Worte in die Zeit: 18. Sonntag im Jahreskreis
„Man liest zwar deutlich überall: Was tun bei einem Unglücksfall? Doch ahnungslos ist meist die Welt, wie sie beim Glücksfall sich verhält.“
Dieses Gedicht von Eugen Roth, liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitchristen, trifft – meine ich – recht gut unsere Verhaltensweisen in verschiedenen Lebenslagen.
Es ist schon so, dass allein die bloße Aussicht auf unglückselige Ereignisse oder die Erinnerung an böse Überraschungen dazu ausreichen, ungeahnte Kräfte, unseren Verstand und jede Art menschlichen Könnens zu mobilisieren, um Schäden an Leib und Seele zu beheben oder ihnen vorzubeugen. Vermutlich hat auch jeder von uns eine oder sogar mehrere Versicherungen – die Autohaftpflicht, die Privathaftpflicht, die Gebäude- oder die Lebensversicherung – die in der Regel dann einspringen, wenn einem ein Unglück widerfährt.
Und dass Not bekanntlich auch beten lehrt, vervollständigt die nur Palette menschlicher Anstrengungen.
Aber was ist im Glücksfall zu tun?
Es ist ein Glücksfall, dass die Frucht auf den Feldern des Bauern aus dem Evangelium zum 18. Sonntag eine reiche Ernte verspricht. Dass er dann in der Vorfreude darauf überlegt, wo er sein zukünftiges Glück unterbringen soll, ist mehr als verständlich, und der ur-menschliche Trieb, seinen Besitz zu sichern, führt ihn fast instinktiv zu dem Plan, die alten Scheunen abzureißen und größere zu bauen. Dann kann er dem Glück die Krone aufsetzen: Ruhe und Genuss, Freude am Leben auf Jahre hin. Offensichtlich weiß unser Bauer, was er im Glücksfall zu tun hat.
Weiß er es wirklich? Warum wirft ihm Gott dann ein solch hartes Wort entgegen, das ihn und auch uns verunsichern muss: „Du Narr!“ – Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Gott seine Geschöpfe leichtfertig so anspricht. Er muss schon einen ernsten Grund haben, warum der Bauer ein „Narr“, ein „Betrüger seiner selbst“ ist.
Sicher darf er sich freuen, dass es sein Gut ist, auf dem das Glück einer reichen Ernte wächst, darf er stolz sein auf den Ertrag seiner Hände, den er zu Recht sichern will. Es ist gut, dass er nicht die Hände in den Schoß legt und den Überfluss verderben lässt. Und sollte ich es nicht genauso tun bei meinen Glücksfällen? Einen Bausparvertrag abschließen, Prüfungen vorbereiten, Konserven lagern – wenn ich all das kann, vorsorgen für weniger freigebige Jahre?
Nein, Gott verurteilt nicht, dass ich nicht in den Tag hineinlebe, sondern für die Zukunft sorge und versuche, ohne Sorgen zu leben und die angenehmen Seiten des Lebens kennenzulernen.
Aber dass unser Bauer – und vielleicht ich auch? – nur noch sein Glück vor Augen sieht und mit seinem Leben dem Besitz verfällt, ist das Traurige. „Ruh dich aus, iß und trink, und freu dich des Lebens!“ scheint seiner Lebensweisheit letzter Schluss zu sein. Eigentlich denkt und handelt unser Bauer nach jenem alten vielschichtigen Motto, das ganz deutlich die verhängnisvolle Verbrüderung von Mensch und Besitz ausdrückt und dem manch einer unserer Zeit verfallen ist: „Hast du was, dann bist du was!“
Sein durch Haben: Es ist sicher nicht untertrieben, manch einem zu unterstellen, dass seine Selbstachtung und sein Lebensglück darauf gründen, viel oder Kostbares zu haben: ein wohlklingender Titel, ein angesehener Beruf, das reichliche Geld, ein flottes Auto, ein standesgemäßes Haus, eine schöne Frau und kluge Kinder. Weil ich habe, bin ich jemand in meinen eigenen Augen und in denen der anderen. Vom Haben hängt dann das Gefühl ab, – endlich – ein Mensch zu sein. Und gerade weil dem Haben so viel Bedeutung zukommt für mich, weil es mein Innerstes berührt, das mit ihm steht und fällt, ist wohl auch der Neid eine der Regungen, die sich am schnellsten und tiefsten im menschlichen Herzen ausbreitet. „Hast du was, dann bist du was!“
Aber erweist sich diese vermeintliche Lebensweisheit nicht doch manchmal als ein Trugschluss? Bin ich denn niemand mehr, wenn mir das alles nicht – oder nicht mehr – habe?
Diese Frage müsste ich mir dann stellen, wenn ich völlig der Vorstellung erliege, mein Haben würde ewig dauern. Besitz und Glück, alles, was angeblich mein Leben ausmacht, ist doch vergänglich, zeitlich begrenzt in seinem Wert, der bald schon schwinden kann, und erst recht begrenzt in seiner Dauer, weil eben nichts ewig hält. Bin ich dann noch wer?
Genau darauf zielt wohl im Grunde der Vorwurf Gottes, ein Narr zu sein. Ein „Betrüger seiner selbst“ ist der, der sein Leben und seine Achtung, seine Zukunft und seinen menschlichen Wert auf diese Welt und ihre Schätze setzt. Und wie groß muss die Enttäuschung eines solchen Menschen sein, dessen Fundament schwankt oder bricht und dem nur diese Erkenntnis bleibt: Ich bin nur das gewesen, was ich hatte!
Wie tief aber muss Gottes Enttäuschung sein, sich im Vorwurf des „Du Narr“ – menschlich gesprochen – Luft macht, weil er mit ansehen muss, wie sein Geschöpf sein Leben auf einer Lebens-Lüge aufbaut.
Denn ich kann nur sein und bleiben, wenn ich reich vor ihm bin, wenn er selber mein Haben ist. Ich bin nur und bleibe, wenn ich in Gott bin, wenn er mein Selbstbewusstsein ist, meine Würde, mein Wert, meine Zukunft, und nicht die Dinge dieser Welt. Nur wenn er zwischen mir und den Dingen steht, dann bin ich kein Narr, im Gegenteil: ich kann mich gerade auch dann des Lebens und seiner Vorzüge freuen, weil es unter seinem Stern steht. Und es nützt nichts vor Gott – und dann eigentlich auch vor mir nicht – Maschinen bedienen oder besitzen zu können, wenn ich nicht zuerst an mir und meinen Fehlern arbeite. Vor ihm nützt es nichts, dass mein Besitz wächst, wenn nicht zuerst mein Glaube zunimmt. Vor ihm nützt es nichts, wenn ich aus mir etwas mache, aber nicht zuerst Gott etwas – jemanden – aus mir machen kann, weil ich ihn nicht hineinlasse in mein Leben. Vor ihm nützt nicht die Mühe von Aussaat und Ernte, wenn ich mich nicht zuerst bemühe, selber reif zu werden, ein Mensch, der Christus ähnlicher wird. Hüten wir uns, die Dinge dieser Welt, ihre Glücksfälle, selbst wenn es Menschen sind, als die letzten Dinge zu nehmen.
Letzter und Erster ist Gott. Ist er für mich, dann bin ich wer – und bleibe es!
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die kommende Woche.
Ihr Hubert Treske, Don Bosco Forchheim
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