Worte in die Zeit – 11. Sonntag im Jahr

Irgendetwas passt da nicht! – Das waren meine ersten Gedanken, liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitchristen, als ich mir das Evangelium zum heutigen Sonntag durchgelesen habe.

Warum, so fragte ich mich, lässt es der Gastgeber, der Jesus zum Essen geladen hatte, soweit kommen, dass eine Frau, eine Sünderin noch dazu, seinen Gast auf diese Art und Weise kompromittiert? Er hat als Pharisäer doch gewusst, dass das, was diese Frau seinem Gast da „antut“, diesen unter Umständen unrein macht – und ihn selbst gleich mit. Warum also hat er es zugelassen, dass diese Sünderin seinem Gast die Füße mit ihren Tränen wäscht und sie danach mit Öl salbt? Warum hat er sie überhaupt so nahe an Jesus herankommen lassen? Warum hat er sie nicht sofort aus seinem Haus entfernen lassen?

Irgendetwas passt da doch nicht! Zumindest passt es nicht zu dem Bild, das uns sonst in der Bibel von den gesetzestreuen Pharisäern vermittelt wird. Hat es der Evangelist Lukas, der diese Geschichte in sein Evangelium, in seine frohe Botschaft von diesem Jesus aus Nazareth aufgenommen hat, nicht besser gewusst? Wohl kaum, denn er war ja Kind seiner Zeit und mit dem Judentum, dessen Glauben, Gesetzen und Gebräuchen sicher vertraut!

Ich glaube, dem Evangelisten Lukas ging es gar nicht darum, diese Geschichte so niederzuschreiben, wie sie sich zugetragen hat – oder haben könnte. Vielleicht ist sie so auch gar nicht geschehen.

Die Details der Begegnung Jesu mit der Sünderin sind für Lukas unwesentlich – wesentlich ist für ihn etwas ganz anderes, und davon schreibt er.

Wesentlich ist für ihn die Botschaft von Jesus, die Botschaft vom Heil darzustellen und zu verkünden. Wesentlich ist für ihn aufzuzeigen, wie Jesus mit den Menschen seiner Tage – vor allem mit denen, die am Rande der Gesellschaft stehen – umgeht. Wesentlich ist für ihn zu zeigen, dass Jesus, dass Gott jemand ist, der niemanden fallen lässt – auch nicht den größten Sünder!

Letztlich möchte Lukas, dass wir dieses Evangelium tatsächlich als ganz persönliche Botschaft an uns verstehen – er möchte zeigen, dass Jesus gekommen ist, um auch in uns das Verlorene zu suchen und zu retten!

Und hier beginnt dieses Evangelium vielleicht, an uns und in uns unbequeme, lästige Fragen zu stellen.

Fragen, die so aussehen könnten: Wie gehen denn wir mit den Schattenseiten unseres Lebens um? Wie gehen wir um mit unserer Schuld, unserem Versagen? Nehmen wir sie als glaubende Menschen mit hinein in die Begegnung mit Christus? Tragen wir sie vor ihn hin in der festen Zuversicht, dass wir bei ihm Vergebung finden, dass er auch unser Leben wandelt wie das der Sünderin, und uns neuen Lebensmut und Lebensfreude schenkt? Oder haben wir uns im Stillen vielleicht nicht doch bereits für den vermeintlich einfacheren Weg entschieden, für das, was „man“ so heute denkt, sagt und tut?

Wenn wir einmal ehrlich sind, müssen wir uns wohl eingestehen, wie leicht wir uns auch als Christen hinter dem verstecken, was allgemeine Meinung und damit in der Gesellschaft üblich ist.

Wie leicht sehen wir über unsere eigene Schuld im Alltäglichen hinweg, vereinfachen sie mit Worten wie „jeder hat doch nun mal seine Fehler“ und gehen im gleichen Atemzug dann aber mit anderen oft gnadenlos ins Gericht!

Wenn wir in der Begegnung mit Jesus zu unserer eigenen Schuld stehen können und unsere Last vertrauensvoll in seine Hände legen, wenn wir uns von ihm in unserem Innersten treffen lassen, uns vergeben lassen, dann ist auch zu uns das Heil gekommen. Dann gilt auch für uns sein Wort: „Deine Sünden sind dir vergeben! … Geh in Frieden!“ und wir können als neue Menschen zu leben beginnen.

Und auch da, wo andere uns etwas schulden, wo uns Menschen enttäuscht oder verletzt haben, werden wir das Geschuldete nicht mehr einklagen, sondern an Gottes Barmherzigkeit und Versöhnungsbereitschaft maßnehmen. Als miteinander Versöhnte wird dann unter uns Christen wirklich so etwas wie eine Familie, eine Gemeinde von wahren Schwestern und Brüdern wachsen können, die niemanden ausgrenzt und verstößt. Dann wird unter uns wirklich erfahrbar werden, dass Gott niemanden abschreibt, sondern dass er sein Heil zu allen Menschen bringen will.

Und damit wird das Bild, das Lukas zeichnet, wieder stimmig! Nicht der Pharisäer und nicht die Frau stehen im Mittelpunkt seiner Erzählung – im Mittelpunkt steht einzig und allein die Barmherzigkeit und Versöhnungsbereitschaft Gottes.

Allerdings muss es dann auch für uns, die an diesen Gott glauben und die Jesu Heilsbotschaft ernst nehmen, zur persönlichen Verpflichtung werden, seine Liebe weiterzutragen – und wir sollten es auch mit Wort und Tat tun!

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die kommende Woche!

Ihr Hubert Treske, Don Bosco Forchheim