Worte in die Zeit – 13. Sonntag im Jahr
„Lass die Toten ihre Toten begraben!“ oder „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes!“ – hart sind sie und sperrig, diese Worte Jesu.
Nein – es sind wahrhaftig keine griffigen und leicht über die Lippen gehenden Werbeslogans einer kuschelweichen und faserschonenden Werbeindustrie, es sind eher Stolpersteine auf dem Weg zur Eigentlichkeit, auf dem Weg zur Nachfolge Jesu, liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitchristen. Die Worte, die uns der Evangelist Lukas überliefert sind herausragend und herausfordernd – und deshalb wohl auch Urgestein des Mannes aus Nazareth.
Da wollen Menschen diesem Jesus nachfolgen, er selbst spricht Menschen an, ihm zu folgen, und im nächsten Moment konfrontiert er sie mit solch harten Worten: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel haben ihre Nester, der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann!“ – „Lass die Toten ihre Toten begraben!“ – „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes!“
Das kann doch Jesus nicht wörtlich gemeint haben, oder? Aber wie dann? Na, eben übertragen, einfach „nur symbolisch“. Denn wer Jesus wörtlich nimmt, der ist doch von seinem Anspruch überfordert, und zwar radikal überfordert, oder etwa nicht?
Radikal, das heißt. an die Wurzel gehend, in die Tiefe führend, im Boden verankernd. In diesem Sinne verstehe ich Jesus als radikal. In diesem Sinne verstehe ich auch Christen und Christ-Sein als radikal. Was geschieht, wenn ich mich auf Jesu Wort, wie wir es an diesem Sonntag im Evangelium hören, radikal einlasse?
Vielleicht hilft uns eine kleine Geschichte weiter, die ich vor einigen Jahren gelesen habe.
Sie erzählt davon, dass das Wort Gottes in eine Stadt kommen wollte. Das Gerücht davon verbreitete sich schnell, und die Kirchenblätter warnten, das Wort Gottes könne gar nicht kommen, es sei nämlich schon längst da. „Wir besitzen es in den heiligen Büchern, und wir haben Experten, die es für die Laien auslegen, zurechtlegen, mundgerecht machen.“ Das alles schrieben sie, aber das Wort Gottes kam doch in die Stadt. Nach verschiedenen Besuchen kam das Wort Gottes schließlich zu einem dieser Theologen, einem namhaften Bibelgelehrten, dessen neues Buch vom Wesen und Wirken des Wortes Gottes demnächst erscheinen sollte. „Sie kommen mir höchst gelegen“, sagte der Professor, „von meinem Buch haben Sie wohl schon gehört? Ich läse Ihnen gerne einiges vor!“ Das Wort Gottes nickte. „Lesen Sie, Herr Professor, ich bin ganz Ohr.“ Er las, das Wort Gottes schwieg. Als er zu Ende gelesen, das Manuskript weggelegt hatte, sah er auf, und da sah er den Blick … Er wagte nicht zu fragen. Endlich sprach das Wort Gottes: „Meisterhaft, Herr Professor, mein Kompliment! Aber ob Sie es wohl verstehen? Wissen Sie, als Objekt betrachtet, besprochen, beschrieben, wird mir seltsam zumute, grad als ob ich meine eigene Leiche sähe … Einmal schreiben Sie, und das finde ich sehr treffend, ich wolle eigentlich nicht Wahrheit offenbaren (für wahr zu haltende Wahrheiten, sagten Sie), ich wolle vielmehr den Menschen selbst. Das wär’s, Herr Professor, genau das!“
Und da war wieder der Blick. Das Wort Gottes erhob sich und schritt zur Tür. „Was wollen Sie von mir?“ schrie der Professor ihm nach. „Sie will ich“, sagte das Wort Gottes, „Sie!“ Die Tür schloss sich leise.
Und vielleicht ist es genau das, was Jesus mit seinen sperrig klingenden Worten ausdrücken will: wer mir nachfolgen will, wer sich auf das Wort von Heil einlassen will, der darf sich nicht nur halb darauf einlassen, der darf keinen faulen Kompromisse eingehen, der darf nicht nur ein wenig – vielleicht nur an Sonn- und Feiertagen – Christ sein. Wer mir nachfolgt, der soll leibhaft glauben können, mit allen Organen und Sinnen, mit seinem ganzen Innersten und – wenn es sein muss – auch „gegen den Strich“ der Konvention. Wer mir nachfolgen will, den brauche ich mit Haut und Haaren, den brauche ich mit seiner ganzen Persönlichkeit – den möchte ich ganz haben, von ganzem Herzen und mit seinem ganzen Herzen.
„Was wollen Sie von mir?“, schrie der Professor dem Wort Gottes nach. „Sie will ich!“ – sagte das Wort Gottes, „Sie!“
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die kommende Woche!
Ihr Hubert Treske, Don Bosco Forchheim
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