“ den 5. Platz belegt hatte. Die Zunahme ist ungewöhnlich, da professionelle Zählungen seit Jahren einen deutlichen Rückgang des Feldsperlings nachweisen. Doch Bayerns Laien liefern ein gutes Ergebnis, wie der LBV erklären kann: In der intensiv bewirtschafteten Feldflur finden die Feldsperlinge und andere typische Feldvögel immer weniger Nahrung, was in diesem Winter durch die lange geschlossene Schneedecke verstärkt wurde. Es zieht sie also zu den Futterstellen in die Gärten. Die sehr häufigen Meldungen der Goldammer (37% mehr Meldungen) und unzählige überraschte Zuschriften über Rebhühner und Fasane an den Futterstellen belegen diesen Effekt.

Auch die Vögel des Waldes kamen wegen der harten Witterung verstärkt an die Futterstellen, statt in den tief gefrorenen Wäldern nach Nahrung zu suchen. Kleiber (+42%), Eichelhäher (+110%) und Buntspecht (+75%) zogen menschliche Futterstellen vor. Besonders stark ist dieser Effekt in den großen Städten wie Nürnberg oder München.

Klimawandel – Anzeichen häufen sich

Ein Hauptaugenmerk der Zählung gilt den Anzeigern einer Klimaveränderung: Zugvögel, die immer häufiger auf milde Winter bei uns „spekulieren“ und sich daher den langen und gefährlichen Zug in die Winterquartiere sparen. Der Trend der letzten Jahre setzte sich fort: So wurden mit 643 Hausrotschwänzen 60% mehr gemeldet als im Verhältnis zum Vorjahr erwartet. Auch bei Star (+20%), Mönchsgrasmücke (+17%) und Heckenbraunelle (+15%) – ehemals klassischen Zugvögeln – setzt sich dieser Trend fort. Der Star konzentriert sich dabei vor allem im milden Unterfranken, wo er sogar auf Platz 10 kommt. Selbst der Rotmilan wurde sieben Mal beobachtet. Lediglich die Zahl der überwinternden Zilpzalpe hat um mehr als 30% abgenommen.

Futterstellen wichtig – auch für Greifvögel

An Futterstellen wurden über 30% mehr Vögel gezählt. Das zog besonders auch Sperber, Turmfalke und Co. an. Sie wurden doppelt so häufig beobachtet wie erwartet. Für einige andere Gäste der Futterstellen wurde das Vogelfutter damit zur Henkersmahlzeit. Die meisten Teilnehmer hatten jedoch Verständnis für die hungernden Jäger. So schrieb eine Teilnehmerin: „Es ist immer schade, wenn sich der Falke wieder einen Spatz holt. Aber so geben wir ihm an unserer Futterstelle indirekt auch eine Überlebenschance.“

Keine Zeisige, aber skandinavische Schwanzmeisen dank „Citizen Science“

Richtiggehend vermisst wurden die klassischen Invasionsvögel Erlenzeisig und Bergfink. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer fragten nach, wo diese Arten bleiben würden, denn sie zählten nur etwa ein Viertel der Vorjahresmenge. Die Antwort: Diese Vögel kommen nicht jedes Jahr zu uns. Erlenzeisige, Bergfinken und auch Seidenschwänze konnten ihre Winternahrung in diesem Jahr offenbar in ihrer nordeuropäischen Heimat finden.

Sehr häufig wurden dagegen weißköpfige Schwanzmeisen gemeldet. Experten hatten bereits im November einen Einflug dieser skandinavischen Unterart festgestellt. Hier zeigt sich ein Effekt von „Citizen Science“-Projekten wie der Stunde der Wintervögel: Weil die Teilnehmer gezielter hinschauen, bemerken auch sie als Laien dieses Phänomen, das sonst nur Experten registrieren. Eine begeisterte Teilnehmerin bringt das auf den Punkt: „Die Aktion hat unser Interesse für unsere Gartenvögel geweckt. Herzlichen Dank!“ Dass die Teilnehmer immer besser hinschauen, zeigt auch der jährlich sinkende Anteil von Meldungen nicht näher erkannter „Meisen“, „Tauben“ oder „Krähen“.

Besonderheiten und Raritäten

Während es sich bei der Meldung der 13-jährigen Sophie „2 Schmutzfinken (Papa und Ich) und 1 Spaßvogel (mein Bruder)“ um einen Scherz handelte, konnten auch wieder einige interessante Raritäten registriert werden: So gab es sogar drei Meldungen von Auerhähnen und 92 Vogelfreunde hatten das Vergnügen, einen Eisvogel beobachten zu können.

Der Wetterumschwung am 7./8. Januar

Da die Zählung erstmals bundesweit stattfand, hatten die Organisatoren den Zählzeitraum auf vier Tage ausgedehnt. Genau in diesen Zeitraum fiel der Wetterumschwung, der zu vielen Fragen bei den Teilnehmern führte. Denn während an einigen Stellen die Vögel plötzlich ausblieben, kamen sie an anderen Orten verstärkt an die Futterstellen. Beide Effekte lassen sich biologisch erklären. Aufgrund der großen Datenmenge wird die Aussagekraft der gesamten Daten dadurch jedoch nicht verringert.

Glückliche Gewinner

Wie jedes Jahr Natürlich gab es für die Teilnehmer auch wieder etwas zu gewinnen. Über eine Reise mit birding tours darf sich Familie Zielonka aus Weiden freuen. Ein hervorragendes Vogelbeobachtungs-Fernglas von Swarovski-Optik gewann Familie Grimm aus Schopfloch (Mittelfranken). Die Digitalkamera von Foto-Video Sauter geht an Frau Juliana Braun aus München. Weitere Zähler gewannen Geschenkgutscheine der Hofpfisterei, die in ihren Bäckereien nur Getreide aus ökologischem Anbau verwendet, sowie Futterstellen inkl. Futter der Firma Vivara.

Weitere detaillierte Ergebnisse zur Stunde der Wintervögel unter www.lbv.de