Worte in die Zeit: 1. Advent
Alle Jahre wieder, liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitchristen, nimmt man sich vor: Diesmal soll’s anders werden, diesmal soll es ganz bestimmt ruhiger zugehen in den Wochen vor Weihnachten!
Aber im Grunde ist dieser Vorsatz schon in dem Augenblick gescheitert, da man ihn fasst. Denn der Beruf geht weiter bis kurz vor Beginn des Heiligen Abends, die Tagesabläufe mit all ihren Pflichten und Notwendigkeiten unterscheiden sich in nichts von denen im Laufe des übrigen Jahres. Und in der wenigen freien Zeit, die einem bleibt, wird man – ob man will oder nicht – hineingezogen in die Betriebsamkeit der Weihnachtsvorbereitungen.
Das, was der österreichische Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl als die „stillste Zeit im Jahr“ bezeichnet hat, scheint es heute nicht mehr zu geben. Das mag in einem Jahresablauf gegolten haben, der bestimmt war durch Aussaat, Reifen der Früchte und schließlich Ernte.
Und dennoch bricht bei uns immer im Advent eine Sehnsucht auf, eine Sehnsucht, die sicher mit bedingt ist durch die Atmosphäre in der Natur. Und es ist eine Sehnsucht, die nicht nur nach „Abschalten“ ruft, nach einem Aufhören von Hektik und einem Schluss mit allem Betrieb. Ich glaube, die adventliche Sehnsucht ist eine, die nach einer Stille verlangt, in der mehr ist, als Abwesenheit von Betrieb, von Reklame, von Hektik und Lärm. Es ist die Sehnsucht nach Stille, in der sich Wesentliches ereignen kann, in der sich Advent im wahrsten Sinne des Wortes ereignen kann.
Advent – das bedeutet ja Ankunft. Ankunft Gottes in dieser Welt. Er ist schon einmal in diese Welt gekommen, damals in Betlehem vor nahezu 2010 Jahren. Aber ist er in der Welt und bei uns schon richtig an gekommen? Oder nächtigt er immer noch im Stall, draußen am Rand, außerhalb von Betlehem, anstatt in unseren Städten, in unseren Häusern und in unseren Herzen?
Ich meine, wir brauchen die Zeit des Advents, damit er endlich auch bei uns Herberge findet, eindringen, uns verwandeln kann. Gott will persönlich bei uns ankommen. Doch wir sind innerlich so vollgestopft mit allem Möglichen. Wenn jedoch schon alles voll ist, wenn alles besetzt bleibt und kein Platz geschaffen wird, kann nichts Neues kommen. Charles de Foucald hat es einmal so ausgedrückt. „Man muss das Haus der Seele vollkommen leer machen, um Gott allein allen Raum zu überlassen.“
Das Haus der Seele leer machen, das meint – bei allen sicher notwendigen Weihnachtsvorbereitungen – den Versuch still zu werden.
Der Advent braucht Stille, denn nur in der Stille kann Advent – Ankunft Gottes – geschehen. Die Bibel hat uns das oft gezeigt, dass Gott in der Stille kommt. Die Propheten werden in der Stille der Wüste berufen, sie suchen Gott in der Stille. Und sie fordern auch immer wieder Stille, wenn sie ihre Worte an das Volk Israel einleiten mit „Hört!“ – „Horcht auf!“ – „Lauscht!“ Sie fordern Stille, in der Gott mit seinem Wort bei den Menschen ankommen kann. Und er selbst ist ja in der Stille angekommen, damals in der Stille der Nacht von Betlehem.
Advent hat also den Sinn, dass wir unsere „inneren Türen“ wieder ganz weit aufmachen, dass wir uns wieder auf eine Begegnung mit Jesus einstellen, ihn in unserem täglichen Leben erwarten. Wir sollen in der Stille „wachsam“ und „bereit“ werden. Denn Advent, Ankunft Gottes kann auch unerwartet geschehen. Gott kann ganz plötzlich in unser Leben einbrechen.
Das ist auch die zweite Bedeutung von Advent: Einbruch. Gott kommt nicht nur in der Stille, er kommt auch unerwartet – wie eben ein Dieb in der Nacht. Im Evangelium zum heutigen Sonntag können wir es lesen. „Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“ Diese unvermutete Stunde ist aber nicht so sehr am Ende der Welt, sie ist vielmehr hier und heute. Der Herr will uns hier und heute begegnen – er will hier und heute bei uns ankommen. Er kommt auf uns zu in ganz unauffälligen, kleinen, stillen und alltäglichen Begebenheiten. Und diese zu erkennen, und in ihnen die Ankunft Gottes, das ist unsere Aufgabe. Es wird von uns gefordert, dass wir uns darauf einstellen.
Und das können wir, so glaube ich, am Besten in der Stille. Stille heißt ja nicht Nichts tun, Stille heißt auch nicht in ständiger innerer Hochspannung zu leben, sondern ruhig zu werden.
Advent bringt für uns die Aufforderung, selbst nach brauchbaren Möglichkeiten zu suchen, uns umzusehen, wann und wo wir Atem schöpfen und ruhiger – stiller – werden können. Und das die Stille notwendig ist, um aus dem Advent eine wirkliche Ankunft Gottes werden zu lassen, das merken wir ja selbst, sonst würden wir uns kaum jedes Jahr neu vornehmen: Diesmal soll’s ruhiger zugehen.
Vielleicht geht mir in dieser Stille auf, warum ich die ganze Hektik auf mich nehme, vielleicht komme ich in dieser Stille so weit, dass ich mich von der Betriebsamkeit nicht vereinnahmen lasse. Vielleicht kann ich mich in dieser Stille auch einmal ernsthaft fragen, ob ich bereit bin, Gott bei mir ankommen zu lassen. Er versucht es ja täglich, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.
Dass wir sein Kommen nicht verschlafen – darauf kommt es an.
Ich wünsche uns allen einen gesegneten und ruhigen Advent.
Ihr Hubert Treske, Don Bosco Forchheim
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